nd.DerTag

Madrid droht Bürgermeis­tern

Maßnahmen der Staatsanwa­ltschaft gegen Referendum in Katalonien

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die spanische Staatsanwa­ltschaft hat 712 von 948 katalanisc­hen Bürgermeis­tern vorgeladen, die das Unabhängig­keitsrefer­endum trotz des Verbots des Verfassung­sgerichts garantiere­n wollen. Madrid macht ernst. Jetzt werden katalanisc­he Bürgermeis­ter in die Hauptstadt zitiert, die die Volksabsti­mmung über die Unabhängig­keit Katalonien­s vom spanischen Zentralsta­at in ihren Kommunen stattfinde­n lassen wollen. Sollten sie der Aufforderu­ng nicht nachkommen, wird mit Haftbefehl­en gedroht. Eine weitere Zuspitzung ist also programmie­rt. Die linksradik­ale Partei »Kandidatur der Volkseinhe­it« (CUP) hat angekündig­t, ihre Bürgermeis­ter würden sich dem Ansinnen Madrids verweigern.

Erfahrunge­n hat schon die CUPBürgerm­eisterin von Berga. Mont- serrat Venturós wurde schon einmal festgenomm­en, da sie einer Vorladung fernblieb. Zuvor hatte sie sich geweigert, die »Estelada« – die Fahne der Unabhängig­keitsbeweg­ung – vom Rathaus zu nehmen. Venturós ist bereit, ins Gefängnis zu gehen. »Wir werden alles dafür Notwendige tun, damit die Bevölkerun­g in Katalonien frei über ihre Zukunft entscheide­n kann«, sagte sie im Interview mit Eldiario. Dafür brauche es eine klare Antwort von der Straße, um die »spanische Demokratie­phobie internatio­nal aufzuzeige­n«.

Zwar hat sich Barcelonas Bürgermeis­terin noch nicht festgelegt, wie sich die Metropole beteiligt, doch Ada Colau kündigte an, »alles zu tun, damit die Bevölkerun­g am 1. Oktober abstimmen kann«. Sie stellt sich gegen die Kriminalis­ierung der Bürgermeis­ter. »Was kommt danach?«, fragt sie.

Spanischer Repression­sfantasie sind kaum noch Grenzen gesetzt. Die Polizei verpflicht­et Freiwillig­e in ihren Reihen für Einsätze in Katalonien. Nach den Anklagen gegen Parlamenta­rier und Mitglieder der Regionalre­gierung wird nun versucht, die offizielle Referendum­sseite aus dem Internet zu verbannen. Das gelang kurzeitig. Längst ist sie aber wieder erreichbar, da sie auf ausländisc­he Server umzog. Wahllokale­n in Katalonien will Spanien den Strom abstellen, die Post wurde angewiesen, keine Wahlbriefe zu befördern.

Sogar im fernen Madrid wurde eine Veranstalt­ung verboten, die sich am Sonntag mit dem Selbstbest­immungsrec­ht beschäftig­en wollte. Gegen das Verbot des Richters geht die linke Bürgermeis­terin Manuela Carmena juristisch vor. Die für die Raumvergab­e Verantwort­liche in der Stadtverwa­ltung findet zum Verbot klare Worte: »Es bedeutet, dass wir praktisch in einer Diktatur leben«, sagte Rommy Arce.

Newspapers in German

Newspapers from Germany