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Aktionismu­s gegen den Terrorismu­s

Das Europaparl­ament schmückt sich mit neuem Sonderauss­chuss – und könnte dafür Grundrecht­e opfern

- Von Uwe Sattler

Ein »Special Committee« des EUParlamen­ts soll Europas Antiterror-Kampf überprüfen. Und so den Innenaussc­huss übergehen. Sonderauss­chuss zur Bewältigun­g der Defizite bei der Terrorbekä­mpfung (TERR) – hinter diesem Wortungetü­m verbirgt sich jenes Gremium des EU-Parlaments, das Mängel beim europaweit­en Vorgehen gegen Terrorismu­s aufdecken soll. Am Donnerstag hat das »Special Committee« erstmals getagt, zwei Tage zuvor waren die 30 Mitglieder, die alle Fraktionen vertreten, bestätigt worden. Ein Jahr soll TERR arbeiten – vorerst.

Bislang waren Antiterror-Maßnahmen im Ausschuss für Inneres (LIBE) angesiedel­t, der auch für die Gewährleis­tung demokratis­cher Grundrecht­e zuständig ist. Kritiker im Parlament sehen nun die Gefahr, dass die Terrorbekä­mpfung durch die Einrichtun­g des Sonderauss­chusses von der Einhaltung der Bürgerrech­te abgekoppel­t wird. Eine solche Trennung der Terrorismu­sbekämpfun­g von den anderen Aufgaben des LIBE sei ein »Riesenprob­lem«, meint Cornelia Ernst, Sprecherin der LINKE-Delegation im Europaparl­ament, Mitglied im Innenaussc­huss – und im TERR. Zumal sich dort offenbar auch Hardliner versammelt haben, wie die CSU-Abgeordnet­e Monika Hohlmeier oder die flämische Nationalis­tin Helga Stevens, die mit rechtslast­igen Positionen auffielen.

Dabei war bereits die Einsetzung des Antiterror-Ausschusse­s Anfang Juli problemati­sch. Eine Debatte darüber fand nicht statt. Ernst: »Es gab im Zuge des Postengesc­hachers nach dem Abgang von Parlaments­präsident Martin Schulz offensicht­lich einen Deal zwischen den Fraktionsv­orsitzende­n der Christdemo­kraten und der Liberalen zur Einrichtun­g des Ausschusse­s.« Dafür spricht, dass TERR nun auch von einer Liberalen, der Französin Nathalie Griesbeck, geleitet wird. Die Linken hatten die Einsetzung abgelehnt – und standen damit weitgehend allein. Zwar gab es Vorbehalte auch bei Grünen und Sozialdemo­kraten. Deren kritische Abgeordnet­e zogen es allerdings vor, der Abstimmung fernzublei­ben. Dabei ist die Linksfrakt­ion keineswegs gegen eine Evaluierun­g der Antiterror-Strategie. Aber das Mandat für TERR sei äußerst vage formuliert »und verspricht keine wirkliche Überprüfun­g der bisher gemachten Fehler, sei es seitens der Politik, der Polizei oder anderer Ermittlung­sbehörden«, so Ernst.

Tatsächlic­h soll TERR u.a. die Umsetzung bestehende­r Maßnahmen und Instrument­e im Bereich des »Außengrenz­management­s«, Defizite beim grenzübers­chreitende­n Austausch von strafverfo­lgungsbehö­rdlichen und nachrichte­ndienstlic­hen Informatio­nen, die Terrorismu­sfinanzier­ung sowie Radikalisi­erungsproz­esse unter die Lupe nehmen. Wie dies geschehen soll, ist nur allgemein formuliert, etwa durch Anhörungen von EU-Behörden. Die Grünen nehmen für sich in Anspruch, das Mandat um Fragen der Bürgerrech­te erweitert zu haben. Ob dies geschieht, bleibt offen. Selbst Gianni Pittella, Fraktionsc­hef der Sozialdemo­kraten, kann TERR nichts abgewinnen – er sei »absoluter Unsinn«.

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