Margarinefamilien haben es besser
Für die bundesweit rund 1,6 Millionen Alleinerziehenden gestaltet sich die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung besonders schwierig. Im Wahlkampf spielt ihr Schicksal so gut wie keine Rolle. Dabei bräuchten sie eine besondere Unterstützung, um den
Wer sich überwiegend alleine um ein Kind kümmern muss, steckt beruflich oft zurück. Die Folgen sind ein hohes Armutsrisiko. Die Politik müsste entgegensteuern, findet Sabine Meyer-Strüvy. Die fröhliche Familie aus der Margarinewerbung, Mutter, Vater und zwei Kinder, spukt noch in zu vielen Politikerköpfen herum. Anders ist es kaum zu erklären, dass jene Gemeinschaft nach wie vor bevorzugt wird gegenüber alleinerziehenden Menschen. Zu ihnen zählt Sabine Meyer-Strüvy aus Hannover, die entsprechende Erfahrungen gemacht hat und hofft, dass endlich allen Volksvertretern bewusst wird: Es leben rund 1,6 Millionen Alleinerziehende in Deutschland.
Ungern blickt die 45-jährige Erzieherin zurück, wird sie gefragt, ob politische Entscheidungen sie besonders schlimm getroffen haben – und welche. Die Antwort kommt sofort: Die Agenda 2010 mit ihrer Hartz IV-Keule. Drei Jahre lang hat die alleinstehende Mutter, Sohn Finn ist jetzt zwölf, unter der Fuchtel dieses Gesetzes gelitten, wurde mit Geld abgespeist, das sie als »zum Leben zu wenig zum Sterben zu viel« in Erinnerung hat.
Eine künftige Bundesregierung, fordert Meyer-Strüvy müsse die Regelsätze erhöhen und auch die Mietobergrenzen für die »vom Amt erlaubten« Wohnungen. Die geltenden Beträge zwängen Alleinerziehende oft dazu, in Gegenden zu ziehen, in denen sie einer Ghettoisierung und die Kinder einem »sehr ungünstigen Lebensumfeld« ausgesetzt seien, gibt sie zu bedenken.
Das ist der Hannoveranerin und ihrem Sohn erspart geblieben, nicht aber eine »unmögliche« Behandlung im Jobcenter. Herablassend sei man ihr oft begegnet, erinnert sie sich. Darüber hinaus werde auf alleinerziehende Mütter in jenen Centern so viel Druck ausgeübt, dass Frauen schon sechs Wochen nach der Entbindung darüber nachdenken müssen, wo ihre Kind bereut werden kann, wenn sie arbeiten gehen.
Für die ersten drei Jahre, die so wichtig für ein Kind seien, sollte alleinstehenden Müttern eine finanzielle Unterstützung das Zuhausebleiben ermöglichen, findet Sabine Meyer-Strüvy – und zwar »ohne Angst vor Sanktionen der Jobcenter. Auf dessen Beschäftigte, meint sie, müsste die Bundesregierung ausdrücklich dahingehend einwirken, mit Alleinerziehenden menschlich und nicht herab- lassend umzugehen. Die Drangsalierung durch Hartz-IV hat Meyer-Strüvy aber hinter sich lassen können. Dennoch ist ihr wirtschaftlicher Spielraum eingeengt durch das Steuerrecht. Es benachteiligt die Alleinerziehenden gegenüber der »Margarinefamilie«, die durch das »Splitting« steuerlich weitaus stärker entlastet wird. Sowohl eine gerechtere Besteuerung als auch höheres Kindergeld brächten Sabine MeyerStrüvy eine willkommene Verbesserung ihrer finanziellen Lage.
Diese scheint mittlerweile passabel zu sein, bezieht die mittlerweile wieder arbeitende Mutter doch monatlich rund 1900 Euro netto Gehalt. Hinzu kommen 192 Euro Kindergeld sowie 289 Euro Unterhalt vom Vater. Auf den ersten Blick nicht schlecht, aber: Allein die Wohnung in Hannovers Südstadt, ein bürgerliches, aber nicht »gehobenes« Viertel, verschlingt etwa 900 Euro.
Ihr Budget erlaubt es ihr nicht, Beiträge für eine private Altersversorgung abzuzwacken. »Alleinerziehende sind länger zu Haus, um das Kind zu betreuen, haben demzufolge wenige Versicherungsjahre – die Angst vor Altersarmut ist ein Riesenthema für Frauen wie mich«, sagt MeyerStrüvy. Ihre derzeitige Berechnung der Rentenversicherung sagt ihr eine Monatsrente von 963 Euro voraus. Es darf bezweifelt werden, dass diese Vorhersagen dazu geeignet sind, Angst vor Altersarmut abzubauen.
Abgebaut werden, so Sabine Meyer-Strüvy, müssten aber längst überholte starre Arbeitszeitstrukturen. Mit diesem Ziel solle die Politik auf die Arbeitgeber einwirken, findet sie. Mehr Flexibilität in puncto Arbeitszeit – und entsprechende Impulse der Politik in Richtung Wirtschaft – wünscht sie vor allem den Alleiner- ziehenden, die es nicht so gut hatten wie sie: Vor Jahren war sie in der Medienbranche tätig, und da waren »feste« Arbeitszeiten an der Tagesordnung. Für sie als Alleinerziehende war das problematisch, also orientierte sie sich um – ging zurück in ihren erlernten Beruf der Erzieherin und fand auch recht bald eine Anstellung bei einem evangelischen Kindergarten, zu dem sie ihren Sohn während der Arbeit mitbringen konnte. Aber, so Meyer-Strüvy, leider räumen noch immer viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten solche oder ähnliche Möglichkeiten der flexiblen Arbeit, etwa per Home-Office, nicht ein.
Was für eine Regierung aus der Wahl auch hervorgeht, an sie hat Sabine Meyer-Strüvy einen weiteren Wunsch – im Sinne vieler alleinerziehenden Mütter meint sie: Das Gesetz, das es seit 2013 nichtehelichen Vätern erleichtert, ein Mitsorgerecht zu bekommen, auch, wenn das Kind schon älter ist, müsse modifiziert werden. Dahingehend, dass die Männer gründlicher überprüft werden, bevor sie jenes Recht erhalten. Denn, so weiß sie aus ihrer Funktion als Verfahrensbeistand beim Familiengericht: Nicht jeder Vater ist so lieb und gut wie der Papa aus der Margarinewerbung.