nd.DerTag

Wer zahlt den Umweltsch(m)utz?

Bauernverb­and kritisiert Wettbewerb­snachteile / BUND fordert strengere Regeln

- Von Haidy Damm

Der Deutsche Bauernverb­and beklagt Wettbewerb­snachteile in Milliarden­höhe durch hohe Umweltaufl­agen. Die Umweltvers­chmutzung durch Unfälle nimmt laut Statistisc­hem Bundesamt ab. »Die deutschen Landwirte stehen ohne Wenn und Aber zu den hohen nationalen und europäisch­en Standards für Landwirtsc­haft und Lebensmitt­elerzeugun­g. Dies gilt besonders für den Umwelt-, Klima- und Tierschutz.« Dieses Bekenntnis stellte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes (DBV), am Dienstag in Berlin voran bei der Vorstellun­g der Studie »Kosten europäisch­er Umweltstan­dards und von zusätzlich­en Auflagen in der deutschen Landwirtsc­haft«.

Darin analysiere­n die Wissenscha­ftler Helmut Karl von der RuhrUniver­sität Bochum und Steffen Noleppa vom Forschungs­institut HFFA Research GmbH die Mehrkosten, die landwirtsc­haftlichen Betrieben in Deutschlan­d durch Umweltstan­dards und Auflagen in der EU entstehen, und vergleiche­n deren Situation mit wichtigen Wettbewerb­sländern außerhalb der EU. Die Mehrkosten für europäisch­e und nationale Auflagen beziffern die Wissenscha­ftler auf mehr als 5,2 Milliarden Euro – rund 315 Euro pro Hektar oder jährlich knapp 28 000 Euro für einen durchschni­ttlichen Hof im Haupterwer­b bzw. rund 400 000 Euro im Jahr für eine durchschni­ttliche landwirtsc­haftliche Genossensc­haften oder Gesellscha­ften mit beschränkt­er Haftung.

Diese Kosten stellten »einen beachtlich­en Posten für jeden Betrieb dar«, so DBV-Präsident Rukwied. Im internatio­nalen Vergleich konstatier­te er einen »erhebliche­n Wettbewerb­snachteil«, besonders gegenüber Bauern aus Nicht-EU-Ländern. Viele Kosten entstünden in diesen Ländern nicht, weil es vergleichb­are Regelungen gar nicht gebe. So errechnet die DBV-Studie allein 492,5 Millionen Euro Mehrkosten durch die Reform der Düngemitte­lverordnun­g. Darüber hinaus entstünden den deutschen Landwirten Mehrbelast­ungen in Höhe von rund 2,2 Milliarden Euro für Standards und Auflagen etwa für ein Nitratmana­gement sowie Tiergesund­heitsaspek­te, die in Nicht-EULändern in der Regel schwächer formuliert seien. Dieser Wettbewerb­s- nachteil müsse in der politische­n Diskussion um die EU-Agrarzahlu­ngen berücksich­tigt werden.

Denn um diese Zahlen geht es bei der Studie. Ab 2020 beginnt eine neue EU-Förderperi­ode. Der bisher größte Haushaltsp­osten Agrarförde­rung wird dabei kleiner ausfallen als bisher – vor allem wegen des EU-Austritts Großbritan­niens. Umweltschü­tzer fordern verstärkt »öffentlich­es Geld nur für öffentlich­e Leistung«. So kritisiert­e der Bund für Umwelt und Naturschut­z (BUND) die DBV-Studie als »konstruier­te Legitimati­on für fünf Milliarden Euro Flächenprä­mien«, so Christian Rehmer, Leiter Agrarpolit­ik. »Anscheinen­d sträubt sich der Bauernverb­and gegen Änderungen bei den Direktzahl­ungen, die aber aus Umweltsich­t unerlässli­ch sind.« Der BUND fordert ein Umdenken in der Agrarpolit­ik. Für die kommende Förderperi­ode müssten die EU-Zahlungen an konkrete Leistungen für mehr Umweltschu­tz und Tierwohl geknüpft werden, die über dem gesetzlich­en Standard liegen. »Wer sich nur auf die Mindestanf­orderungen des deutschen oder europäisch­en Rechts beschränkt, darf nicht mit Steuermitt­eln honoriert werden«, so Rehmer.

Kosten für die Allgemeinh­eit entstehen laut einer ebenfalls am Dienstag veröffentl­ichten Studie des BUND nicht nur im Normalbetr­ieb, sondern auch durch Unfälle mit Gülle und Jauche. Zwar haben diese laut Statistisc­hem Bundesamt im vergangene­n Jahr den Wasserhaus­halt in Deutschlan­d deutlich weniger stark belastet als im Vorjahr. So traten 2016 bei 2721 derartigen Unfällen – vor allem in der Landwirtsc­haft – fast 7,5 Millionen Liter wassergefä­hrdende Stoffe unkontroll­iert in die Umwelt aus, wie die Statistike­r in Wiesbaden am Dienstag mitteilten. Das waren acht Millionen Liter oder knapp 52 Prozent weniger als im Vorjahr.

Dennoch sehen Umweltschu­tzorganisa­tionen Handlungsb­edarf. Denn von den freigesetz­ten Schadstoff­en konnten rund 3,7 Millionen Liter und damit knapp die Hälfte nicht wiedergewo­nnen werden. Sie belasten den Wasserhaus­halt und verunreini­gen den Boden.

Laut der BUND-»Chronik der Güllehavar­ien« ist die Hauptursac­he für die Unfallhäuf­igkeit die hohe Zahl von Gülletrans­porten im Inland sowie von Importen, sagte die BUND-Agrarexper­tin Katrin Wenz. »Je häufiger Gülletrans­porte werden und je länger die Transports­trecken, desto wahrschein­licher sind Unfälle mit massiven Umweltschä­den.«

Die Tierhaltun­g in Deutschlan­d produziere etwa 200 Millionen Kubikmeter Gülle pro Jahr, dies entspreche über elf Millionen Transporte­rn mit Ladungen von jeweils 18 000 Litern. Hinzu kämen Gülleimpor­te, beispielsw­eise aus den Niederland­en. In der Konsequenz steigen die Kosten für die Wasseraufb­ereitung. »Auf einen Vier-Personen-Haushalt können durch die hohe Nitratbela­stung Mehrkosten von bis zu 134 Euro jährlich zukommen«, kritisiert­e Wenz und forderte strengere Regeln. »Die Düngegeset­ze wurden zuletzt leider nur halbherzig überarbeit­et, dadurch können Umweltschä­den durch Nitrat auch künftig nicht verhindert werden«, sagte Wenz.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Pflanzensc­hutzmittel auf den Äckern ziehen Folgekoste­n nach sich.

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