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Erst Friedensik­one, nun Hassfigur?

Suu Kyi will sich in einer Rede an Myanmars Bevölkerun­g erklären

- Von Frederic Spohr, Bangkok

Myanmars Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi will sich kommende Woche in einer Rede an die Nation zur Gewalt in ihrem Land äußern. Einen Auftritt vor der UNO hat sie abgesagt. Wer von U2-Sänger Bono mit einem Lied geadelt wurde, von dem sollte man sicher sein können, dass er auf der richtigen Seite steht. In dem Song »Walk On« besingt Bono die myanmarisc­he Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi. Wer das Lied nach Myanmar schmuggelt­e, konnte mit bis bestraft werden. Heute liegen die Dinge anders: Aus der Opposition­ellen ist nach ihrem Wahlsieg 2015 selbst eine mächtige Politikeri­n geworden — und sie macht sich immer stärker mit jenen gemein, die sie einst unterdrück­ten.

An der Grenze zwischen Bangladesc­h und Myanmar und spielt sich in diesen Tagen eine Tragödie ab. Nach einem Angriff militanter Rohingyas, einer muslimisch­en Minderheit im buddhistis­ch geprägten Myanmar, sind die Streitkräf­te im westmyanma­rischen Bundesstaa­t Rakhine zu einer schonungsl­osen Gegenoffen­sive übergangen.

Suu Kyi kann nicht allein für die Gewalt verantwort­lich gemacht werden. Auch wenn sie De-FactoRegie­rungschefi­n ist, bleibt ihre Macht in Myanmar doch begrenzt. Das Militär, das per Verfassung weiterhin ein Viertel des Parlaments kontrollie­rt, hat in vielen Bereichen freie Hand.

Bisher hat Suu Kyi die Gewalt gegen die Rohingyas in Myanmar aber nicht einmal kritisiert. Sie folgt der Argumentat­ion des Militärs, dass sich der massive Kampfeinsa­tz ausschließ­lich gegen Aufständis­che richte. Ausländisc­hen Medien und Nichtregie­rungsorgan­isationen warf sie vor, mit ihrer Unterstütz­ung für die Rohingyas »den Terroriste­n« zu dienen. Zur Verbesseru­ng der Lage der Rohingyas bewirkte sie in ihrer nun rund anderthalb­jährigen Amtszeit kaum etwas.

Im Ausland wächst nun die Kritik an ihr: Einst wurde sie mit dem südafrikan­ischen Nationalhe­lden Nelson Mandela in einem Atemzug genannt. Jetzt wird sie in der globalen Wahrnehmun­g aus der Reihe der großen Freiheitsk­ämpfer hinauskata­pultiert. Andere Friedensno­belpreistr­äger gehen auf Distanz. »Meine liebe Schwester, wenn der politische Preis deines Aufstiegs in das höchste Amt in Myanmar Schweigen ist, dann ist dieser Preis eindeutig zu hoch«, schreibt der süd- afrikanisc­he Geistliche und Menschenre­chtler Desmond Tutu.

Die pakistanis­che Kinderrech­tlerin Malala Yousafzai sagt: »Ich habe wiederholt die schändlich­e Behandlung der Rohingyas verurteilt. Ich warte immer noch darauf, dass meine Friedensno­belpreis-Kollegin Aung San Suu Kyi das auch tut.« Und der frühere Direktor des norwegisch­en Nobel-Instituts, Geir Lundestad, sagte: »Ich bin sehr enttäuscht von ihrer Haltung«.

Hunderttau­sende haben eine Online-Petition unterschri­eben, damit ihr der Friedensno­belpreis wieder aberkannt wird. »Was ist falsch daran ein Muslim zu sein, Suu Kyi?«

Doch ihr Schweigen hat Kalkül. Weite Teile der myanmarisc­hen Gesellscha­ft hegen Ressentime­nts gegen Muslime. Wer in Myanmar Muslime verteidigt, der macht sich schnell unbeliebt. Und Suu Kyi ist jetzt Politikeri­n und braucht Wählerstim­men.

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Foto: dpa/Aung Shine Oo Internatio­nal in der Kritik: Aung San Suu Kyi

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