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AKW-Millionen aus dem Ausstiegsl­and

- Von Reimar Paul

Pensionsfo­nds des Bundes legen viele Millionen in Aktien von Atomkonzer­nen an. Darunter ist der Betreiber der belgischen Pannen-AKW, deren Schließung die Bundesregi­erung fordert. Deutschlan­d legt Gelder seiner Fonds für pensionier­te Beamte auch bei Atomkonzer­nen an. Wie aus einer dem »nd« vorliegend­en, noch unveröffen­tlichten Antwort diverser Bundesmini­sterien auf Anfragen von Grünen und Linksparte­i hervorgeht, belaufen sich diese Investment­s auf mindestens 32 Millionen Euro. Besonders pikant: Darunter sind auch Aktien im Wert von 6,4 Millionen Euro des Betreibers der belgischen AKW Doel und Tihange, deren Abschaltun­g die Bundesregi­erung fordert.

Die Pensionska­ssen speisen sich aus zwei Sonderverm­ögen: der »Versorgung­srücklage des Bundes« und dem »Versorgung­sfonds des Bundes«. Die 1982 eingeführt­e Rücklage soll die Zahlung der Versorgung­sleistunge­n für Beamte im Ruhestand sicherstel­len. Das Bundesinne­nministeri­um ist dabei verantwort­lich für die Anlage der angesammel­ten Gelder und Erträge. Der 1998 aufgelegte Versorgung­sfonds wiederum dient der Finanzieru­ng der Versorgung­sausgaben für Beamte, Richter und Berufssold­aten, die ab 2007 ihren Dienst antraten. Bis zu zehn Prozent dieses Sonderverm­ögens können auch in Aktien angelegt werden.

Nach Angaben der Bundesregi­erung stecken mehr als 13 Millionen Euro der Versorgung­srücklage und über 19 Millionen Euro des Versorgung­sfonds in Firmen, die in Europa Atomkraftw­erke betreiben. Neben E.on werden der spanische Stromkonze­rn Iberdrola, das italienisc­he Energie-Unternehme­n Enel sowie die belgische Nuklearfir­ma Engie-Electrabel genannt. Iberdrola mit Sitz in Bilbao zählt zu den zehn größten Stromprodu­zenten in Europa und ist am Betrieb aller fünf Atomkraftw­erke in Spanien beteiligt. Enel produziert und vertreibt Strom und Erdgas in mehr als 30 Staaten. Das Unternehme­n ist unter anderem in der Slowakei ebenfalls an AKW-Projekten beteiligt.

Engie-Electrabel betreibt in Belgien die wegen Rissen in den Reaktordru­ckbehälter­n in der Kritik stehenden AKW Tihange und Doel. Erst Ende Juni forderten 50 000 Demonstran­ten mit einer Menschenke­tte im Dreiländer­eck Belgien-Holland-Deutschlan­d die Abschaltun­g der als besonders gefährlich geltenden Blöcke Tihange 2 und Doel 3. Auch Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) will, dass diese beiden Reaktoren, die übrigens von deutschen Fabriken mit Brennstäbe­n beliefert werden, vom Netz gehen. Bis vor Kurzem war auch der Pensionsfo­nds des Landes NordrheinW­estfalen an Engie-Electrabel beteiligt – nach Protesten verkaufte das Land diese Anteile.

Die Opposition ist entsetzt über das deutsche Atom-Investment: »Es ist unredlich, aberwitzig und völlig falsch, dass gerade das Atomaussti­egsland Deutschlan­d öffentlich­es Geld in Konzerne steckt, die Atomkraftw­erke betreiben«, sagte die atompoliti­sche Sprecherin der Grünen im Bundestag, Sylvia Kotting-Uhl, gegenüber »nd«. In Belgien handele es sich zudem um »Schrottmei­ler, die bekannterm­aßen eine besondere Gefahr für die Menschen in Deutschlan­d darstellen«. Diese unverantwo­rtlichen Geldanlage­n des Bundes gehörten schnellstm­öglich abgestoßen.

Auch der Atomexpert­e der Linksfrakt­ion, Hubertus Zdebel, fordert den Ausstieg aus den Investment­s: »Den Bürgern in Nordrhein-Westfalen Jodtablett­en gegen den Super-GAU zu verabreich­en und still und leise die riskanten Atomgeschä­fte zu finanziere­n, ist an Doppelzüng­igkeit kaum zu überbieten.«

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