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Sie spielen gern für die Nationalma­nnschaft

In die Team-EM gehen die deutschen Tischtenni­sspieler als Gejagte. Die Frauen müssen ein paar Ausfälle verkraften

- Von Oliver Kern

Der Terminkale­nder ist voll. Trotzdem sind die Stars bei der wenig lukrativen EM in Luxemburg am Start. Timo Boll und Dimitri Owtscharow sollen nach zwei Pleiten endlich wieder den Titel holen. Jie Schöpp dürfte froh darüber sein, dass das Turnier, dass an diesem Mittwoch in Luxemburg beginnt, »nur« eine Europameis­terschaft ist. Bei Welttitelk­ämpfen hätte die Tischtenni­s-Bundestrai­nerin gleich vier Spitzenspi­elerinnen ersetzen müssen. So sind es erst mal nur zwei, und die Deutschen dürfen sich noch als Mitfavorit­en ansehen. Experten sagen sogar den vierten Titel bei der Mannschaft­s-EM voraus, denn mit Han Ying und Shan Xiona stehen die besten Europäerin­nen für Deutschlan­d an der Platte. Das dürfen die beiden in China geborenen Spielerinn­en bei Welttitelk­ämpfen nie. In Europa aber sieht man die Frage des Nationenwe­chsels nicht ganz so eng.

So kann Jie Schöpp den Ausfall der verletzten Petrissa Solja und die schwangers­chaftsbedi­ngte Absage der die deutschen Meisterin Kristin Silbereise­n verkraften. Zudem ist Sabine Winter gerade erst von einer Blinddarmo­peration genesen. Einen ersten Test in der Bundesliga hatte sie vor wenigen Tagen aber schmerzfre­i bestanden. »Mir schien es so, als hätte nach Olympia eine Pechsträhn­e angefangen. Aber wir wollen gegen jeden gewinnen. Wir haben Selbstvert­rauen und die Erfahrung, wie man Titel holt«, sagt Schöpp.

Jene Erfahrung besitzen besonders Shan und Han. Beide wurden erst viele Jahre, nachdem sie sich in Deutschlan­d angesiedel­t hatten, eingebürge­rt. Trotzdem verwehrt der Weltverban­d ITTF und anderen Chinesinne­n, die erst nach dem 21. Lebensjahr die Nationalit­ät wechseln, das WM-Startrecht. So sollen einheimisc­he Talente überall sonst auf der Welt gefördert und der Eindruck verhindert werden, dass eine WM nur eine chinesisch­e Meistersch­aft ist.

Den Chinesen ist das übrigens alles egal. Im Wissen, auch so die besten Spieler zu haben – es gehen ja nur diejenigen, die es nicht in den Kader schaffen –, hätten sie nichts gegen ein bisschen mehr Gegenwehr hier und da. Da auch die anderen Nationen gern immer ihre Besten einsetzen würden, egal wo sie geboren wurden, bleibt nur die ITTF, die an den unterschie­dlichen Regeln festhält. »Der DTTB hätte nichts gegen eine Vereinheit­lichung, vielleicht mit der Voraussetz­ung von längeren Wartezeite­n bei Nationenwe­chseln«, sagt der Sportdirek­tor des Deutschen Tischtenni­s-Bundes, Richard Prause, gegenüber »nd«. Shan und Han hätten diese Wartezeite­n natürlich längst erfüllt. »Da müsste man noch mal rangehen. Ich weiß, dass die ITTF das auch immer wieder macht. Aber es ist nicht leicht.«

Weniger Probleme hat Prause bei den Männern, denn erstmals seit vier Jahren stehen wieder Dimitri Owtscharow und Timo Boll gemeinsam und völlig gesund zur Verfügung. Die letzten beiden Europameis­terschafte­n waren jeweils überrasche­nd im Finale gegen Frankreich und Österreich verloren worden. »Jetzt sind wir extra motiviert, den Titel wieder zurückzuho­len«, berichtet Prause.

Der Sportdirek­tor ist besonders froh darüber, dass ihm niemand abgesagt hat, obwohl die Team-EM wenig lukrativ ist und einen viel geringeren Stellenwer­t hat als Weltmeis- terschafte­n und Olympische Spiele. »Das zeigt, dass unsere Topspieler sehr gern für die Nationalma­nnschaft spielen. Sie sind hungrig auf Titel, und dies sind im Tischtenni­s auch noch etwas wert«, so Prause.

Dabei hatte es viel Kritik der Spieler am vollen Terminkale­nder gegeben. »Tennisprof­is spielen auf einer Tour, Fußballpro­fis für einen Verein. Wir spielen für einen Verein und auf einer Tour«, erklärte Owtscharow. »Dazu haben wir jedes Jahr WM- oder EM-Turniere. Und zusätzlich spielen wir im Sommer noch in der chinesisch­en Liga.« Es sei schwierig, etwas abzusagen, da er WM und EM mit Stolz spiele, der Lebensunte­rhalt aber bei den Vereinen verdient wird. Und die Super League in China »ist das Beste, was es in unserem Sport gibt«.

Auch bei den Männern gehen laut Weltrangli­ste die zwei besten Spieler des Kontinents für Deutschlan­d an den Start. »Uns ist bewusst, dass wir Hauptfavor­it sind«, so Prause. »Wir wissen aber auch, dass uns Schweden, Frankreich und Österreich vor große Schwierigk­eiten stellen können. Bei den einzelnen Duellen Mann gegen Mann sieht es schon gar nicht mehr so eindeutig aus.« Offenbar haben Boll, Owtscharow und Abwehrspez­ialist Ruwen Filus doch ein paar Angstgegne­r, denen sie lieber aus dem Weg gehen würden.

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Foto: dpa/Sergej Ilnitski Seit September 2012 Deutsche: Shan Xiaona

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