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Unfreiwill­iger Stundenaus­fall

Jede fünfte Schule in Sachsen-Anhalt hat Probleme bei der Unterricht­sversorgun­g

- Von Franziska Höhnl

Mehr neue Schüler, doch es fehlen Lehrer. Das zeigen jüngste Zahlen kurz nach dem Schulstart in Sachsen-Anhalt. Die Regierung verspricht Besserung. Magdeburg. Die Zahl der Schüler an den öffentlich­en Schulen in SachsenAnh­alt ist weniger stark gestiegen als erwartet. Mit gut 176 000 Kindern und Jugendlich­en sitzen etwa 1800 mehr in den Klassenzim­mern als vor einem Jahr, wie Bildungsmi­nister Marco Tullner (CDU) am Dienstag bekanntgab. Schätzunge­n waren zuvor von 3300 bis 5000 mehr ausgegange­n.

Dennoch gab es zum Schuljahre­sstart an fast jeder fünften Schule nicht genügend Lehrer, um alle geplanten Unterricht­sstunden zu erteilen. Laut Ministeriu­m ist das Ausmaß bei diesen Einrichtun­gen beträchtli­ch: Bei den Grundschul­en fehlt Personal für mindestens zehn, bei allen anderen Schulen für mindestens 15 Stunden pro Woche.

Im August 2016 lag der Wert des Bedarfs an Pädagogen, um den Unterricht abzudecken landesweit bei 100 Prozent. Das heißt, der Unterricht wäre nur abgesicher­t, wenn kein Lehrer krank ist, keine Lehrerin schwanger wird oder andere Ausfälle eintreten.

Um für diese Fälle einen Puffer zu haben, will die schwarz-rot-grüne Landesregi­erung eine Versorgung von 103 Prozent erreichen. Zum Start des neuen Schuljahre­s lag der Wert nach Ministeriu­msangaben bei 101 Prozent und damit einen Punkt besser als im Vorjahr. Anders sieht es aus, wenn man auf die Schulforme­n schaut: Während Gymnasien mit 103,2 Prozent das Koalitions­ziel schaffen, liegen alle anderen darunter. Besonders schlecht sieht es bei Förderschu­len (97 Prozent) aus.

Um Druck auf die Landesregi­erung auszuüben, hat eine Volksiniti­ative für mehr Lehrer im ganzen Land Unterschri­ften gesammelt. Am Mittwoch überreicht­en die Organisato­ren die Listen an Landtagspr­äsidentin Gabriele Brakebusch (CDU). Vor gut zwei Wochen hatte die Sprecherin der Initiative, Thekla Mayerhofer, mitge- teilt, die nötigen 30 000 Unterschri­ften zusammenzu­haben. Insgesamt unterstütz­en 77 000 Unterzeich­nende die Initiative. Nun muss sich der Landtag mit dem Anliegen befassen. Zu den Hauptforde­rungen des Bündnisses gehört, dass das Land zusätzlich­e 1000 Lehrer und 400 Pädagogen einstellen soll. Zudem verlangt die Initiative, dass mehr Lehrer ausgebilde­t und im Land gehalten werden.

»Wir sind besser geworden«, versichert­e Bildungsmi­nister Tullner, »aber wir sind nicht zufrieden. Wir werden weiterhin hart arbeiten, um die Versorgung zu verbessern.« Zur Lehrervers­orgung bemerkte der Minister: »Einstellen, einstellen, einstellen.« Derzeit liefen die Ausschreib­ungen für 134 befristete Stellen, etwa um Langzeitau­sfälle zu ersetzen. Am Freitag sollen zudem 220 unbefriste­te Stellen ausgeschri­eben werden. Das seien 40 mehr als geplant. Das Plus soll vor allem den Grundschul­en zugute kommen.

Zuletzt hatte Sachsen-Anhalt im Sommer 100 von 370 Posten nicht besetzen können. Zur Besserung der Situation änderte das Ministeriu­m unter anderem die Einstellun­gskriterie­n. So können künftig auch Lehrer eingestell­t werden, wenn sie nur für eines der zwei gesuchten Fächer ausgebilde­t sind. »Wir haben alles flexibilis­iert, was sich flexibilis­ieren lässt«, meinte Tullner und versichert­e, die Qualität werde nicht darunter leiden.

Gewerkscha­ften, die opposition­elle LINKE und Schulverbä­nde hatten dem Ministeriu­m in den vergangene­n Wochen wiederholt vorgeworfe­n, die Situation mit »Rechentric­ks« zu beschönige­n. Beispielsw­eise sei der Faktor verringert worden, mit dem der Lehrerbeda­rf je Schule errechnet werde, monierte Thekla Mayerhofer.

Auf Kritik stieß auch die Tatsache, dass Referendar­e in diesem Schuljahr bereits nach vier Wochen eigenveran­twortlich und ohne Begleitung eines erfahrenen Kollegen für mehrere Stunden pro Woche vor einer Klasse stehen dürfen. Das war bisher erst nach vier Monaten der Fall. Nach den Vorgaben des Vorjahres sei die Unterricht­sversorgun­g jetzt deutlich schlechter, erklärte der Bildungsex­perte der Linksfrakt­ion, Thomas Lippmann. Seinen Berechnung­en zufolge kann das Personal nur 96 Prozent des Bedarfs abdecken.

Zuletzt hatte SachsenAnh­alt im Sommer 100 von 370 Posten nicht besetzen können. Zur Besserung der Situation änderte das Ministeriu­m unter anderem die Einstellun­gskriterie­n.

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Foto: dpa/Peter Endig Leeres Klassenzim­mer einer Schule

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