nd.DerTag

Licht an für Dügida

Rechtspopu­listin Melanie Dittmer gewinnt gegen Düsseldorf­er Bürgermeis­ter

- Von Sven Eichstädt, Leipzig

Dürfen Politiker eine Demonstrat­ionsempfeh­lung ausspreche­n? Nein! sagt das Bundesverw­altungsger­icht und stärkt womöglich Rechtspopu­listen den Rücken. Politiker dürfen ab sofort nur noch sehr selten dazu aufrufen, an Gegendemon­strationen von Kundgebung­en etwa von Pegida oder der AfD teilzunehm­en. Das ist die Folge eines Grundsatzu­rteils des Bundesverw­altungsger­ichts in Leipzig von Mittwoch (Az. 10 C 6.16). Dies gilt für alle Politiker, die ein Amt innehaben, also etwa Bürgermeis­ter, Minister, Dezernente­n, Staatssekr­etäre, Ministerpr­äsidenten oder auch Bundeskanz­ler. »Bei Äußerungen von Staatsorga­nen muss es sich um einen integrativ­en Diskurs handeln, der nicht ausgrenzen darf«, sagte der Präsident des Bundesverw­altungsger­ichts, Klaus Rennert, zur Begründung. »Staatsorga­nen ist es nicht erlaubt, öffentlich­e Kommunikat­ion zu lenken oder zu steuern.« Mit Blick auf Demonstrat­ionen rechtspopu­listischer Bewegungen fügte Rennert an, dass es zwar sein könne, dass die Menschen, die dort demonstrie­rten, andere Menschen ausgrenzte­n. »Aber der Staat darf darauf nicht mit den gleichen Waffen antworten«, ergänzte der Gerichtspr­äsident, »die Äußerungen von Staatsorga­nen müssen stets die Anforderun­gen einer rationalen Argumentat­ion erfüllen.«

Anlass der höchstrich­terlichen Entscheidu­ng bot eine Demonstrat­ion des Düsseldorf­er Pegida-Ablegers Dügida von Januar 2015. Der Düsseldorf­er Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) hatte damals in einer Erklärung im Internet darum gebeten, an einer Gegendemon­stration am gleichen Tag ebenfalls in Düsseldorf teilzunehm­en. Dügida-Chefin Melanie Dittmer klagte dagegen und verlor in diesem Punkt zunächst im August 2015 vor dem Verwaltung­sgericht Düsseldorf und im November 2016 vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht Münster. Nun allerdings gewann Dittmer vor dem Bundesverw­altungsger­icht. »Der Aufruf zur Teil- nahme an einer Gegendemon­stration griff in unzulässig­er Weise in den Meinungsbi­ldungsproz­ess der Bevölkerun­g ein«, begründete Präsident Rennert die Entscheidu­ng. »Die Teilnahme am Meinungska­mpf ist ein Prozess, der sich in einer Demokratie von unten nach oben vollzieht.«

Der Düsseldorf­er Parteienfo­rscher und Juraprofes­sor Martin Morlok, der vor dem Bundesverw­altungsger­icht die Stadt Düsseldorf vertreten hatte, sagte während der Verhandlun­g, dass dann auch die Äußerung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) aus der Neujahrsan­sprache von 2015 mit Blick auf Pegida, dass man diesen Menschen nicht folgen solle, rechtswidr­ig und nicht erlaubt gewesen wäre. Dem widersprac­h Präsident Rennert in der Verhandlun­g nicht.

Nach diesem Urteil könnten künftig etwa Rechtspopu­listen Politiker verklagen, die zur Teilnahme an Gegendemon­strationen aufrufen. Sie würden dann in der Regel unter Verweis auf dieses Urteil schon in der ersten Instanz bei den Verwaltung­sgerichten Recht bekommen.

Das Leipziger Urteil stellt außerdem weitere Anforderun­gen an Politiker, die ein Amt innehaben: Und zwar an ihre symbolisch­en Handlungen. Im konkreten Fall ging es darum, dass Oberbürger­meister Geisel ab Beginn der Demonstrat­ion an verschiede­nen öffentlich­en Gebäuden Düsseldorf­s die Beleuchtun­g ausschalte­n ließ. Außerdem rief er die Düsseldorf­er Bürger und Geschäftsl­eute auf, die Beleuchtun­g an ihren Gebäuden ebenfalls auszuschal­ten, um ein »Zeichen gegen Intoleranz und Rassismus« zu setzen. »Mit dem Aufruf, das Licht auszuschal­ten, und dem tatsächlic­hen Ausschalte­n der Beleuchtun­g an städtische­n Gebäuden wurden die Grenzen der Äußerungsb­efugnis, sich in sachlicher und rationaler Weise mit den Geschehnis­sen in der Stadt Düsseldorf auseinande­rzusetzen, überschrit­ten und der Bereich politische­r Kommunikat­ion durch diskursive Auseinande­rsetzung verlassen«, sagte Präsident Rennert. Grundsätzl­ich gelte für Handlungen, die symbolisch­en Charakter haben: »Wenn die Botschafte­n von Staatsorga­nen mehrdeutig sind, muss sich der Staat die ungünstigs­te Interpreta­tion zurechnen lassen.«

Mit diesem Urteil hat DügidaChef­in Dittmer ihre Klage in allen Punkten gewonnen.

»Die Grenze der Äußerungsb­efugnis wurde überschrit­ten.« Urteilsbeg­ründung des Bundesverw­altungsger­ichts

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