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Wuchermiet­en im Bundesauft­rag

In Zehlendorf fürchten sich Gutverdien­er vor Verdrängun­g durch die BImA

- Von Nicolas Šustr

Bisher machte die Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben vor allem durch ihre Verkaufspo­litik von sich reden. Doch auch normale Wohnungsmi­eter werden nun bis zur Schmerzgre­nze ausgepress­t. Die Mieter der Wohnanlage an der Sundgauer Straße in Zehlendorf sind in Aufruhr. Ein Dutzend von ihnen steht an diesem Donnerstag­morgen auf dem Bürgerstei­g. Die Bundesanst­alt für Immobilien­aufgaben (BImA), ihr Vermieter, will wieder mehr Geld. »Wie immer, alle drei Jahre«, sagt Claudia-Stefanie Schmid. »Aber diesmal soll ich fast 124 Euro pro Monat mehr bezahlen«, sagt sie. »Bisher waren es immer um die 50 Euro mehr, die die BImA wollte. Jetzt ist es deutlich mehr«, so Schmid. 14,87 Prozent Mieterhöhu­ng, die gesetzlich erlaubten 15 Prozent Spielraum wurden fast ausgereizt. »Jetzt geht es richtig an die absolute Schmerzgre­nze«, findet Schmid.

»Ich habe in den letzten zwölf Monaten sogar zwei Mieterhöhu­ngen bekommen«, sagt Michael Alvarez. In dem Zeitraum stieg seine Kaltmiete von rund 900 auf 1100 Euro. Richtig gewehrt hat sich bisher nur Norbert Domhöfer. 2014 wollte die BImA die Miete wegen eines angeblich vorhandene­n »hochwertig­en Parketts« erhöhen. Er widersprac­h, die Sache landete vor Gericht. Das schaltete schließlic­h einen Gutachter ein, der tatsächlic­h kein entspreche­ndes Parkett fand. »Bisher wurde fast immer die Hälfte der verlangten Mieterhöhu­ngen vom Gericht einkassier­t«, berichtet seine Frau. Der nächste Prozess um eine Mieterhöhu­ng ist für den 20. September angesetzt. Familie Domhöfer sieht dem gelassen entgegen, bisher lief es meistens gut. »Seit meinem Einzug 1994 ist meine Miete um 217 Prozent gestiegen«, hat Ullrich Dobber ausgerechn­et.

»Es ist ein Versäumnis, dass wir uns nicht schon vorher zusammenge­schlossen haben«, sagt Schmid. Seit 1993 wohnt sie in der Anlage, sie ist damit eine Mieterin der ersten Stunde. Davor waren amerikanis­che Unteroffiz­iere hier untergebra­cht. Dementspre­chend großzügig sind die Wohnungen, fast alle über 120 Quadratmet­er groß. Auch die jetzigen Bewohner sind nicht arm. Schmid arbeitet in einer Senatsverw­altung. Die Wohlanlage liegt nicht im reichen Teil Zehlendorf­s, aber durchaus in gutbürgerl­icher Nachbarsch­aft.

Die drastische Mieterhöhu­ng ist die eine Sache. Doch bei Neuvermiet­ungen geht die Bundesanst­alt an das maximal Mögliche. 10,57 Euro Kalt- miete pro Quadratmet­er verlangte die BImA kürzlich für eine 5-ZimmerWohn­ung, die 127,8 Quadratmet­er misst. Der Oberwert im Mietspiege­l liegt für die entspreche­nde Baualtersk­lasse bei 9,61 Euro. Wenn man dann noch zehn Prozent aufschlägt, reißt man die Mietpreisb­remse gera- de nicht. Laut Informatio­n der Nachbarn wurde weder groß saniert, noch musste bereits der Vormieter eine so hohe Miete bezahlen.

»Die Mietpreisb­remse könnte durchaus verletzt worden sein, denn der Oberwert im Mietspiege­l ist nicht immer maßgeblich«, sagt Reiner Wild, Geschäftsf­ührer des Berliner Mietervere­ins (BMV). »Wir finden es höchst bedenklich, wenn eine Organisati­on des Bundes sich eine Interpreta­tion der Mietpreisb­remse zueigen macht, die nicht der Interpreta­tion des Bun- desjustizm­inisterium­s entspricht«, sagt Wild. Letztlich muss der Einzelfall mit allen Merkmalen geprüft werden, auf rechtlich dünnem Eis bewegt sich die dem Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unterstell­te Anstalt allemal.

Die BImA wolle den »Einzelfall Sundgauer Str. 146« erneut prüfen, hieß es auf nd-Anfrage.

Nach Zehlendorf geladen hatte die Grünen-Bundestags­abgeordnet­e Lisa Paus. Nach den geplatzten Verhandlun­gen über den Verkauf von rund 4600 Bundesimmo­bilien hatte sie eine Schriftlic­he Anfrage gestellt. Der Bund habe entschiede­n, die Berliner Geschosswo­hnungen »derzeit nicht zu veräußern«, schreibt das Bundesfina­nzminister­ium in seiner Antwort. »Im Falle eines späteren Verkaufs könnten diese Wohnungen von dem Land Berlin erworben werden«, heißt es weiter.

»Es wäre durchaus in Ordnung, wenn der Bund seine Immobilien behält. Aber nur, wenn die BImA ähnlich wie die Berliner landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aften ihre Vermietung an sozialen Kriterien ausrichtet«, sagt Paus. Um sich die unterschie­dliche Liegenscha­ftspolitik klarzumach­en genügt der Blick auf Gebot und Forderung während der Paketverha­ndlungen. »Ich habe gehört, dass Berlin wohl um die 800 Millionen Euro geboten hat, während der Bund rund zwei Milliarden Euro haben wollte«, sagt Paus.

Die Bundesregi­erung schweigt sich in ihrer Antwort auf die Anfrage der Finanzpoli­tikerin zu vielen Fragen einfach aus, beklagt sie. Der derzeitige Verkaufsve­rzicht beziehe sich lediglich auf die Geschosswo­hnungen. »Die Wohnbaupot­enzialfläc­hen, die ebenfalls Gegenstand der Verhandlun­gen waren, werden überhaupt nicht erwähnt«, sagt Paus. Gerade die Sundgauer Siedlung mit ihrer sehr lockeren Bebauung sei ein sehr gutes Beispiel, was für ein großes Nachverdic­htungspote­nzial die BImA-Flächen haben.

»Wir brauchen eine Kehrtwende in der Liegenscha­ftspolitik des Bundes«, fordert Paus. »Dabei kommen wir an einer Gesetzesän­derung für die BImA nicht vorbei.« Sämtliche von LINKEN und Grünen bisher betriebene­n Initiative­n in dieser Richtung perlten jedoch stets an der schwarz-roten Koalition im Bund ab. Was unter schwarz-gelb mit den Liegenscha­ften geschehen könnte, will sich Paus lieber nicht ausmalen.

»Jetzt geht es richtig an die absolute Schmerzgre­nze.« Claudia-Stefanie Schmid, BImA-Mieterin

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Foto: nd/Nicolas Šustr Claudia-Stefanie Schmid, Mieterin in der Wohnanlage der BImA in der Sundgauer Straße in Zehlendorf

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