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Diesen Jungen wollen alle haben

Der 18-Jährige Luka Doncic führt Slowenien ins Halbfinale der Basketball-EM

- Von Thilo Neumann, Istanbul

Luka Doncic ist der wohl beste Basketball­er seines Jahrgangs. Gleich vier Nationen wollten, dass der 18Jährige für sie spielt, und in einem Jahr dürften sich die NBA-Klubs um ihn reißen. Die 24 Sekunden für einen Angriff nähern sich bedrohlich dem Ende, als der Basketball in Luka Doncic’ Hände gelangt. Die Lage für den Slowenen scheint aussichtsl­os, schließlic­h steht er fast an der Mittellini­e, knapp elf Meter vom Korb entfernt. Die Gegner aus Lettland verteidige­n aggressiv, drohen in den Schlussmin­uten der EM-Viertelfin­alpartie einen zuvor großen Rückstand zu drehen. Doncic aber bleibt unbeeindru­ckt, schaut kurz, wirft dann den Ball über seinen verdutzten Gegenspiel­er hinweg – und trifft. Lettland ist geschlagen.

Wenige Minuten später beantworte­t Doncic in der Sinan Erdem Arena von Istanbul viele Fragen der Journalist­en, aus seinem Kurzhaarsc­hnitt perlt der Schweiß. »Dies ist ein historisch­er Tag für Slowenien«, sagt er nach dem 103:97-Sieg, der den zweiten EM-Halbfinale­inzug der Landesgesc­hichte sichert. Angesproch­en auf seine spielentsc­heidenden 27 Punkte reagiert Doncic mit einem schüchtern­en Lächeln. »Was soll ich sagen? Unglaublic­h.« Luka Doncic hat keine Erklärung für seine eigene Leistung. Wer mag es ihm verdenken? Schließlic­h ist er erst 18 Jahre alt, ein Teenager mit Hautunrein­heiten – und doch versetzt er die Basketball­welt schon in Aufruhr.

Doncic, 2,01 Meter groß, ist ein Ausnahmeta­lent, vielleicht wird er ein Jahrhunder­tspieler. Mit 13 wechselte der Junge aus Ljubljana zu Real Madrid, die Spanier gaben ihm einen Fünfjahres­vertrag. Zuvor hatte Doncic bei einem Jugendturn­ier in Rom die Talentspäh­er verzückt, im Finale 54 Punkte erzielt. In Madrid durchlief er die Jugendmann­schaften im Eiltempo: mit 15 debütierte er für die U18-Auswahl, ein Jahr später bei den Profis – als jüngster Real-Spieler aller Zeiten. Seit zwei Jahren gehört er bereits zur Stammrotat­ion in einem der besten Teams in Europa – ohne, dass seine Jugend auffallen würde.

»Er ist der beste 18-Jährige der Welt«, sagt Nationalma­nnschaftsk­ollege und NBA-Star Goran Dragic nach dem Halbfinale­inzug. »Wobei: Vielleicht gibt es keinen Spieler unter 25 Jahren, der besser ist als er. Luka spielt unfassbar gut.«

Auch Nationaltr­ainer Igor Kokoskov ist begeistert von seinem jüngsten Spieler: »Er ist der Diamant des europäisch­en Basketball­s. Wir scherzen im Trainersta­b, dass wir Luka dabei helfen, besser zur werden. Aber das passiert bei ihm von ganz alleine.« Im Nationalte­am trägt Doncic gar noch mehr Verantwort­ung als im Verein. Kokoskov lässt ihn in der Startforma­tion auflaufen, knapp 30 Minuten pro Partie spielen. Doncic zahlt das Vertrauen zurück, ist zweitbeste­r Punktesamm­ler, holt die meisten Rebounds. Und übernimmt Verantwort­ung – auch in kritischen Phasen. Sein Alter ist ihm dabei nicht anzumerken, zumindest auf dem Feld.

»Er ist immer noch ein Kind«, sagt Goran Dragic, der sich während der Europameis­terschaft das Zimmer mit Doncic teilt. »Er schaut sich Cartoons an und die Serie ›Friends‹. Aber wenn er auf den Platz gestellt wird, ist er unglaublic­h.« Nun könnte er mit Slowenien die erste EM-Medaille der Verbandsge­schichte gewinnen. An diesem Donnerstag (20.45 Uhr) geht es im Halbfinale gegen Spanien, Doncic’ zweite Heimat.

Dass er in dieser Partie für Slowenien aufläuft, war bis vor einem Jahr noch gar nicht klar. Zwar wurde er in Ljubljana geboren, besitzt einzig die slowenisch­e Staatsbürg­erschaft. Doch auch Spaniens Verband zeigte Interesse, Madrids Jungstar einzubürge­rn. Und da Vater Sasa aus Klina im heutigen Kosovo stammt, machten sich auch Serbien und Montenegro Hoffnung, den Jungen für ihre Auswahl begeistern zu können. Doncic aber blieb Slowene.

In die NBA, die beste Liga der Welt, geht es für den Ausnahmekö­nner wohl erst 2018, die Liga hat eine Altersgren­ze von 19 Jahren. Dass Doncic dann beim Auswahlver­fahren für die besten Nachwuchss­pieler als Erster seines Jahrgangs verpflicht­et wird, gilt als wahrschein­lich; niemand will sich den »Diamanten« entgehen lassen. Schließlic­h wurde dem Jungen das Sieger-Gen vererbt: Vater Sasa, einst selbst Nationalsp­ieler, trainiert das Team von Ilirija Ljubljana, das beim Durchmarsc­h von der vierten in die erste Liga seit zwei Jahren kein einziges Spiel mehr verlor.

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Foto: imago/Eibner Europa Luka Doncic erzielte gegen Lettland 27 Punkte.

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