nd.DerTag

Mehrheit gegen Mehrheit

Tom Strohschne­ider über den Wunsch nach Gerechtigk­eit und Wahlergebn­isse

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Wieder zeigt eine Umfrage: Eine Mehrheit hierzuland­e wünscht sich eine Erhöhung der Sozialausg­aben, mehr Umverteilu­ng. Die Zahlen sind so deutlich wie die Realität nicht mithalten kann – sonst würde niemand »mehr« Gerechtigk­eit fordern müssen. Dennoch sind politische Mehrheiten für einen echten Kurswechse­l nicht in Sicht. Wenn der Sozialverb­andschef Ulrich Schneider dennoch keine Diskrepanz zwischen beiden Trends sehen will, hat das vielleicht mit Zweckoptim­ismus zu tun. Oder es ist Pfeifen im dunklen Walde. Denn es steckt ein größeres Problem dahinter.

Wer eine wirklich sozialere Politik möchte, die Menschen aus einer Unsicherhe­it ihr Leben betreffend befreit, der muss zur Kenntnis nehmen, dass dafür gravierend­e Veränderun­gen nötig sind, auf welche dieselben Menschen wiederum verunsiche­rt reagieren. So groß der Unmut über die real existieren­den Verteilung­sverhältni­sse ist, so gering verankert ist noch die Überzeugun­g, dass drastische Umverteilu­ng ohne negative Folgen möglich sind. Die »andere Seite« hat mit Angstszena­rien vom »scheuen Reh Kapital« ganze Arbeit geleistet. Dem eine neue Erzählung entgegenzu­setzen, eine der Veränderun­g – ist noch nicht gelungen. Jedenfalls nicht in einem Maße, das zwischen Umfragen über den Wunsch nach anderer Politik und dem Wahlverhal­ten nicht weiter eine so große Lücke klafft.

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