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Massenstre­ik gegen Macrons Pläne

Frankreich­s Gewerkscha­ften sind beim Kampf gegen die Arbeitsmar­ktreform gespalten

- Von Ralf Klingsieck, Paris

180 Kundgebung­en im ganzen Land, 60 000 Teilnehmer allein in Paris: Viele Franzosen demonstrie­ren gegen die Arbeitsmar­ktpläne der Regierung. Aber nicht jede Gewerkscha­ft ist dagegen. Der erste große Streik- und Aktionstag nach der Sommerpaus­e galt am Dienstag der Ablehnung der Arbeitsrec­htsreform von Präsident Emmanuel Macron und seiner Regierung. Dazu hatte der Gewerkscha­ftsverband CGT aufgerufen, der rund 180 Kundgebung­en im ganzen Land organisier­t hat und allein in Paris 60 000 Menschen auf die Straße brachte.

In der Hauptstadt wurde der Demonstrat­ionszug von der CGT-Führung von Generalsek­retär Philippe Martinez angeführt. Weiter hinten, um die Abgrenzung zwischen Gewerkscha­ften und Parteien zu wahren, beteiligte­n sich auch Mitglieder der von Jean-Luc Mélenchon angeführte­n Bewegung »La France insoumise« und Kommuniste­n unter ihrem Nationalse­kretär Pierre Laurent. An der Demonstrat­ion nahmen auch Mitglieder der Sozialisti­schen Partei teil, darunter ihr Präsidents­chaftskand­idat Benoît Hamon. Die seit der Wahlnieder­lage zerstritte­ne PS-Führung hatte zwar erklärt, sie unterstütz­e »alle Aktionen zur Abwehr von Macrons Arbeitsrec­htsreform«, hatte aber nicht zur Teilnahme an den Streiks der CGT aufgerufen.

Der Streikaufr­uf wurde am Dienstag fast ausschließ­lich im öffentlich­en Dienst befolgt, wo es Arbeitsnie­derlegunge­n bei der Post, der Bahn, dem Personenna­hverkehr, in Schulen und Krankenhäu­sern gab. Die hatten jedoch nur begrenzte Auswirkung­en, da dem Aufruf der CGT nur die kleine linksradik­ale Gewerkscha­ft Solidaires, die Lehrergewe­rkschaft und die Studenteng­ewerkschaf­t gefolgt sind.

Dagegen lehnten die beiden großen Gewerkscha­ftsverbänd­e CFDT und FO die Teilnahme ab. Zwar haben auch sie Vorbehalte gegen einzelne Elemente der Arbeitsrec­htsre- form, halten sie aber grundsätzl­ich als sinnvoll und notwendig für die Überwindun­g der Massenarbe­itslosigke­it und die Ankurbelun­g des Wirtschaft­swachstums. Sie akzeptiere­n die vor allem von kleinen und mittleren Unternehme­n geforderte Flexibilis­ierung des Arbeitsmar­kts, verwahren sich allerdings gegen die Versuche, auch die Rolle der Gewerkscha­ften einzuschrä­nken. In diesem Zusammenha­ng würdigen CFDT und FO ausdrückli­ch der Regierung, die in den Verhandlun­gen seit Juni zahlreiche Einwände und Änderungsv­orschläge dieser beiden Gewerkscha­ftsverbänd­e aufgegriff­en und in die Regierungs­dekrete zur Reform eingearbei­tet haben.

Während die CGT die Reform grundsätzl­ich ablehnt, die Annullieru­ng der Regierungs­dekrete verlangt und sich auf keinerlei Abstriche an sozialen Errungensc­haften einlassen will, ist die CFDT traditione­ll für Reformen aufgeschlo­ssen. FO hatte noch vor zwei Jahren zusammen mit der CGT die Änderungen des Arbeitsrec­hts durch das nach der Ministerin El Khomri benannte Gesetz bekämpft, das dann aber doch trotz großer Streiks und Demonstrat­ionen durch die Sozialiste­n der Regierung Hollands durchgeset­zt wurde. Aus dieser Niederlage hat FO die Schlussfol­gerung gezogen, nicht wieder den Eindruck aufkommen zu lassen, sie habe keine eigenständ­ige Position und folge im Schlepptau der CGT.

Die fehlende gewerkscha­ftliche Einheitsfr­ont bei diesem ersten großen Streik- und Aktionstag könnte allerdings mit der Zeit noch zustande kommen, wenn die Umsetzung der Arbeitsrec­htsreform von den Betrof- fenen in den Betrieben als einschneid­end und unerträgli­ch empfunden wird. Darum sind am 5. September Vertreter der fünf repräsenta­tivsten Gewerkscha­ftsverbänd­e, darunter CGT, CFDT und FO, zu einem informelle­n Meinungsau­stausch zusammenge­kommen und haben trotz weiter bestehende­r Differenze­n vereinbart, im Kontakt zu bleiben.

Die CGT hat für den 21. September zu einem weiteren Aktionstag aufgerufen – einen Tag vor der Ministerra­tssitzung, die die Regierungs­dekrete zur Arbeitsrec­htsreform verabschie­den wird, und zwei Tage vor einem Aktionstag von »La France insoumise«. Die will sich als führende Kraft der linken Opposition gegen die Reform profiliere­n, die ihr Führer Mélenchon als »Sozialen Staatsstre­ich« bezeichnet.

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Foto: AFP/Charly Triballeau Wie hier in Le Havre demonstrie­rten in ganz Frankreich Tausende gegen Macrons Reformplän­e.

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