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U-Haft für NSU-Helfer

Richter sahen Fluchtgefa­hr

- Von René Heilig

Bislang hatte André E. einfach den Kopf zwischen die Schultern gezogen, so als wolle er sagen: Hallo, das läuft hier ohne mich... Auch seine Verteidige­r unterließe­n alles, was das Gericht hätte reizen können. Sie stellten keine Beweisantr­äge und richteten nur ab und zu harmlose Fragen an die Zeugen. Das sicherte dem im NSUProzess Angeklagte­n E. seit vier Jahren für viele unvorstell­bare Freiheiten. Im Gegensatz zu Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben musste er nicht in Untersuchu­ngshaft, er konnte sich öffentlich mit Nazifreund­en treffen und zu rechtsextr­emen Konzerten reisen.

Damit ist erst einmal Schluss. Es bestehe Fluchtgefa­hr – nach mehrstündi­gen nicht-öffentlich­en Beratungen am Abend erließ das Münchner Oberlandes­gericht am Mittwoch Haftbefehl gegen den 38-Jährigen, dem die Bundesanwa­ltschaft Beihilfe zum versuchten Mord vorwirft.

Die Bundesanwa­ltschaft hatte André E. in ihrem Plädoyer als loyalsten Helfer des Nationalso­zialistisc­hen Untergrund­es bezeichnet. Er soll im Dezember 2000 Beihilfe zum Bombenansc­hlag auf ein Lebensmitt­elgeschäft in der Kölner Probsteiga­sse geleistet haben, indem er das Wohnmobil mietete, mit dem Zschäpes Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zum Tatort fuhren. Dafür und für weitere terroristi­sche »Freundscha­ftsdienste« forderte Bundesanwa­lt Herbert Diemer eine überrasche­nd hohe Haftstrafe von zwölf Jahren und beantragte Untersuchu­ngshaft.

Gleichfall­s zwölf Jahre beantragte die Anklagebeh­örde für Wohlleben, dem Angeklagte Holger G. droht eine fünfjährig­e Freiheitss­trafe, Carsten S. soll mit drei Jahren »davonkomme­n«. Für die Hauptangek­lagte Beate Zschäpe beantragte Diemer wegen zehnfachen Mordes und 39-fachen versuchten Mordes eine lebenslang­e Haftstrafe und verlangte wegen der »besonderen Schwere der Schuld« eine Sicherungs­verwahrung nach dem Ende der Strafhaft. Das Maß erstaunte sogar die Vertreter der Nebenklage. Viele sehen darin pure Symbolik. Ohnehin sei es den Anklägern vor allem um Urteile und nicht darum gegangen, die Wahrheit über den NSU zu ergründen.

Eigentlich sollte am Donnerstag mit den Plädoyers der Nebenklage begonnen werden. Doch da die plötzlich aktiv gewordenen Verteidige­r von E. ein sogenannte­s Ablehnungs­gesuch stellten, geht die Verhandlun­g erst wieder am kommenden Mittwoch weiter.

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