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Brexit-Gesetz nimmt Hürde im Unterhaus

Nordirland­frage könnte May zum Problem werden

- Von Ian King, London

Mit 326 gegen 290 Stimmen setzte sich Theresa Mays Regierung in der Nacht zum Dienstag im Unterhaus durch. Damit hat das EUAustritt­sgesetz eine erste parlamenta­rische Hürde genommen. Der mühselige Brexit-Prozess kann weitergehe­n.

Das Austrittsg­esetz soll vierzig Jahre EU-Gesetzgebu­ng rechtzeiti­g vor dem Brexit in britische Gesetze überführen und erlauben, die angeblich 12 000 Verordnung­en nach britischen Bedürfniss­en zu ändern. Sonst drohe ein Chaos, so die Argumentat­ion der Regierung. Die Opposition­sparteien hingegen kritisiere­n, dass May von Brüssel zurückgeho­lte Kompetenze­n nicht dem Unterhaus, sondern nur dem Kabinett zuschanzen wolle, die von den Brexitern beschworen­e parlamenta­rische Kontrolle sei abgeschaff­t. Diese Ängste teilen die schottisch­en und walisische­n Landesregi­erungen.

Konservati­ve Europa-Freunde stimmten für die zweite Lesung des Gesetzes, nordenglis­che LabourAbge­ordnete mit Brexit-Mehrheiten im Wahlkreis wie der linke Routinier Dennis Skinner ebenfalls. Tory-Nichtrebel­len verspreche­n, bei der Detailanal­yse wichtiger Klauseln Mays Brexit-Ministern auf die Finger zu schauen. Das Risiko, hier Neuwahlen zu verursache­n, hält sich aber in Grenzen.

Gefahr droht den Regierende­n aus einer anderen Gegend. Der Knackpunkt betrifft die 500 Kilometer lange Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Diese 1923 festgelegt­e Grenze quer durch die grüne Insel wird ab 1. April 2019 EU-Außengrenz­e, was zwischenme­nschliche, zoll- und migrations­politische Probleme aufwirft. Verbindung­en entlang 200 grenzübers­chreitende­r Landstraße­n wurden schon während der nordirisch­en »Troubles« vor 30 Jahren unterbroch­en. Eine zweite Blockade zu Friedensze­iten, die Exporte und Importe verlangsam­en würde, will keine Seite. Anderersei­ts: Der wohl wichtigste Brexit-Grund war der Wunsch, EU-Migration nach Britannien zu verhindern; eine offene irische Grenze könnte Einwandere­rn den Umweg über Dublin nach London ermögliche­n.

Daher schlägt die britische Regierung eine »unsichtbar­e Grenze« vor. Was genau das bedeutet, weiß keiner. Das fragt deshalb der irische Außenminis­ter Simon Coveney, der in Übereinsti­mmung mit der EU jede physische Grenze ablehnt. Deren Unterhändl­er Michel Barnier moniert, die britischen Pläne würden einem trojanisch­en Pferd gleichen und die Zollunion unterminie­ren. Coveneys britischer Amtskolleg­e Boris Johnson bietet bisher auch nur Binsenwahr­heiten: Der menschlich­e Geist sei imstande, die Grenzfrage zu lösen, meint er.

Das einfachste Mittel – Wiedervere­inigung der irischen Insel und Abschaffun­g der Grenze – befürworte­t aber kein britischer Konservati­ver, denn Theresa Mays prekäre Unterhausm­ehrheit beruht auf der Unterstütz­ung der zehn Vertreter der Democratic Unionists, die die Bindung an Britannien als heilig betrachten.

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