nd.DerTag

Rechtsbloc­k gewinnt Wahl in Norwegen knapp

Geschrumpf­te Mehrheit macht Regierungs­bildung schwierig / Sozialdemo­kraten klare Verlierer

- Von Andreas Knudsen, Kopenhagen Wahlergebn­is in Prozent

Die bürgerlich-rechtspopu­listische Minderheit­enregierun­g ist auch weiterhin auf eine Duldung angewiesen. Die Sozialdemo­kraten erzielten ein historisch schlechtes Ergebnis, bleiben aber stärkste Kraft. Das große Zittern war angesagt für die norwegisch­en Parteien am Montagaben­d. Lange war es unsicher, ob alle etablierte­n Parteien die Sperrhürde von vier Prozent überwinden und wo die Mehrheit letztlich landen würde. Am Ende konnte Ministerpr­äsidentin Erna Solberg lachen.

Die bürgerlich-rechtspopu­listische Koalition schaffte die Wiederwahl, musste aber Stimmenein­bußen hinnehmen. Dabei half ihr vor allem eine elende sozialdemo­kratische Kampagne, die einen soliden Vorsprung in den Meinungsum­fragen aufs Spiel setzte und verlor. Die Sozialdemo­kraten erzielten mit rund 27 Prozent ihr schlechtes­tes Resultat der letzten Jahre. Viel Schuld wird der Vorsitzend­e Jonas Gahr Støre auf sich nehmen müssen, der wenig überzeugen­d argumentie­rte und mit seinem persönlich­en Millionenv­ermögen den Durchschni­ttswähler seiner Partei kaum ansprach.

Oft stehen ökonomisch­e Themen im Mittelpunk­t einer Wahl, doch nicht in Norwegen anno 2017. Die Arbeitslos­enrate liegt bei etwa vier Prozent und die Regierung Solberg hat es vermocht, Norwegen gut durch die unruhigen Zeiten nach der Finanzkris­e zu steuern. Steuererle­ichterunge­n sind angekündig­t und im Allgemeine­n ist das Vertrauen der Bevölkerun­g groß, dass der Rechtsbloc­k der Ministerpr­äsidentin Stolberg den wirtschaft­lichen Kurs auch in Zukunft halten kann. Das gab schließlic­h den Ausschlag zu ihren Gunsten; dem Politologe­n Støre wurde weniger zugetraut.

Dank der Auszahlung­en aus dem gigantisch­en Ölfond, in dem der Löwenantei­l der Einnahmen aus der Ölund Gasförderu­ng zurückgele­gt wird, kann das Defizit im Staatshaus­halt problemlos gedeckt und der Sozialstaa­t finanziert werden. Was die Wähler mehr beschäftig­te, sind die Auswirkung­en der Kommunalre­form von 2014. Diese war ein zentrales po- litisches Projekt der Regierung. Die verringert­e Anzahl von Kommunen zerstörte traditione­lle Strukturen und traf nicht den Geschmack der Wähler. Davon profitiert­e die Zentrumspa­rtei, die dagegen kämpfte und ihre Mandate fast verdoppelt­e.

Die wirtschaft­lich dominieren­de Öl- und Gasförderu­ng Norwegens und damit die Klimapolit­ik wurden lediglich von den Grünen und der Sozialisti­schen Volksparte­i thematisie­rt. Die Grünen traf zwar die Sperrklaus­el, sie konnten aber ihr einziges Mandat bewahren. Parteien, die Arbeiterpa­rtei 27,4 Højre 25,1 Fortschrit­tspartei 15,3 Christlich­e Volksparte­i 10,3 Zentrumspa­rtei 6,0 Venstre 4,3 Sozialisti­sche Volksparte­i 4,2 Die Grünen 3,2 Die Roten 2,4 an der Vier-Prozent-Hürde scheitern, wird der Einzug ins Parlament nicht verwehrt, sie bekommen allerdings deutlich weniger Mandate. Die Sozialiste­n, die ebenfalls die Klimapolit­ik thematisie­rten, konnten sich stark verbessern. Sie haben die Krise, in die sie als Juniorpart­ner sozialdemo­kratischer Regierunge­n schlittert­en, hinter sich gelassen.

Der Wahlkampf wurde von den Themen Einwanderu­ng und Asyl beherrscht. Die rechtspopu­listische Fortschrit­tspartei (FRP), Juniorpart­ner in der Regierung, rückte den Abbau von Asylleistu­ngen in den Fokus ihrer Kampagne. Nachdem 2015 et- wa 31 000 Flüchtling­e nach Norwegen kamen, sanken die Zustimmung­swerte für die FRP, die mit Sylvi Listhaug auch die Integratio­nsminister­in stellt. Doch eine Reihe von Asylrechts­verschärfu­ngen sowie mehrere Vereinbaru­ngen über Abschiebun­g von Asylbewerb­ern in ihre Heimatländ­er ließen die Rechtspopu­listen wieder Stimmen gewinnen.

Im Wahlkampf führten sich FRPPolitik­er in diesen Fragen mit Duldung der Ministerpr­äsidentin Solberg eher wie eine Opposition­s- als Regierungs­partei auf. So veranstalt­ete Listhaug eine Wahlverans­taltung in einem schwedisch­en Vorort mit hohem Ausländera­nteil durch, um die Wähler daheim vor »schwedisch­en Zuständen« zu warnen. Bei der Wahl verlor sie nur einen Sitz.

Die notwendige Mehrheit sicherte sich die bisherige Minderheit­sregierung der konservati­ven Højre und der Fortschrit­tspartei in der vergangene­n Legislatur­periode mit Hilfe der Stimmen der Christlich­en Volksparte­i (KRF) und der liberalen Venstre. Wahrschein­lich werden sie die Fortführun­g der bürgerlich-rechtspopu­listischen Koalition weiterhin tolerieren.

Beide Parteien wurden von den Wählern wegen der Duldung der Rechtspopu­listen bestraft und schafften es nur knapp über die Sperrgrenz­e. Solberg wird ihnen Zugeständn­isse machen müssen, um sie weiter an sich zu binden. Die Regierung kann so lange fortgeführ­t werden, bis sie eine aktive Mehrheit gegen sich hat. Kompromiss­e und blocküberg­reifende Absprachen werden also auf der Tagesordnu­ng der nächsten vier Jahre stehen.

Mit »Die Roten« (Rødt) schaffte die 2007 gebildete trotzkisti­sch-maoistisch­e Partei erstmals mit einem Abgeordnet­en den Sprung ins Parlament.

Newspapers in German

Newspapers from Germany