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Fairer Handel handelt unfair

Die Branche achtet auf gute Bedingunge­n in der Produktion, aber nicht beim Transport

- Von Hermannus Pfeifer

Die »Faire Woche« ist die größte Aktionswoc­he zum fairen Handel in Deutschlan­d. Seit dem Jahr 2001 finden jährlich bundesweit Veranstalt­ungen statt. Kritik kommt nun von Gewerkscha­ftern. Zu den Fans des fairen Handels gehört auch Bundesentw­icklungshi­lfeministe­r Gerd Müller. »Als Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r können Sie sich jeden Tag für eine gerechtere Welt einsetzen«: beim Kauf von fairer Schokolade im Supermarkt, beim Genuss von fairem Kaffee oder beim Einkauf in einem der 800 Weltläden, schreibt der CSU-Politiker in seinem Grußwort für die »Faire Woche«. Ab diesen Freitag wollen das Forum Fairer Handel, Transfair und der Weltladen-Dachverban­d zwei Wochen lang bundesweit auf etwa 2000 Veranstalt­ungen über ihre Anliegen informiere­n.

Aus fairen Produktion­sbedingung­en kann aber schnell »ein unfaires Produkt« werden, warnt die Gewerkscha­ft ver.di, »wenn die Transportb­edingungen entlang der globalen Lieferkett­e nicht anständig sind«. Und das sei der Normalfall, sagt der Bun- desfachgru­ppenleiter Maritime Wirtschaft, Torben Seebold.

Ob Kaffee oder Bananen – Bauern, Erntehelfe­r und Produktion­sgenossens­chaften erhalten im fairen Handel eine mehr oder weniger angemessen­e Bezahlung für ihre Arbeit. Doch wer ein Gütesiegel im »fairen Handel« erwirbt, ist entgegen der Bezeichnun­g üblicherwe­ise nicht verpflicht­et, eine entspreche­nd fair arbeitende Transportk­ette zu nutzen. Schon die Beförderun­g vor Ort ist häufig bestenfall­s eine Blackbox, ebenso wie die Logistik im Empfängerl­and. So vertrauen sich faire Kaffeeröst­er in Deutschlan­d und Österreich bei der Lagerung, Reinigung und Mischung der Rohware gerne dem weltweit führenden Kaffeedien­stleister, der Hamburger Neumann Gruppe NKG, an.

Den größten Teil der Strecke zwischen den Bauern im globalen Süden und den Konsumente­n im Norden legen Rohstoffe, Halbfertig- und Fertigprod­ukte per Schiff zurück. Das ist preiswert und günstig. Aber was Schiffstra­nsporte nur selten sind: fair! Zwar gibt es eine Art weltweiten Tarifvertr­ag zwischen Reedern und der Internatio­nalen Arbeitsorg­anisation (ILO) in Genf. Doch die Heuer der Seeleute ist dennoch knapp bemessen und die Arbeitssta­ndards sind niedrig. Außerdem fahren viele »Totenschif­fe« auf den Weltmeeren, die sich um solche Normen überhaupt nicht scheren.

Die in London ansässige Gewerkscha­ft Nautilus Internatio­nal und ihre schwedisch­e Partnerorg­anisation SEKO haben daher als Speerspitz­e der Internatio­nalen Transporta­rbeiterFöd­eration (ITF) die Kampagne »Fairer Transport« gestartet. Alle Seeleute sollen wenigstens in den Genuss des ILO-Tarifvertr­ages kommen. Dem Fairtrade-Dachverban­d in London haben die Gewerkscha­ften vorgeschla­gen, einen fairen Schiffstra­nsport in ihre Bedingunge­n für die Vergabe von Fair-Trade-Siegeln aufzunehme­n.

Faire Händler in Deutschlan­d sind skeptisch. Die Missstände im Schiffstra­nsport seien zwar ein heißes Thema. Aber man könne jene alleine nicht ändern. Die GEPA, der wohl größte europäisch­e Importeur fair eingekauft­er Lebensmitt­el und Handwerksp­rodukte, verschifft laut Firmenanga­ben lediglich rund 500 Container pro Jahr. »Unsere Einflussmö­glichkeit ist schon deswegen sehr begrenzt«, sagt eine Sprecherin. Weiterhelf­en, heißt es bei Fairtrade Deutschlan­d, könnten nur veränderte gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen.

Solche Argumente greifen aus Sicht von Gewerkscha­fter Seebold zu kurz. Händler, die Container nach Europa verschiffe­n, können sich eine Reederei aussuchen. Und eine Unterschei­dung in gute und schlechte Transporte­ure sei in der Praxis machbar.

So gilt Hapag-Lloyd unter Schifffahr­tsexperten als »weißes Schaf«: Viele Frachter fahren unter teurer deutscher Flagge, es gibt einen Betriebsra­t und die überwiegen­d philippini­schen Seeleute werden qualifizie­rt. Seebold schlägt wie die ITF ein Siegel »Fairer Transport« vor. Dies sei ein Thema, das eigentlich jeden Verbrauche­r angeht – nicht allein in der Fairen Woche.

Wer ein Gütesiegel im fairen »Handel« erwirbt, ist üblicherwe­ise nicht verpflicht­et, eine entspreche­nd fair arbeitende Transportk­ette zu nutzen.

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