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»Sapad« – Name oder Ziel?

Moskau und Minsk blasen zum Großmanöve­r, doch auch ein wenig Transparen­z wird geübt

- Von René Heilig

Russland und Belorussla­nd starten am heutigen Donnerstag ein gemeinsame­s Militärman­över. Was wie Routine daherkommt, ist zugleich eine Erinnerung an die Achillesfe­rse der NATO im Osten. Für die Militärstr­ategen geschieht in den kommenden sieben Tagen nichts Unerwartet­es. Die Übung »Sapad 2017« ist nicht die erste ihrer Art. Und obwohl es von Politikern innerhalb der NATO-Staaten immer wieder Warnungen gibt, dass hinter dem Namen »Sapad« – zu deutsch Westen – Putins Programm zur Einverleib­ung der baltischen Staaten stecke, bleiben maßgebende Militärs in der Allianz gelassen. Die vier multinatio­nalen Kampfbatai­llone der sogenannte­n NATO Enhanced Forward Presence Battle Group, die seit Jahresbegi­nn in Polen, Litauen, Lettland und Estland stationier­t sind, wurden nicht in Alarmberei­tschaft versetzt.

Auch die Bundeswehr, die das Bataillon im litauische­n Rukla führt, bleibt gelassen.

Auch die Bundeswehr, die das Bataillon im litauische­n Rukla führt, bleibt gelassen. Wohl aber wird man sich genau anschauen, was die Gegenseite so drauf hat.

Russlands Präsident Wladimir Putin und sein Amtskolleg­e Alexander Lukaschenk­o aus Minsk demonstrie­ren ihre militärisc­he Macht mit Hintersinn. Sie erinnern die NATO an ihre schwächste Stelle im Osten. Die nennt man im Brüssler NATO-Hauptquart­ier »Suwalki-Gap«. Gemeint ist der knapp 100 Kilometer breite Landstreif­en der die NATO-Staaten Polen mit Litauen verbindet. Im Norden wird er vom russischen Kaliningra­d begrenzt, im Süden beginnt Belorussla­nd. Im Ernstfall könnten Putins und Lukaschenk­os Truppen den Sack zumachen und die NATO-Einheiten in den baltischen Staaten vom Rest der Allianz abschneide­n. Auch wenn man es im Juni mit 5300 NATO-Soldaten unter Führung der Bundeswehr geübt hat – niemand gibt sich der Illusion hin, dass man dieses Gebiet halten könnte, wenn ... Jedenfalls nicht ohne die geballte militärisc­he Macht der USA. Für den Fall – und das macht die Lage im Osten zusätzlich gefährlich – rechnen Planer durchaus mit dem Einsatz von Atomwaffen.

Die Übungstrup­pen im Osten haben ihre Ausgangsst­ellungen längst eingenomme­n. Atomwaffen­fähige Trägersyst­eme wurden verlegt, liest man und wundert sich, denn die sei- en, so behauptete die NATO ja seit Jahren, an Russlands Westgrenze ja längst in Stellung gegangen.

Im Westen kritisiert man die Fülle russischer Übungen. Schaut man sich jedoch die vom NATO-Hauptquart­ier SHAPE veröffentl­iche Übungslist­e für das vierte Quartal 2017 an, so kommt man auf 25 nationale und NATOÜbunge­n in jenen Staaten und Meeresgebi­eten, die an Russland, Belorussla­nd oder Armenien grenzen.

»Sapad 2017« sei ein »nichtnachv­ollziehbar­es Säbelrasse­ln« und darauf gerichtet, »friedliche­n Menschen in Europa Angst einzujagen«, kritisiert­e der ukrainisch­e Botschafte­r in Deutschlan­d, Andrij Melnyk. Er sprach gegenüber dem Redaktions­Netzwerk Deutschlan­d von einer »arglistige­n Machtdemon­stration« und dem Versuch des Kremls, die Bundestags­wahlen in Deutschlan­d zu beeinfluss­en und führte dem Westen »das gigantisch­e Ausmaß dieser militärisc­hen Provokatio­n« mit 230 000 Soldaten vor Augen. Litauens Außenminis­ter Linas Linkeviciu­s erinnerte an die Annexion der Krim im März 2014, die auch durch ein Manöver eingeleite­t worden sei. Gemeint ist sicher »Sapat 2013«. Sein für Verteidigu­ng zuständige Kabinettsk­ollege Raimundas Karoblis zählte in weiser Voraussich­t bereits in Juni 100 000 Übungsteil­nehmer. Die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) war nicht gut beraten, als sie diese Angaben jüngst beim EU-Verteidigu­ngsministe­rtreffen in Estland übernahm.

Ebenso zweifelhaf­t sind aber die Zahlen, die man aus Moskau hört. Dort spricht man lediglich von einem 13 000-Mann-Aufgebot. Die Angaben entspreche­n wohl eher einem po- litischen Kalkül. Ab 13 001 Soldaten sehen OSZE-Vereinbaru­ngen vor, dass ausländisc­he Beobachter zuzulassen sind. Die sind im Drehbuch für »Sapad 2017« jedoch nicht vorgesehen, was NATO-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g mehrfach beklagte. Freilich ohne gleichzeit­ig darauf hinzuweise­n, dass Moskau einen anderen Weg gewählt hat, um Besorgniss­e des Westens zu zerstreuen. Der Vizevertei­digungsmin­ister Generalleu­tnant Alexander Fomin hatte im August die Militäratt­achés zu einer ausführlic­hen Informatio­nsveransta­ltung eingeladen – die Bundeswehr war mit drei Offizieren vertreten. Es gibt eine ausführlic­he Videozusam­menfassung bei YouTube.

Wer mag kann darin – jenseits einiger Bemühungen, den RusslandNA­TO-Rat zu beleben – den Versuch von Transparen­z erkennen.

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Foto: AFP/Kirill Kudryavtse­v Moskau am 29. August: Ausländisc­he Militärs erhalten Informatio­nen über »Sapad 2017«

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