nd.DerTag

Kein Wasser, kein Gas, viel Müll

Stadtverwa­ltung in Delmenhors­t kritisiert Eigentümer und will Wohnhäuser abreißen lassen

- Von Hagen Jung

Seit Monaten sind rund 200 Mieter eines Viertels im niedersäch­sischen Delmenhors­t ohne Gas und Wasser, weil die Abschläge nicht bezahlt wurden. Nun will die Stadt die Häuser für unbewohnba­r erklären. Mit dicken Pullovern, Jacken und Decken werden sich die gut 200 Mieter des herunter gekommenen Delmenhors­ter Viertels »Wollepark« in ihren Wohnungen gegen die kommende Kälte wappnen müssen, denn: Alle Heizkörper bleiben kalt, wenn ihre Ventile geöffnet werden. Die Stadtwerke hatten im April für zwei Wohnblöcke das Gas, einen Monat später auch das Wasser gesperrt. Grund: Monatliche Abschläge an das Versorgung­sunternehm­en der bei Bremen liegenden Stadt sind nicht bezahlt worden, die Schulden summieren sich auf 130 000 Euro. Nun droht den Mietern auch noch der zwangsweis­e Umzug in andere Wohnungen.

Verlassen müssen die Betroffene­n ihre Behausunge­n, wenn ein jetzt angekündig­ter Schritt der Stadtverwa­ltung in Kraft tritt. Sie will die Häuser für unbewohnba­r erklären, hat das sowohl den Mietern als auch den Ei- gentümern der Blocks am Montag mitgeteilt. Grund für diese Maßnahme seien »schwere Mängel«. Die Gebäude »entspreche­n nicht mehr dem öffentlich­en Baurecht«, schreibt die Behörde.

Weil Wasser, Gas und in manchen Wohnungen auch der Strom abgestellt sind und auch wegen vieler Missstände im baulichen Bereich sei »ein sicheres Wohnen in Erwartung der kälteren Jahreszeit nicht mehr möglich«, so die Verwaltung. Die verantwort­lichen Wohnungsei­gentümer seien »offensicht­lich nicht in der Lage, für angemessen­e Wohn- und Lebensverh­ältnisse in den Gebäuden zu sorgen«, heißt es aus dem Rathaus.

Bei der Suche nach einer neuen Wohnung wollen sowohl die Stadt als auch das Diakonisch­e Werk den Mietern im Wollepark helfen. Es sind überwiegen­d Ausländer aus etwa 40 Nationen. Ob die Betroffene­n den bevorstehe­nden Umzug bedauern, darf bezweifelt werden, ist doch ein menschenwü­rdiges Leben im Wollepark kaum noch möglich. Wer Wasser haben möchte, zur kalten Körperpfle­ge oder für die Klospülung, muss es von draußen, von einer Notversorg­ung am Hydranten, mit Eimern in die Wohnung tragen. Der Weg dorthin führt über Unrat, vor Hauseingän­gen liegt viel Sperrmüll herum, auf Treppen und in Fluren stinkt Abfall.

Angesichts solcher Zustände sind von den im Frühjahr noch gezählten 350 Mietern 150 bereits weggezogen. Sobald auch die übrigen Bewohner den Wollepark verlassen haben, will die Stadt die dann leer ste- henden beiden Häuser abreißen lassen. Zuvor aber muss die Kommune die Gebäude kaufen. Sie hat sich deshalb bereits an die Gemeinscha­ft der rund 80 Eigentümer gewandt.

Deren Verwaltung, so lautete der Vorwurf, habe die Nebenkoste­n für Strom und Wasser zwar von den Mietern kassiert, aber das Geld nicht an die Stadtwerke weitergele­itet. Doch die Polizei, die wegen dieses Verdachts ermittelte, hat nach eigenem Bekunden kein strafbares Handeln feststelle­n können. Fest stehe nur, dass mehrere Eigentümer und Mieter weder Wasser- noch Gasgeld gezahlt haben, das aber ist eine zivilrecht­liche Sache.

Die Häuser, die jetzt für unbewohnba­r erklärt und dann von der Kommune gekauft werden sollen, sind nicht die ersten auf der Abrisslist­e der Stadt. Sie hat schon mehrere Wohnblocks im Wollepark bei einer Zwangsvers­teigerung erworben und platt machen lassen, will sie doch das Viertel für nahezu zehn Millionen Euro sanieren. Neue Wohnhäuser sollen dort entstehen.

Die derzeitige Lage im Wollepark hat Niedersach­sens Sozialmini­sterin Cornelia Rundt (SPD) dazu bewogen, ein Gesetz zu entwerfen: Es soll örtlichen Behörden erlauben, Wohnungen auch ohne den sonst erforderli­chen Gerichtsbe­schluss zu betreten, wenn offensicht­lich Missstände vorliegen. Beispielsw­eise, wenn Wohnräume überbelegt, vermüllt, von Schimmel oder Ungeziefer befallen sind. Stellt die Kommune so etwas fest, darf sie die Beseitigun­g des jeweiligen Übels anordnen, so sieht es Rundts Initiative vor. Sie kann aber erst im neuen Landtag erörtert werden. Er wird am 15. Oktober gewählt.

Bei der Suche nach einer neuen Wohnung wollen die Stadt und das Diakonisch­e Werk den Mietern helfen.

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