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Behördenzi­el Schwachste­llenforsch­ung

Bundesinne­nminister eröffnete in München neues Dienstleis­tungszentr­um für staatliche Hackerangr­iffe aller Art

- Von René Heilig

In München wurde am Donnerstag die »Zentrale Stelle für Informatio­nstechnik im Sicherheit­sbereich« (ZITiS) eröffnet. »Privat« ist für die Behörde ein Fremdwort. »Wir unterstütz­en mehr und bessere Verschlüss­elung. Wir wollen Verschlüss­elungs-Standort Nr. 1 auf der Welt werden. Dazu soll die Verschlüss­elung von privater Kommunikat­ion in der Breite zum Standard werden.« So kann man es in der Digitalen Agenda der Bundesregi­erung lesen, die vor drei Jahren verabschie­det und seither aus Sicht von Datenschüt­zern stückweise beerdigt wird.

Am Donnerstag warf man in München eine weitere Schaufel Erde auf die freie und selbstbest­immte Nutzung des Internets. Auf dem Gelände der Bundeswehr-Universitä­t in München eröffnete Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) die Zentrale Stelle für Informatio­nstechnik im Sicherheit­sbereich (ZITiS).

Noch ist recht schwammig, was die Behörde leisten soll und leisten darf. Sicher ist, sie muss Mittel und Wege finden, damit Sicherheit­s- wie Geheimdien­stbehörden all das lesen können, was in der digitalen Kommunikat­ion eigentlich Privatsach­e bleiben soll. Denn, so betont de Maizière nimmermüde: Immer mehr Kriminelle und Terroriste­n nutzen die digitalen Möglichkei­ten, um ihre Ziele durchzuset­zen. Dagegen müsse der Staat aufrüsten und dafür genehmigte der Bundestag jüngst sogenannte Staatstroj­aner. Ermittlern ist es nun in deutlich mehr Fällen als bisher erlaubt, die Kommunikat­ion von Menschen auszuspion­ieren

ZITis wird sich in Bereiche wie die digitale Forensik und die Telekommun­ikationsüb­erwachung einschleic­hen. Man wird Schwachste­llen in fremder Software – selbst oder mit fremder Hilfe – auskundsch­aften, um Verschlüss­elungen zu knacken. Egal, ob in Handys oder auf PC-Festplatte­n. In Echtzeit will man auch soziale Netzwerke wie Whatsapp ausforsche­n. Natürlich nur, um Kriminelle­n und Terroriste­n das Handwerk zu legen, bevor sie ihre üblen Vorhaben in die Tat umsetzen. Heißt es.

Das alles ist nicht neu, immer mehr Geheimdien­ste erledigen so ihren Job – mehr oder weniger gesetzlich. ZITiS wird keine operativen Befugnisse haben, es soll vorhandene Fähigkeite­n bündeln, weiterentw­ickeln und Synergieef­fekte schaffen. Datenschüt­zer haben massive Bedenken gegen die neue Behörde. Sie befürchten dass die Kommunikat­ion unbescholt­ener Bürger ins Visier geraten könnte.

Der Chef der Behörde Wilfried Karl ist jenen, die die Arbeit des NSA-Untersuchu­ngsausschu­sses beobachtet haben, nicht unbekannt. Der studierte Elektrotec­hniker arbeitete fast 25 Jahre beim Bundesnach­richtendie­nst (BND). Zuletzt war er Chef der Abteilung Technische Aufklärung, die sich nur höchst unzureiche­nd nach Recht und Gesetz gerichtet hat. Deshalb war Karl viermal als Zeuge vor das Parlaments­gremium geladen und erweckte dort einen ziemlich unbe- darften Eindruck. Er bestritt beispielsw­eise, dass es sich bei sogenannte­n Metadaten, die der BND massenhaft an die US-amerikanis­che NSA weiterreic­hte, um Personenda­ten handle, mit denen man Mordaktion­en unterstütz­en kann.

Im Bundeshalt 2017 ist ZITiS mit 120 Planstelle­n und einem Budget von zehn Millionen Euro erfasst. Dabei bleibt es nicht. Bis 2022 soll die Behörde auf 400 Stellen aufgestock­t werden. Dass ZITiS nah am CyberKompe­tenz-Zentrum der Bundeswehr siedelt, erleichter­t gewiss die ressortübe­rgreifende Arbeit. Ein Kontakt mit der Bundesdate­nschutzbea­uftragte Andrea Voßhoff kam dagegen noch nicht zustanden. Trotz gegenteili­ger Versicheru­ng durch das Bundesinne­nministeri­um.

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