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Österreich­s Sargnagel

- Von Alice Werner

Auf Facebook ätzt sie gegen alles und jeden, jetzt ist das vierte Buch der Wienerin Stefanie Sargnagel erschienen. Mehr Literatur aus der Scheinidyl­le Austria auf

Zum öffentlich­en Auftritt von Stefanie Sargnagel gehören eine rote Baskenmütz­e, ein Dosenbier, ein Tschick (Österreich­isch für Zigarette), ein sarkastisc­her Spruch, ein derber Witz und oben drauf noch irgendein dreckiges Bekenntnis. Sargnagel, die eigentlich Sprengnage­l heißt, und sich mal als Universalg­enie, It-Girl oder Fäkalpoeti­n bezeichnet, ist 31 und Österreich­s bekanntest­es und meistgehas­stes Social-Media-Phänomen. Seit Jahren lässt sie auf Facebook Freund und Feind, Liker und Shitstorme­r an ihrem Leben teilhaben, kommentier­t das Weltgesche­hen, ätzt nach links und rechts, immer auf der Suche nach Auseinande­rsetzung. Nun ist ihr viertes Buch erschienen, und wieder handelt es sich um eine wilde Sammlung ihrer Online-Postings.

Die »Statusmeld­ungen« beginnen am 10. Juli 2015 mit Sargnagels Notiz, dass sie ihren vierten Jahrestag im Callcenter vergessen hat (ihr Brotjob als Auskunftsf­räulein beschert dem Buch einige witzige wie hirnrissig­e Dialoge) und enden am 15. Februar 2017 mit einem Lebenszeic­hen aus Klagenfurt. In der Landeshaup­tstadt von Kärnten amtierte sie bis Ende Juli als Stadtschre­iberin – der Lohn für den im Vorjahr gewonnenen Publikumsp­reis beim Ingeborg-Bachmann-Literaturp­reis. Dazwischen, auf knapp 300 Seiten, denkt die aus der Wiener Arbeiterkl­asse stammende Autorin über Stadtpatri­otismus und das Dasein als Ü-30 nach, porträtier­t ihre »Lieblingsf­iguren« der Neuen Rechten in Wien, gibt Suff-Anekdoten zum Besten, witzelt über den Kunstbetri­eb und beschreibt ihren persönlich­en Flüchtling­swahnsinn: »Gestern haben wir drei Afghanen aus Ungarn mitgenomme­n in einem Flüchtling­skonvoi, weil sie die Grenzen dichtmache­n wollen. Schleppen macht total süchtig.«

Das alles beschreibt Sargnagel in ihren Tagesproto­kollen lakonisch, schnoddrig, mit satirische­r Zunge, deutlichem Hang zu Fäkalismus und liebevolle­r Bosheit. Das klingt dann zum Beispiel so: »Was spricht eigentlich gegen eine Islamisier­ung Europas? Die Österreich­er sollten eh weniger saufen und Schweinefl­eisch essen, und die Teppiche sind urchillig.«

Natürlich ist diese Art Kurzprosa brutal subjektiv, aber sie sagt dennoch etwas über den politische­n Zustand Österreich­s, das gesellscha­ftliche und kulturelle Klima aus. Denn die Internet-Poetin beobachtet genau, was um sie herum passiert, in der Straßenbah­n und im Einkaufsce­nter, auf dem Opernball, beim ORF und in der FPÖ. Sie verschont niemanden, auch nicht sich selbst. Als Antiheldin und Enfant terrible ist Stefanie Sargnagel nun im etablierte­n Kulturbetr­ieb angekommen. Hoffentlic­h lässt sich die Widerspens­tige nicht allzu sehr zähmen.

Stefanie Sargnagel: Statusmeld­ungen. Rowohlt, 304 S., geb., 19,95 €.

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Foto: dpa/Horst Ossinger

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