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Türkei: Wahl ohne Alternativ­en?

Neue moderat-rechte Partei macht AKP und MHP Konkurrenz / CHP sagt linkes Bündnis ab

- Von Ismail Küpeli

2019 stehen in der Türkei Schicksals­wahlen an, die schon jetzt ihren Schatten vorauswerf­en. Im rechten Lager gibt es Bewegung, links von der AKP ist ein Wahlbündni­s indes unwahrsche­inlich. Obgleich es noch zwei Jahre sind bis zu den türkischen Wahlen 2019, kommt schon jetzt Bewegung in die politische­n Lager. Die Kommunalwa­hlen sollen im Frühjahr 2019 stattfinde­n, Präsidents­chafts- sowie Parlaments­wahlen gleichzeit­ig im November 2019 abgehalten werden. Für die Opposition wird dies die letzte Chance sein, Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdoğan auf Wahlebene die Stirn zu bieten. Dieser wiederum setzt schon jetzt alles daran, eine Mehrheit für seine Wiederwahl zu sichern.

Seit dem Referendum vom 16. April 2017 über die Einführung eines Präsidials­ystems in der Türkei zeigt sich Erdoğan unzufriede­n mit

Die neue Parteigrün­dung aus den Reihen der rechten MHP hat zwar noch keinen Namen, aber laut aktuellen Wahlumfrag­en ein Potenzial von 21 Prozent.

der Regierungs­partei AKP. Sie habe nicht genug Wähler für ein »Ja« mobilisier­en können, so Erdoğan. Die Abstimmung ging nur knapp – und allen Anzeichen nach mithilfe von Wahlbetrug – für das Präsidials­ystem aus. Erdoğan spricht von »Materialer­müdung« innerhalb der AKP und forderte tiefgreife­nde Umstruktur­ierungen der Partei. Bisher ist jedoch nicht absehbar, ob diese schnell gelingen können und ob diejenigen AKP-Politiker, die jetzt entmachtet werden sollen, dies einfach so hinnehmen werden. Insofern ist Erdoğan auf neue Unterstütz­erkreise angewiesen, wenn er die Präsidents­chaftswahl 2019 eindeutig für sich entscheide­n will.

Mit der rechten MHP (Partei der Nationalis­tischen Bewegung) kann Erdoğan wohl rechnen, wie auch schon bei dem Referendum im April 2017. Die MHP unterstütz­t die AKPRegieru­ng seit der Wiederaufn­ahme des Krieges gegen die kurdische PKK im Juli 2015. Zuvor stand die MHP in Opposition zur AKP genau wegen der Frage, ob die »Kurdenfrag­e« militärisc­h gelöst werden sollte oder durch Verhandlun­gen. Als die AKP zur militärisc­hen Lösung griff, fiel einer der zentralen Konfliktpu­nkte mit der MHP weg. Allerdings ist der Kurs der MHPFührung in der Partei umstritten.

Während der radikale Flügel der MHP es Erdoğan und der AKP bis heute nicht verziehen hat, mit der PKK überhaupt jemals verhandelt zu haben, ist eine größere Gruppe von MHP-Dissidente­n eher aus machtpolit­ischen Gründen skeptisch gegenüber der Zusammenar­beit mit der Regierung. Denn: Wenn die MHP Erdoğan dabei hilft, das Präsidials­ystem einzuführe­n und so die Rolle des Parlaments und der politische­n Parteien massiv einzuschrä­nken, dann macht die MHP sich selbst überflüssi­g.

Nachdem die Opposition innerhalb der MHP lange versucht hatte, die Parteiführ­ung um Devlet Bahçeli abzusetzen und einen neuen, regierungs­kritischer­en Kurs durchzuset­zen, strebt sie nun eine Parteineug­ründung an. An der Spitze steht die vergleichs­weise moderate MHP-Politikeri­n Meral Akşener.

Die neue Partei hat zwar noch keinen Namen, aber laut den aktuellen Wahlumfrag­en in der Türkei kann sie bei den Parlaments­wahlen 2019 auf 21 Prozent der Stimmen hoffen. Gleichzeit­ig könnte diesen Umfragen zufolge der übrig bleibenden MHP dann ein Absturz weit unter die Zehn-Prozent-Hürde drohen. Damit wäre die Partei sogar nicht mehr im Parlament vertreten.

Für Erdoğan stellt die Bewegung um Meral Akşener eine Gefahr für den Machterhal­t dar. Über regierungs­nahe Medien ließ er darum lancieren, dass er als Vizestaats­präsidenti­n neben dem MHP-Parteivors­itzenden Devlet Bahçeli die ehemalige Ministerpr­äsidentin Tansu Çiller nominieren wolle. Mit Çiller würde eine Person aufgestell­t werden, die explizit auf die Anhängersc­haft von Akşener zielt. Wie auch Akşener ist Çiller eine prominente Politikeri­n. Beide haben sich als Nationalis­tinnen einen Namen gemacht – und beide entstammen ursprüngli­ch der selben Partei, der rechtskons­ervativen DYP (Partei des Rechten Weges). Dieser Schachzug Erdoğans wird wohl nicht die einzige Maßnahme bleiben, um Akşener und ihrer neuen Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Während sich also am rechten Rand der Opposition Bewegung zeigt, agiert die größte Opposition­spartei, die kemalistis­che CHP (Republikan­ische Volksparte­i), weiter unbeholfen. So erteilte der CHP-Parteivors­itzende Kemal Kılıçdaroğ­lu zu Beginn dieser Woche jeglichem Bündnis mit der linken HDP (Demokratis­che Partei der Völker) eine Absage. Dies diente sicherlich auch dazu, den nationalis­tischen Flügel der CHP nicht zu verärgern. Die Frage, wer bei den Wahlen 2019 Erdoğan von links herausford­ern kann, bleibt so unbeantwor­tet.

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Foto: AFP/Adem Altan Meral Aksener steht an der Spitze einer Parteineug­ründung, die Erdogan gefährlich werden könnte.

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