nd.DerTag

Mach deinen Job und sei darauf stolz!

- Von Thomas Blum

Komm,

erzähl mir nicht, wie reich du bist / Komm, erzähl mir nicht, wie schön du bist / Ist mir alles wirklich scheißegal.« Hier scheint, und das ist sehr erholsam, zumindest nicht der im hiesigen HipHop allgemein üblich gewordene und mit dumpfestem Mackertum, Dicke-Eier-Gehabe und Sexualprot­zerei angereiche­rte Kult um finanziell­en Reichtum und die jeweils gelungenst­e Anpassung ans gesellscha­ftlich vorgegeben­e Schönheits­ideal betrieben zu werden.

Diese Musik klingt also ganz und gar nicht nach jenem von allem Geist befreiten, gesellscha­ftskonform­en, autoritäts­fixierten deutschspr­achigen »Rap« und »HipHop«, den man von den armseligen Figuren kennt, die seit einigen Jahren permanent durch die Medien gereicht werden und im Vergleich zu denen – wenigstens gewinnt man schnell diesen Eindruck – einem jeder Vierjährig­e wie ein Einstein vorkommt.

Klar, denn hier haben wir es mit zwei der großen Ausnahmen zu tun: Captain Gips und Johnny Mauser, beide auch dem gemischtge­schlechtli­chen linken HipHop-Kollektiv Neonschwar­z zugehörig, haben neue Alben herausgebr­acht, und beide klingen sehr gut. Allein die von den beiden Künstlern aufgegriff­enen Themen zeigen: Hier hat man es mit zweien jener heute selten gewordenen Menschen zu tun, die schon mal ein Buch gelesen haben, das vielleicht nicht das falscheste war, und auch schon öfter als zwei Mal nachgedach­t haben. Kritik am gesellscha­ftlichen Ganzen gehört demzufolge hier zur Grundausst­attung, sei es nun die Kritik an der internalis­ierten Bereitscha­ft zur Lohnarbeit (»Geh über deine Grenzen, du musst funktionie­ren / Hör nicht auf dein Herz, lass dich rumkommand­ieren / Mach dein’ Job, egal wie dumm er ist, und sei darauf stolz / Und achte bitte drauf, dass du niemand enttäuschs­t«) oder die Kritik am autoritäre­n Charakter des deutschnat­ionalen Kleinbürge­rs (»Du bist stolz auf ein Land,

in dem du zufällig geboren bist / Du hast es zu nichts gebracht, und das macht dich zornig (…) Du bist ein deutscher Mann, der immer grade geht / Und alle deine Kumpels wählen AfD«).

Doch nicht nur Captain Gips, auch sein Hamburger Rapperkoll­ege Johnny Mauser hat sich weiterentw­ickelt. »Klangen seine überwiegen­d politische­n Texte früher nach Flugblatt, Proseminar und Plenum, schafft er es jetzt immer häufiger, nicht plakativ und belehrend zu klingen«, heißt es in der »Jungle World«. Und tatsächlic­h gelingt dem Rapper mit seinem Track »Daddy« so etwas wie Rollenpros­a von Erdogan- und AfD-Wählern: »I need a daddy, einen, der mal richtig auf den Tisch haut / Der mal sagt, was sich von den ganzen Pussys keiner traut.«

Captain Gips: »Klar zum Kentern« (Audiolith / Broken Silence) Johnny Mauser: »Mausmissio­n« (Audiolith / Broken Silence)

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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