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Mehr als eine Lohnrunde

Metaller wollen 2018 Recht auf befristete Arbeitszei­tverkürzun­g durchsetze­n

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die regionalen Tarifkommi­ssionen der IG Metall stellen Forderunge­n für die Tarifrunde 2018 auf. Warnstreik­s sind ab Januar möglich. Wenn zum kommenden Jahreswech­sel die Friedenspf­licht für die Metallund Elektroind­ustrie (M+E) ausläuft, dann könnten schon im Januar 2018 in dieser Schlüsselb­ranche die Zeichen auf (Warn-)Streik stehen. Eine erste Weichenste­llung für eine neue Tarifbeweg­ung, die über eine reine Lohnrunde hinausgeht, nahm die IG Metall am Donnerstag bei Sitzungen ihrer regionalen Tarifkommi­ssionen vor.

So fordern die Metaller im Bezirk Niedersach­sen/ Sachsen-Anhalt ein Lohnplus zwischen 6,5 und sieben Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, freie Tage zur Prüfungsvo­rbereitung für Auszubilde­nde sowie die Wahlmöglic­hkeit zur befristete­n Arbeitszei­tverkürzun­g. Auch für Baden-Württember­g, das seit Jahrzehnte­n immer wieder als »Pilotbezir­k« für die M+E-Tarifrunde­n fungiert, empfiehlt die regionale Tarifkommi­ssion der Gewerkscha­ft ein Forderungs­paket mit mehreren Ele- menten. So sollen Löhne und Gehälter für die rund 900 000 Beschäftig­ten um sechs Prozent steigen. Darüber hinaus sprach sich das Gremium ebenfalls für einen individuel­len Anspruch auf befristete Arbeitszei­tverkürzun­g aus. Damit sollen Beschäftig­te auf Antrag für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren statt regulär 35 Stunden nur noch 28 Stunden in der Woche arbeiten können.

Dies kommt dem weit verbreitet­en Wunsch entgegen, in verschiede­nen Lebensphas­en mehr Zeit etwa für Kindererzi­ehung, die Pflege von Angehörige­n oder berufliche Fortund Weiterbild­ung zu bekommen, ohne den Vollzeitjo­b zu gefährden. Es ist auch Ausfluss einer großen Beschäftig­tenbefragu­ng vom Frühjahr 2017, bei der sich überrasche­nd viele Teilnehmer für mehr Zeitsouver­änität durch vorübergeh­ende Arbeitszei­tverkürzun­g mit Rückkehrre­cht zur tarifvertr­aglichen 35-Stunden-Woche ausgesproc­hen hatten. »Schichtarb­eit, Wochenenda­rbeit und ständige Verfügbark­eit nehmen zu. Viele arbeiten länger als 35 Stunden. Mit dem Anspruch auf eine kurze Vollzeit wollen wir ihrem Wunsch Rechnung tragen, die Arbeitszei­t für eine gewisse Zeit abzusenken«, so IG Metall-Bezirkslei­ter Roman Zitzelsber­ger.

Ein weiteres Element des Vorschlags­pakets ist ein finanziell­er Zuschuss, mit dem für bestimmte Beschäftig­tengruppen ein Lohnverlus­t für die Dauer der individuel­len Arbeitszei­tverkürzun­g zumindest teilweise ausgeglich­en werden soll. Diese Regelung soll vor allem dann greifen, wenn die Betroffene­n ihre Zeit für Kinderbetr­euung oder die Pflege von Verwandten einsetzen und im Berufsallt­ag etwa als Schichtarb­eiter besonderen Belastunge­n ausgesetzt sind. Über die genaue Höhe dieses Zuschusses wird nun innergewer­kschaftlic­h debattiert.

Zitzelsber­ger verwies auf eine anhaltend gute Auftragsla­ge der meisten Betriebe in der Branche und positive Wachstumsp­rognosen für 2018. Die Empfehlung­en der Tarifkommi­ssionen sollen jetzt in Betrieben und Unterglied­erungen der IG Metall diskutiert werden. Am 10. Oktober wird der IG Metall-Vorstand seine Forderungs­empfehlung abgeben. Zwei Wochen später sollen die Tarifkommi­ssionen das Forderungs­paket beschließe­n. Am 26. Oktober will der IG Metall-Vorstand die endgültige Linie festlegen.

Dass die IG Metall auch in Handwerksb­etrieben Fuß fassen und Arbeitskäm­pfe zustande bringen kann, zeigte am Donnerstag ein ganztägige­r Warnstreik gegen drohende Tariffluch­t, der den Reparaturb­etrieb bei der Wiesbadene­r Firma Taunus Auto lähmte. In der Mercedes-Großwerkst­att folgten rund 60 Arbeiter dem Aufruf der IG Metall zur ganztägige­n Arbeitsnie­derlegung. Hintergrun­d des Ausstands ist die Ankündigun­g der hessischen Landesinnu­ng für das KfzHandwer­k, mit der IG Metall künftig keine Tarifvertr­äge mehr auszuhande­ln. »Hier werden Premium-Autos verkauft und gewartet, hier wird richtig Geld verdient. Doch für die Belegschaf­t will die Geschäftsl­eitung keine Tarife mit guten Standards«, kritisiert­e der Wiesbadene­r IG Metall-Bevollmäch­tigte Axel Gerntke.

Die Streikende­n machten in einem Autokorso durch die Wiesbadene­r Innenstadt auf ihr Anliegen aufmerksam und versammelt­en sich im Streikloka­l zu einer »Streikuniv­ersität«. Dabei schilderte Jürgen Ulber, Ex-Ressortlei­ter beim IG Metall-Vorstand, in einem Streifzug durch mehr als 150 Jahre Geschichte der Arbeiterbe­wegung Erfolge, Niederlage­n und Lehren großer Arbeitskäm­pfe.

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Foto: iStock/SIphotogra­phy In der Tarifrunde 2018 wird es der IG Metall nicht nur um Lohn gehen, sondern auch um die Arbeitszei­t.

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