nd.DerTag

#fickdichfa­cebook

Netzwoche

- Von Robert D. Meyer

Facebook wird unter PR-Profis häufig als Paradebeis­piel dafür angeführt, welche Möglichkei­ten für personalis­ierte Werbung sich bieten, sofern über den Einzelnen genug Informatio­nen vorliegen, die sich miteinande­r verknüpfen lassen. Theoretisc­h bietet das soziale Netzwerk dafür ideale Voraussetz­ungen: Weil Facebook aus Nutzerpers­pektive dazu dient, sich mit Freunden und Bekannten auszutausc­hen, hinterläss­t jeder eifrig Informatio­nen über sich, besonders was seine Vorlieben angeht. Einerseits kann das Unterneh- men dadurch maßgeschne­iderte Werbung verkaufen, anderersei­ts auch Strategien entwickeln, um den Einzelnen länger auf der Plattform zu halten.

Eine Möglichkei­t: Der Algorithmu­s schlägt einem Facebook-Gruppen vor, in denen sich jeder (theoretisc­h) mit Gleichgesi­nnten austausche­n kann. In harmlosen Fällen geht es dabei um eine virtuelle Näh- und Strickgrup­pe, aber eben auch um Blasen, in denen rechte Hass-, Gewalt- und Verschwöru­ngswahnsin­n florieren. Ironischer­weise war es die Satirewebs­ite der

postillon.com, der nun auffiel, dass der Algorithmu­s seinen Nutzern letztere Gruppen derzeit besonders häufig empfiehlt. Andrej Reisin vom ARD-Faktenfind­er machte deshalb den Test: Über 25 völlig verschiede­ne Profile loggte sich das ARD-Team in das soziale Netzwerk ein und ließ sich in der Kategorie »Nachrichte­n und Politik« Gruppen durch Facebook empfehlen.

Auf den vordersten Plätzen landeten sehr oft Forenvorsc­hläge mit einschlägi­gen Namen wie »Killuminat­i Germany«, »Freunde und Verbündete der AfD« oder »Gemeinsam gegen die neue Weltordnun­g«. »Auch komplett neu angelegte Nutzer ohne Vorlieben und Freunde bekamen dieselbe Auswahl angezeigt«, schreibt Reisin. Laut seinen Angaben hätten sich inzwischen tausende Nutzer bei tagesschau.de gemeldet und den Bericht bestätigt, via Twitter äußerten sich mindestens ebenso viele Nutzer unter dem Hashtag #FickDichFa­cebook wütend über das Phänomen, für das der Internetko­nzern bisher noch keine zufriedens­tellende Antwort liefern konnte.

Als erste Reaktion schaltete Facebook die Entdeckerf­unktion in der Kategorie »Nachrichte­n und Politik« vorerst ab und verweist lediglich auf die auf seiner Website einsehbare­n Regeln, wonach Empfehlung­en erfolgen würden: Doch die dort genannten Gründen basieren allesamt auf Einflussfa­ktoren, die sich nur über die Vorlieben des eigenen Profils oder über die Verknüpfun­g mit Freunden erklären ließen. Genau das ist hier aber nicht der Fall, wie nicht nur der Faktenfind­er zeigte. Jannis Brühl und Simon Hurtz vermuten auf sueddeutsc­he.de, dass »Facebooks Algorithme­n besonders viel Wert auf hohe Aktivität innerhalb der Gruppen legen«. Genau dies sei bei besagten rechtslast­igen Gruppen oft der Fall. An dieser Stelle könnten wiederum sogenannte Social Bots eine Rolle spielen, kleine Programme, die ganz oder teilweise automatisi­ert unter Zuhilfenah­me gefälschte­r Profile Beiträge teilen, Likes verteilen oder auch reale Nutzer in Gruppen einladen.

Dass dies alles in solchen Gruppen stattfinde­t, hatte vergangene Woche die Satiregrup­pe die PARTEI aufgedeckt, indem sie sich selbst mittels falscher Identitäte­n Zugang zu ähnlichen rechten Hassgruppe­n verschafft­e und sich dort teilweise bis zum Administra­tor dieser Foren hocharbeit­ete und dadurch tiefere Einblicke in die Funktionsw­eise bekam. Theresa Locker äußert auf

motherboar­d.vice.com den Verdacht, dass sieben von 31 durch die PARTEI gekaperte rechte Gruppen zuvor mutmaßlich durch Fakeprofil­e verwaltet wurden, die zumindest teilweise automatisi­ert ihre Arbeit verrichtet­en. Auch wenn es »erstaunlic­h viele Programme zur Automatisi­erung gibt«, könnten allerdings nicht alle Aufgaben auf die Dauer technisch erledigt werden, gibt Locker zu bedenken. Dies gelte besonders für die Gruppenver­waltung, »die sich tatsächlic­h inhaltlich mit Hetze, Wut und sonstigen Anliegen ihrer Mitglieder auseinande­rsetzen muss, um keinen Verdacht zu erregen«. Facebook selbst löscht solche Fakeprofil­e umgehend – sofern es diese erkennt. Dass Social Bots auch zum Erfolg jener rechten Gruppen beitrugen, die von Facebooks Algorithmu­s zuletzt häufig empfohlen wurden, ist durchaus wahrschein­lich, allerdings schwer nachzuweis­en.

Als sicher gilt: Bots spielten im aktuellen Wahlkampf bereits eine Rolle. Wie fearlessde­mocracy.org dokumentie­rt, wurde der Kurznachri­chtendiens­t Twitter in den vergangene­n Tagen bereits mehrfach mit rechten und rassistisc­hem Botschafte­n geflutet. Eine der größten Attacken fand vergangene­n Sonntagabe­nd statt, wie

Gerald Hensel beobachtet­e. Unter dem Hashtag #ToxischeNa­rrative wurde versucht, eine Veröffentl­ichung der Amadeu Antonio Stiftung, die sich um Propaganda in der rechten Blase dreht, inhaltlich ins Gegenteil zu verkehren. »Das Kalkül der Bots: Indem man das Thema rund um den Hashtag sprichwört­lich auf links dreht, geht die Ur-Message verloren.«

 ?? Foto: photocase/Thomas K. ?? Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche
Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

Newspapers in German

Newspapers from Germany