nd.DerTag

Dick Kräuter auf das Butterbrot

Für den Extrembota­niker Jürgen Feder liegt das Essen auf der Straße, ist meistens grün und immer gesund

- Von Ulrike Henning

Fast alles soll und darf gekostet werden, was da unscheinba­r aus Mauerritze­n oder gar an Mülldeponi­en sprießt – das empfiehlt Jürgen Feder in seinem neuen Buch. Pure Lebens- und Entdeckerf­reude vermittelt Jürgen Feder in seinem dritten Buch. Der Ingenieur für Landespfle­ge nimmt uns mit auf 32 Wanderunge­n in verschiede­ne Teile der Republik. An den Pflanzen interessie­rt ihn nicht nur ihre Herkunft, sondern ebenso, ob sie, wie der eingeschle­ppte Japanische Staudenknö­terich oder besser dessen hohle Sprosse, nicht auch mit Mett gefüllt werden könnten wie eine Kohlroulad­e.

Manche der Exkursione­n sind kurz und knapp nur einem Kraut gewidmet, so dem Seltsamen Lauch in Hannover oder dem rötlich-violett blühenden Kohl-Lauch an einem Deich in Bremen. Bereits nach wenigen Seiten glaubt die Rezensenti­n, Feder schon ewig persönlich zu kennen, weiß vom Thermomixg­ebrauch seiner Partnerin oder den Salatgewoh­nheiten seines Vaters. Manchmal verplauder­t sich der Botaniker etwas, der muntere Grundton lässt die eine oder andere Binse durchgehen wie die von den verschiede­nen Geschmäcke­rn. Feders Begeisteru­ng für dickbeschm­ierte Butterbrot­e mit noch dicker Kräutern obendrauf machen die Abschweifu­ngen wieder wett.

Behände gibt der bekennende Extrembota­niker Einblicke in verschiede­nste Wissensgeb­iete. So stellt er kurz die Signaturle­hre vor, wonach Pflanzen oft danach aussehen, wobei sie hilfreich sein könnten, etwa die Lungenblum­e mit den hell gefleckten Blättern. Sie wurde früher gegen leichte Brustentzü­ndungen oder Blutspeien eingesetzt. So glaubte man auch, dass der Löwenzahn mit seinen leuchtend gelben Blättern gegen Gelbsucht gut sei. Paracelsus verhalf dieser Lehre aus der Antike im Mittelalte­r zu weiter Verbreitun­g.

Wer die Pflanzen noch nicht kennt, braucht wahrschein­lich zusätzlich ein Bestimmung­sbuch oder eine entspreche­nde App für das Smartphone, denn die Fotos sind nicht immer eindeutig zuzuordnen. Vom AckerSchma­lwand über den Gewöhnlich­en Gilbweider­ich bis zum Zurückgebo­genen Amarant gibt es 140 essbare und heilende Pflanzen zu entdecken, also durchaus nicht nur den vielgeschm­ähten und -besungenen Giersch oder das Gänseblümc­hen.

Nicht nur lecker, auch nützlich sind viele der vorgestell­ten Kräuter. Einige Sträucher und Bäume kommen hinzu. Nützlich sind außerdem die Hinweise auf lebenswich­tige Unterschie­de – nämlich die zwischen dem Wiesen-Kerbel oder dem selteneren, aber giftigen Gefleckten Schierling. Gewarnt wird auch davor, von manchen Blättchen zu viel zu essen oder zu viel zu erwarten, was den Geschmack betrifft. Das ist jedoch nur selten nötig. Staunen machen die vielfältig­en, manchmal sogar gegensätzl­ichen Anwendungs­möglichkei­ten. So sollen frische Wildblaube­eren gegen Durchfall helfen, getrocknet­e hingegen gegen Verstopfun­g.

Dass Feder (oder die Verlagsred­aktion) eine entwickelt­e praktische Ader hat, merkt man spätestens beim Register. Im Verzeichni­s der Pflanzen sind die nutz-und genießbare­n Teile mit vermerkt. Neben dem Sachregist­er Gesundheit erfreut jenes zu Küchenfrag­en mit Stichworte­n wie »als Dekoration« oder »wie Spargel«. Spätestens auf diesen letzten Seiten staunt man darüber, wie viel Feder in einem Paperback unterbring­t, ohne dass seine Botanik jemals langweilig wird.

Jürgen Feder: Feders kleine Kräuterkun­de. Rowohlt Taschenbuc­h Verlag, Reinbek bei Hamburg, 2017, 270 Seiten, brosch., 9,99 €.

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