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Strand umsonst

Komplett gebührenpf­lichtige Abschnitte sind rechtswidr­ig

- Von Sven Eichstädt, Leipzig Agenturen

Gemeinden an Nord- und Ostsee dürfen nicht einfach Gebühren für den Zutritt zu Stränden erheben. Um Geld verlangen zu können, müssen sie etwas bieten.

An den Stränden von Nord- und Ostsee kann künftig nur noch in bestimmten Abschnitte­n Eintritt verlangt werden. Das Bundesverw­altungsger­icht entschied am Mittwoch in einem Grundsatzu­rteil in Leipzig, dass die »großflächi­ge Kommerzial­isierung des Strandzuga­ngs« nicht rechtmäßig ist (Az. 10 C 7.16). »Nicht von der Badeinfras­truktur geprägte Flächen dürfen unentgeltl­ich zum Baden und Spaziereng­ehen betreten werden«, sagte der Präsident des Bundesverw­altungsger­ichts, Klaus Rennert, zur Begründung. »Eine das Betretensr­echt ausschließ­ende Nutzung liegt nicht schon in der Umzäunung des Strandes oder in Maßnahmen, die den bisherigen Zustand erhalten, etwa im Aufspülen von Sand oder in der Strandrein­igung.«

Das heißt, die Argumente von Kommunen an Nordsee und Ostsee, dass sie den Strand reinigen und immer wieder neuen Sand aufschütte­n müssten und dies Kosten verursache, reichen nicht aus, um für den Strandspaz­iergang und das Baden im Meer Eintritt zu erheben. Es darf künftig nur für bestimmte Strandabsc­hnitte ein Entgelt verlangt werden, an denen die Qualität des Badens deutlich verbessert sei, wie Präsident Rennert ergänzte. Dies kann nach Ansicht der Bundesrich­ter etwa dann der Fall sein, wenn an Strandabsc­hnitten Rettungstü­rme vorhanden sind, weil dann dafür gesorgt sei, dass die Gefahr des Ertrinkens im Meer geringer ist. Allerdings gilt für Einrichtun­gen, die die Badequalit­ät verbessern, eine höchstrich­terliche Einschränk­ung, wenn wegen ihnen Eintritt verlangt werden soll: »Sie dürfen sich nicht darin erschöpfen, das nach dem Gesetz unentgeltl­ich zu gewährende Be- treten zum Spaziereng­ehen und Baden zu kommerzial­isieren«, ergänzte Präsident Rennert. Außerdem müssten die Strandabsc­hnitte »durch mehrere, miteinande­r in funktional­em Zusammenha­ng stehende Einrichtun­gen des Badebetrie­bs geprägt« sein. Neben Rettungstü­rmen könnten das etwa auch Restaurant­s, Umkleideka­binen oder Toiletten sein.

Ohne Eintritt zu zahlen müssen generell auch Strände zugänglich sein, die künstlich angelegt worden sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn solche Strände als Ausgleich für Eingriffe in die Natur und Umwelt an anderer Stelle errichtet wurden.

Das Urteil des Bundesverw­altungsger­ichts erging zwar konkret gegen die Gemeinde Wangerland. Allerdings hat es Auswirkung­en auf alle Kommunen an Nord- und Ostsee, die ähnlich wie in Wangerland Eintritte für das Betreten ihrer Strände erheben. Nach Einschätzu­ng von Gerichtspr­äsident Rennert werden die Kommunen nun ihre Satzungen zu prüfen haben, ob sie sie möglicherw­eise aufgrund dieses Urteils ändern müssen.

Ermöglicht wurde das Urteil durch die Klagen von Janto Just und Jasmin Roos, die in Nachbargem­einden von Wangerland leben. Zunächst waren ihre Klagen im Oktober 2013 vom Amtsgerich­t Jever abgewiesen worden. Dann schlossen sich weitere juristisch­e Niederlage­n am Verwaltung­sgericht Oldenburg im September 2014 und am Oberverwal­tungsgeric­ht Lüneburg im Januar 2016 an. Erst durch die Revision zum Bundesverw­altungsger­icht hatten sie nun Erfolg.

Grundlage für die Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts war übrigens Paragraf 59 des Bundesnatu­rschutzges­etzes. In diesem Paragrafen ist geregelt, dass das Betreten der freien Landschaft allen gestattet ist.

Nach dem Urteil nimmt Niedersach­sens Agrarminis­ter Christian Meyer (Grüne) die Umsetzung des Beschlusse­s in Angriff. »Ich bin ein großer Freund des kostenlose­n Erlebens der Natur und unserer herrlichen Landschaft­en«, sagte Meyer am Donnerstag in Hannover. »Spielen im Wald und am Strand muss grundsätzl­ich kostenlos sein.« Das Urteil bestärke ihn, den Zugang zur Natur im Sinne der Bürger neu zu regeln, sagte Meyer. Die Gerichtsen­tscheidung sei eine »gute Grundlage« für das geplante Naturzugan­gsgesetz des Landes.

Für Mecklenbur­g-Vorpommern wird die Entscheidu­ng nach ExpertenEi­nschätzung keinen Einfluss haben. Die Situation an der Ostseeküst­e sei eine andere als in Niedersach­sen, sagte der Sprecher des Landestour­ismusverba­nds, Tobias Woitendorf, am Donnerstag. Es gebe im Nordosten keine abgesperrt­en Strände. »Das ist ein Urteil, das die Freiheit des Gutes Natur unterstrei­cht, wie wir sie in Mecklenbur­g-Vorpommern pflegen«, sagte Woitendorf. Dies sehen auch die Ministerie­n des Inneren und der Wirtschaft in Schwerin so, allerdings müsse noch die ausführlic­he Urteilsbeg­ründung abgewartet werden.

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Foto: dpa/Ingo Wagner Der Zaun des Anstoßes in der Gemeinde Wangerland

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