Meister müssen aufsteigen
Der Deutsche Fußball-Bund verhilft den Regionalligisten mit seinem eiligen Vorschlag zur Aufstiegsregelung nicht zu mehr Gerechtigkeit
Mit der Regionalligareform 2012 hat sich der DFB schon aus der Verantwortung gestohlen. Nun will er wieder vorschnell Tatsachen schaffen. Kritik gab es damals wie heute. Plötzlich könnte alles ganz schnell gehen. »Unser Ziel ist die Verabschiedung der neuen Struktur durch den DFB-Vorstand im Dezember«, kündigte Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, am Mittwoch an. Es geht um die Aufstiegsregelung von der Regionalliga in die 3. Liga, die seit ihrer Einführung im Jahr 2012 in der Kritik steht. Damals wurden aus drei Regionalligen fünf – die Sieger der Staffeln Nord, Nordost, West, Bayern, Südwest sowie der Südwest-Zweite spielen seitdem in drei Relegationsduellen drei Aufsteiger aus. Die Regionalliga ist also die einzige deutsche Spielklasse, in der der Meister nicht direkt aufsteigt.
Nun will der DFB handeln. Noch im September plant er Gespräche mit den 92 Vereinen aus der Regionalliga und den 20 Drittligisten. »Anfang Oktober möchten wir den Spielausschuss offiziell mit der Prüfung beauftragen«, verspricht Grindel. Abschließend sollen dann noch mal alle Landes- und Regionalverbände die Ergebnisse gemeinsam beraten.
Das ist ein sehr ambitionierter Zeitrahmen. Vielleicht wurde er aber auch absichtlich so knapp gesetzt, um Druck für eine schnelle Lösungsfindung aufzubauen und weniger Diskussionen führen zu müssen. Denn Reinhard Grindel präsentierte gleich sein favorisiertes Modell: »Von fünf Staffelsiegern steigen vier auf.« Recht vage ist die noch die Vorstellung der Umsetzung. Es kursiert die Idee eines Fünfjahresplans, in dem festgelegt wird, welche der Erstplatzierten in diesem Zeitraum direkt aufsteigen. Die anderen beiden Meister müssten den vierten Aufsteiger wiederum in einem Relegationsspiel ermitteln.
Reinhard Grindel findet diese Lösung »einfach und gerecht.« Allein dafür wird der DFB-Präsident viel Widerspruch erfahren. Michael Welling, Manager von Rot-Weiss Essen, for- derte im April stellvertretend für alle Regionalligisten die Einhaltung des »sportmoralischen« Prinzips: »Meister müssen aufsteigen!« Dies tat er in einem offenen und sehr ausführlichen Brief an Rainer Koch. Der ist als DFB-Vizepräsident für den Amateurbereich zuständig. Zugleich war er der Motor der Regionalligareform zur Saison 2012/2013, von der seine Basis am meisten profitierte. Denn Koch ist auch Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes und des Süddeutschen Fußball-Verbandes – und so bekam Bayern seine eigene Regionalliga und die Staffel Südwest gleich zwei Relegationsplätze.
Kein Wunder also, dass Koch und der DFB fortan ihre Reform vehement verteidigten und sich trotz zahlreicher Proteste jahrelang vor einer erneuten Entscheidung gedrückt haben. Früher sind »reihenweise Klubs in die Insolvenz gegangen«, sagte Koche Ende März und meinte damit die Zeit vor 2012. Als Grund nannte er die für viele Klubs nicht bezahlbare »dreigleisige Regionalliga« mit viel längeren Reisen und weniger attrak- tiven Derbys. Wenn jetzt Vereine in der Viertklassigkeit finanzielle Probleme haben, läge es nur noch an ihnen selbst, lobt Koch die neue Struktur weiterhin.
Auch in diesem Punkt sind viele Vereine anderer Meinung. »Der DFB hat kein Interesse an der Regionalliga, sie ist ein lästiges Anhängsel«, sagte Claus-Dieter Wollitz, Trainer von Energie Cottbus, gegenüber »nd«. Folkert Bruns hat als Geldgeber des Goslarer SC ähnliche Erfahrungen gemacht: »Der DFB beschäftigt sich mit Bayern München und Dortmund, da geht’s um Hunderte von Millionen und die Amateure sind völlig außen vor.«
Wollitz und Bruns eint die Meinung, sie sprechen aber für zwei verschiedene in der Viertklassigkeit vertretene Fraktionen. Auf der einen Seite der große Traditionsverein und ehemalige Bundesligist Energie Cottbus, der schnellstmöglich aus der Regionalliga Nordost wieder raus will. Für den Goslarer SC war die Regionalliga Nord bis zum Abstieg 2016 tatsächlich die »Champions League der Amateure«, wie Rainer Koch die- se Spielklasse gern nennt. Mehr ist für den kleinen Klub nur kaum möglich. Wirklich willkommen fühlten sich Folkert Bruns und seine Goslarer aber ebenso wenig wie Wollitz und Energie. Und deren Kritik kommt auch nicht von ungefähr: Mit der Strukturreform der Regionalligen vor fünf Jahren entledigte sich der DFB auch seiner Verantwortung. Für Durchführung und Organisation sind seitdem die jeweiligen Regional- und Landesverbände zuständig. Und so endeten 2012 auch die Zahlungen aus dem Vermarktungspool der Übertragungsrechte. Rund 5,3 Millionen Euro hatte der DFB bis dahin pro Saison gezahlt, jeder Verein erhielt einen sechsstelligen Betrag. Nun gibts gar nichts mehr oder nur sehr wenig.
Trotz gegenteiliger Darstellungen des DFB herrscht in den Regionalligen durchaus Unzufriedenheit über Struktur und Bedingungen. Eindeutig ist die Meinung in der Aufstiegsfrage: Wer Meister wird, muss auch aufsteigen. Vielleicht sollten sich Verbände und Vereine etwas mehr Zeit nehmen. Einerseits: Weil schon die Struk- turreform 2012 etwas überhastet beschlossen wurde. Auf dem DFB-Bundestag im Oktober 2010 wurde darüber abgestimmt, ohne dass die jetzt so umstrittene Aufstiegsregelung überhaupt bekannt war. Andererseits: Weil es noch andere und bessere Modelle zur Aufstiegsregelung gibt, als das von DFB-Präsident Grindel favorisierte.
Gerecht wäre es, wenn alle Meister der fünf Regionalligen direkt aufsteigen. Dafür müssten aus der 3. Liga statt bislang drei aber fünf Mannschaften absteigen. Im Zuge dieses Vorschlags wurde auch schon eine Aufstockung der 3. Liga von 20 auf 22 Klubs ins Gespräch gebracht. Auch die Einführung einer zweigleisigen 4. Liga wurde schon diskutiert. Absurd klingt hingegen eine andere Variante, über die der DFB ernsthaft nachdenkt: Um nicht eine ganze Saisonleistung in zwei Relegationsspielen zunichte zu machen, könnte eine Aufstiegsrunde mit fünf oder sechs Mannschaften gespielt werden. Es gibt also jede Menge Gesprächsstoff, eine Entscheidung innerhalb von nur drei Monaten wäre da nur ein Schnellschuss.