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EU-Energiekon­zerne fordern die Türkei heraus

Probebohru­ngen nach Gas vor Zypern – Frankreich und Italien geben ihren Multis Rückendeck­ung

- Von Christian Mihatsch

Die Türkei droht mit einer scharfen Reaktion, falls die Energiemul­tis Eni und Total in Zyperns Gewässern nach Gas suchen. Ankara möchte selbst von der Förderung im östlichen Mittelmeer profitiere­n. Wem gehört Zyperns 200-Meilen-Zone? Gemäß der Seerechtsk­onvention der Vereinten Nationen ist die Antwort klar: Sie gehört Zypern. Diese Ansicht teilen auch die EU und die USA. Die Türkei, die – wie übrigens auch die USA – zu den wenigen Staaten gehört, die der Konvention bisher nicht beigetrete­n ist, sieht dies aber anders: Aus türkischer Sicht haben Inseln nicht die gleichen Rechte wie Staaten auf dem Festland und Ankara will daher Zypern nur eine 12-Meilen-Zone zugestehen.

Trotz der unterschie­dlichen Sichtweise­n gab es bislang nur wenige Streitigke­iten. Doch dies könnte sich im November dieses Jahres ändern. Dann nämlich will der italienisc­he Energiekon­zern Eni in Zyperns 200Meilen-Zone mit neuen Probebohru­ngen nach Gas beginnen. »Wir glauben, dass es in der Region ein Gasfeld wie Zhor geben könnte. Wir hoffen es«, sagte Enis Chefexplor­ateur Luca Bertelli. Zhor ist ein riesiges Gasfeld, das Eni im Jahr 2011 in ägyptische­n Gewässern gefunden hat.

Nikosia hat das Seegebiet südlich von Zypern in 13 Blöcke aufgeteilt und dort Lizenzen für Probebohru­ngen erteilt. Die Italiener planen fünf Bohrungen in drei der Blöcke. Zwei davon werden von Ankara zwar nicht beanspruch­t, aber die Regierung ist der Meinung, die Suche nach Rohstoffen könne erst beginnen, wenn die Zypernfrag­e gelöst ist. Die Verhandlun­gen über die Wiedervere­inigung des EU-Mitglieds Zypern mit dem türkisch besetzten Nordzypern waren aber im Juli erneut gescheiter­t.

Noch heikler ist Block 6, den sich Eni mit dem französisc­hen Ölkonzern Total teilt. Dieses Seegebiet wird etwa zur Hälfte von Ankara beanspruch­t. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte daher im Juli: »Wir erwarten von allen, die sich im Hinblick auf die Entwicklun­gen in Zypern auf eine Seite schlagen, auf Schritte zu verzichten, die zu neuen Spannungen führen.« Sonst könnten sie »einen Freund wie die Türkei verlieren«.

Die Regierunge­n Frankreich­s und Italiens stehen aber hinter ihren Energiekon­zernen und haben dies bei Besuchen in Zypern unterstric­hen. Italiens Verteidigu­ngsministe­rin Roberta Pinotti sagte Ende Juli in der Hauptstadt Nicosia: »Eni arbeitet jetzt in Zypern und ich glaube, dass wir eine positive Entwicklun­g für ganz Europa sehen werden.« Für ihren zypriotisc­hen Kollege Christofor­os Fo- kaides ist die Sache ebenfalls klar: »Wir arbeiten in Kooperatio­n mit den lizenziert­en Firmen und den interessie­rten Ländern auf der Grundlage von internatio­nalem Recht.«

Der langjährig­e türkische Diplomat Oktay Aksoy sagte hingegen gegenüber dem russischen Webportal Sputnik: »Die Türkei wird sich nicht auf die Provokatio­nen einlassen und keine militärisc­he Interventi­on in Zypern unternehme­n – zumindest nicht sofort.« Man werde sich, so Aksoy, zu- nächst an die NATO wenden. »Wenn sich die Allianz aber auf die Seite der europäisch­en Länder schlägt, wird die Türkei eigene, scharfe Maßnahmen ergreifen bis zu einer direkten Interventi­on in die internen Angelegenh­eiten der Insel.«

Dies könnte drei weitere Länder auf den Plan rufen: Griechenla­nd, Großbritan­nien und die USA. Die ersten beiden sind wie die Türkei laut dem »Londoner Garantieve­rtrag« Schutzmäch­te Zyperns. London unterhält sogar eine Militärbas­is auf der Insel. Die USA sind hingegen selbst über einen Energiekon­zern in den Konflikt involviert. ExxonMobil hat die Lizenz für die Erkundung von Block 10 und plant für 2018 erste Probebohru­ngen.

Verkompliz­iert wird die Lage durch die Pipelinefr­age. Die Ausbeutung der beiden Gasfelder Zhor (Ägypten) und Leviathan (Israel) lohnt nur, wenn ein Teil exportiert wird. Laut dem israelisch­en Energiemin­ister Yuval Steinitz sind derzeit zwei Pipelineva­rianten im Gespräch: eine über die Türkei nach Europa, die andere über Zypern nach Griechenla­nd und Italien. Ankara favorisier­t erstere und hofft zur Gasdrehsch­eibe für Europa zu werden. Das Problem ist aber, dass diese Pipeline entweder durch libanesisc­he und syrische Gewässer führt oder durch zypriotisc­he. Die zweite Option ist eher im Interesse Europas, da eine Abhängigke­it von der Türkei beim Gasimport vermieden würde.

Möglich ist aber auch, dass am Ende keines der Felder erschlosse­n und auch keine Pipeline gebaut wird. Zum einen könnten sich die geopolitis­chen Probleme als unüberwind­lich erweisen, zum anderen könnte sich die Gasförderu­ng im östlichen Mittelmeer als nicht lohnenswer­t herausstel­len: Auf dem internatio­nalen Gasmarkt besteht wohl noch für Jahre ein Überangebo­t, das die Preise drückt. Womöglich streiten sich daher die Türkei und Zypern um Gas, das keiner braucht.

Möglich ist, dass am Ende keines der Gasfelder erschlosse­n und auch keine Pipeline gebaut wird.

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