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Repressive Symptombek­ämpfung

Dresden plant Bettelverb­ot von Minderjähr­igen – Organisati­onen kritisiere­n den Ansatz

- Von Peter Nowak

Ab November soll es in der sächsische­n Landeshaup­tstadt Bußgelder für bettelnde Kinder geben. Linke Gruppen fordern stattdesse­n eine Prävention gegen Armut. »Kaum ein anderes Thema beschäftig­t die Dresdner im Moment mehr als die Bettler auf den Straßen rund um den Altmarkt, am Albertplat­z und am Schillerpl­atz«, schrieb die »Sächsische Zeitung« (SZ) am Montag. Tatsächlic­h häuften sich in den vergangene­n Wochen in der sächsische­n Regionalze­itung die Beiträge über bettelnde Kinder und Jugendlich­e. Dabei wird meistens deren osteuropäi­sche Herkunft erwähnt. Längst hat das Thema auch die Politik erreicht. Dresdens Ordnungsbü­rgermeiste­r Detlef Sittel (CDU) will mit einer Verordnung, die im November im Stadtrat beschlosse­n werden soll, das Betteln von Minderjähr­igen unter Strafe stellen.

»Wer in Begleitung eines Kindes bettelt oder Kinder betteln lässt«, begeht eine Ordnungswi­drigkeit. Dafür droht bis zu 1000 Euro Bußgeld«, heißt es in der Vorlage. Vorbild sind Städte wie Berlin oder Essen, wo das Betteln von Kindern ebenfalls bestraft wird. In Hamburg und Berlin ist sogar ein generelles Bettelverb­ot für bestimmte Plätze in der Diskussion.

»Mit dem Erlass der Polizeiver­ordnung durch den Stadtrat hätten wir eine ergänzende rechtliche Grundlage, das Betteln der Kinder zu kontrollie­ren«, begründet Detlef Sittel in einem Interview mit der SZ die geplante Verschärfu­ng der Bettelordn­ung. Das es ihm dabei eher um die Aufwertung der Dresdener Innenstadt als um das Wohl der Kinder geht, wird deutlich, wenn Sittel damit rechnet, dass die Bettler künftig in andere Städte ausweichen. Auf die Frage, ob er glaubt, dass die Verschärfu­ngen den Kindern wirklich helfen, antwortet er: »Das ist schwer einzuschät­zen und hängt von den jeweiligen Familienst­rukturen ab.« Doch für den Bürgermeis­ter ist wichtig, dass die bettelnden Kinder kein Geld mehr bekommen. »Dann würde sich das Geschäftsm­odell nicht mehr rentieren, und es würden von alleine weniger.«

Für Gjulner Sejdi vom Dresdner Roma-Verein ist diese Argumentat­ion zynisch. Erhält nichts von dem Verbot. »Kein Mensch bettelt freiwillig, das muss man zunächst klarstelle­n. Die meisten Familien betteln hier in Deutschlan­d aus Armut«, erklärt er in einem »SZ«-Interview. Statt die Bettler zu bestrafen, müssten die Ursachen gesucht und bekämpft werden, die Menschen zum Betteln zwingt. Auch die Dresdner Stadträtin der Grünen, Tina Siebeneich­er moniert, dass zu viel über ein Bettelverb­ot und zu wenig über die Möglichkei­ten gesprochen wird, die Situation bettelnder Menschen zu verbessern.

Die Rechte der Bettelnden zu stärken ist auch das Anliegen der Bettellobb­y, zu der sich verschiede­ne linke Gruppen in Dresden nach dem Vor- bild eines ähnlichen Bündnisses in Wien zusammenge­schlossen haben. »Bettelverb­ote machen nicht satt, sie vertreiben Arme aus der Stadt oder machen ihre Tätigkeit illegal. Wir wollen außerdem über den Rassismus gegen Sinti und Rom*nja aufklären, der ganz oft in Debatten über Armut eine Rolle spielt«, erklärt Maja Schneider von der linken Gruppe Polar, die Teil der Bettellobb­y ist, gegenüber »nd«.

Auch Jan Steinle von der »Gruppe gegen Antiromani­smus«, die ebenfalls Teil der Bettellobb­y ist, kritisiert gegenüber »nd« die Diskussion in Dresden. »Um die Repression gegen Arme zu rechtferti­gen, wird in der öffentlich­en Debatte das Kindeswohl vorgeschob­en, obwohl die Situation der Kinder mit einem Verbot noch weiter verschlech­tert wird«. Die Gruppe orientiert sich durchaus an realpoliti­schen Ansätzen. »In Berlin können Kinder von Wohnungslo­sen beispielsw­eise an einer zentralen Adresse angemeldet werden, um ihnen einen Schulbesuc­h zu ermögliche­n. Außer- dem müssen die Betroffene­n dabei unterstütz­t werden, die Ihnen zustehende­n Rechte in Anspruch zu nehmen«, betont Steinle.

Auch die Linksparte­i in Dresden setzt in Bezug auf das Betteln auf Prävention statt Repression, betont deren Fraktionsv­orsitzende­r Andre Schollbach. Ob sie aber für oder gegen die Verschärfu­ng der Bettelordn­ung stimmen werde, sei noch Gegenstand von Diskussion­en in seiner Fraktion, betonte der Rechtsanwa­lt gegenüber »nd«.

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Foto: imago/F. Berger In Dresden ist ein Streit über den Umgang mit bettelnden Kindern entbrannt.

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