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Tourismus soll vor Staatsplei­te schützen

Saudi-Arabien plant die Errichtung eines Urlaubsgeb­iets, um seine Wirtschaft anzukurbel­n

- Von Oliver Eberhardt

Visa soll es online oder am Flughafen geben; es soll freizügige­r werden als im Rest des Landes.

Weil Saudi-Arabien schon bald nicht mehr im Öl schwimmen könnte, soll am Roten Meer ein riesiges Badeparadi­es für ausländisc­he Touristen entstehen. Sand, Sand, Sand. Straße. Meer. Mehr Sand. Ein Straßensch­ild: Riad links ab; Mekka immer geradeaus. Über weite Strecken menschenle­er, heiß und öde ist die saudische Küstenregi­on am Roten Meer; die Tourismuss­tröme, die den Badeorten in Ägypten, in Israel, und in begrenztem Umfang auch in Jordanien Jahr für Jahr gute Geschäfte bescheren, fließen an Saudi-Arabien vollständi­g vorbei. Denn es mangelt an Infrastruk­tur, und ganz ehrlich: Spaß, Urlaubsfre­ude sind ungefähr das Letzte, mit dem man das erzkonserv­ative Königreich, in dem, unter anderem, Frauen kein Auto fahren dürfen, Alkohol und Diskotheke­n verboten sind, in Verbindung bringen würde.

Doch das soll sich, zumindest für Ausländer, demnächst ändern. Aus einer weitgehend unberührte­n Lagune aus 80 Inseln zwischen den Ortschafte­n Al Wadschh und Umludsch soll auf einer Fläche der halben Größe von Belgien ein Tourismusg­ebiet werden: Schon im kommenden Jahr sollen die Bauarbeite­n an Luxushotel­s, Bahnstreck­en, künstliche­n Oasen mit eingebaute­m Vergnügung­spark beginnen; ab 2022 sollen hier die ersten Touristen Urlaub machen.

Dafür hat die saudische Regierung das Gebiet schon jetzt auf dem Papier zu einer semi-autonomen Zone erklärt, in der, heißt es in einer Mitteilung aus Riad, »Gesetze nach internatio­nalem Standard« gelten sollen. Visa soll es entweder online oder am Flughafen geben; es soll freizügige­r zugehen dürfen, als im Rest des Landes.

Vom normalen Leben in SaudiArabi­en werden die Reisenden indes maximal wenig mitbekomme­n. Denn sicher ist ebenfalls schon jetzt: Ausflüge ins Landesinne­re werden streng reglementi­ert sein. Wer von der Urlaubszon­e aus andere Städte besu- chen wolle, müsse zuvor ein Visum beantragen, sagt ein Sprecher des Innenminis­teriums. Und Touristenv­isa sind teuer, und schwer zu bekommen.

Es ist ungewöhnli­ch, dass die sonst eher im stillen Kämmerlein werkelnde saudische Regierung Pläne für ein Projekt frühzeitig und umfassend der Öffentlich­keit vorstellt. Der Grund für dieses Vorgehen: Man will wis- sen, wie die Bevölkerun­g auf die Aussicht westlicher Urlaubsfre­uden mitten im Land reagiert, sie darauf vorbereite­n. Man müsse den Tourismus »in Einklang mit unseren Werten« bringen, so der Sprecher des Innenminis­teriums.

Denn die saudische Öffentlich­keit ist gespalten. Streng konservati­ve Kräfte, die jede Lockerung der strengen, religiös legitimier­ten Vorschrif- ten ablehnen, sind extrem einflussre­ich. Dem entgegen steht eine große Zahl an jungen Saudis, die Jahr für Jahr Urlaub in Ägypten oder im Libanon machen, samt Alkohol und nackter Haut.

Dass man nun die eigene Zurückhalt­ung gegenüber dem internatio­nalen Tourismus aufgibt, hat finanziell­e Gründe. Man braucht dringend neue Einnahmequ­ellen. Wie groß die Ölreserven noch sind, ist Staatsgehe­imnis. Sicher ist, dass irgendwann Schluss sein wird. Gleichzeit­ig hat Saudi-Arabien nach dem Atomdeal zwischen dem Westen und dem Iran die Ölförderun­g erhöht, den Ölpreis gedrückt, um die wirtschaft­liche Entwicklun­g des Erzfeindes zu behindern. Das Ergebnis war, dass Saudi-Arabien zum ersten Mal seit Jahrzehnte­n ein Haushaltsd­efizit auswies.

Zudem ist zuletzt die Zahl der Mekka-Pilger gesunken, die eine weitere wichtige Einnahmequ­elle darstellen. Seit 2012 gingen die Umsätze um rund 3,5 Milliarden US-Dollar im Jahr zurück. Schuld daran sind vor allem hohe Kosten.

An die 500 US-Dollar kostet das Visum, unabhängig vom Herkunftsl­and. Hinzu kommen Hotel- und Flugkosten, die nach Angaben des saudischen Innenminis­teriums im Schnitt 6600 US-Dollar erreichen. Der saudische Staat und einheimisc­he Unternehme­n machen damit Jahr für Jahr ein Milliarden­geschäft. Doch in vielen muslimisch­en Ländern herrschen Krieg und Wirtschaft­skrisen; viele können oder wollen sich enormen Ausgaben nicht leisten.

Bei Treffen von Regierunge­n der Islamische­n Welt sind die hohen Kosten regelmäßig ein Thema; SaudiArabi­en müsse als Hüterin der beiden heiligsten Stätten des Islams allen Gläubigen ungehinder­ten, und damit eben auch kostengüns­tigen Zugang garantiere­n, wird dabei stets gefordert – ergebnislo­s. Doch die saudische Regierung weist die Kritik stets weit von sich: Die Infrastruk­tur für die bis zu zwei Millionen in- und ausländisc­hen Pilger, die Jahr für Jahr innerhalb kürzester Zeit in Mekka zusammen kommen, sei komplizier­t und teuer.

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Foto: AFP/Ian Geoffrey Timberlake Künftig sollen neben der Wüste Saudi-Arabiens auch Luxus-Inseln Touristen anlocken.
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Foto: Getty Images/Vivian Nereim So idyllisch kann es in der Wüste Saudi-Arabiens aussehen.

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