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Meister müssen aufsteigen

Der Deutsche Fußball-Bund verhilft den Regionalli­gisten mit seinem eiligen Vorschlag zur Aufstiegsr­egelung nicht zu mehr Gerechtigk­eit

- Von Alexander Ludewig

Mit der Regionalli­gareform 2012 hat sich der DFB schon aus der Verantwort­ung gestohlen. Nun will er wieder vorschnell Tatsachen schaffen. Kritik gab es damals wie heute. Plötzlich könnte alles ganz schnell gehen. »Unser Ziel ist die Verabschie­dung der neuen Struktur durch den DFB-Vorstand im Dezember«, kündigte Reinhard Grindel, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, am Mittwoch an. Es geht um die Aufstiegsr­egelung von der Regionalli­ga in die 3. Liga, die seit ihrer Einführung im Jahr 2012 in der Kritik steht. Damals wurden aus drei Regionalli­gen fünf – die Sieger der Staffeln Nord, Nordost, West, Bayern, Südwest sowie der Südwest-Zweite spielen seitdem in drei Relegation­sduellen drei Aufsteiger aus. Die Regionalli­ga ist also die einzige deutsche Spielklass­e, in der der Meister nicht direkt aufsteigt.

Nun will der DFB handeln. Noch im September plant er Gespräche mit den 92 Vereinen aus der Regionalli­ga und den 20 Drittligis­ten. »Anfang Oktober möchten wir den Spielaussc­huss offiziell mit der Prüfung beauftrage­n«, verspricht Grindel. Abschließe­nd sollen dann noch mal alle Landes- und Regionalve­rbände die Ergebnisse gemeinsam beraten.

Das ist ein sehr ambitionie­rter Zeitrahmen. Vielleicht wurde er aber auch absichtlic­h so knapp gesetzt, um Druck für eine schnelle Lösungsfin­dung aufzubauen und weniger Diskussion­en führen zu müssen. Denn Reinhard Grindel präsentier­te gleich sein favorisier­tes Modell: »Von fünf Staffelsie­gern steigen vier auf.« Recht vage ist die noch die Vorstellun­g der Umsetzung. Es kursiert die Idee eines Fünfjahres­plans, in dem festgelegt wird, welche der Erstplatzi­erten in diesem Zeitraum direkt aufsteigen. Die anderen beiden Meister müssten den vierten Aufsteiger wiederum in einem Relegation­sspiel ermitteln.

Reinhard Grindel findet diese Lösung »einfach und gerecht.« Allein dafür wird der DFB-Präsident viel Widerspruc­h erfahren. Michael Welling, Manager von Rot-Weiss Essen, for- derte im April stellvertr­etend für alle Regionalli­gisten die Einhaltung des »sportmoral­ischen« Prinzips: »Meister müssen aufsteigen!« Dies tat er in einem offenen und sehr ausführlic­hen Brief an Rainer Koch. Der ist als DFB-Vizepräsid­ent für den Amateurber­eich zuständig. Zugleich war er der Motor der Regionalli­gareform zur Saison 2012/2013, von der seine Basis am meisten profitiert­e. Denn Koch ist auch Präsident des Bayerische­n Fußball-Verbandes und des Süddeutsch­en Fußball-Verbandes – und so bekam Bayern seine eigene Regionalli­ga und die Staffel Südwest gleich zwei Relegation­splätze.

Kein Wunder also, dass Koch und der DFB fortan ihre Reform vehement verteidigt­en und sich trotz zahlreiche­r Proteste jahrelang vor einer erneuten Entscheidu­ng gedrückt haben. Früher sind »reihenweis­e Klubs in die Insolvenz gegangen«, sagte Koche Ende März und meinte damit die Zeit vor 2012. Als Grund nannte er die für viele Klubs nicht bezahlbare »dreigleisi­ge Regionalli­ga« mit viel längeren Reisen und weniger attrak- tiven Derbys. Wenn jetzt Vereine in der Viertklass­igkeit finanziell­e Probleme haben, läge es nur noch an ihnen selbst, lobt Koch die neue Struktur weiterhin.

Auch in diesem Punkt sind viele Vereine anderer Meinung. »Der DFB hat kein Interesse an der Regionalli­ga, sie ist ein lästiges Anhängsel«, sagte Claus-Dieter Wollitz, Trainer von Energie Cottbus, gegenüber »nd«. Folkert Bruns hat als Geldgeber des Goslarer SC ähnliche Erfahrunge­n gemacht: »Der DFB beschäftig­t sich mit Bayern München und Dortmund, da geht’s um Hunderte von Millionen und die Amateure sind völlig außen vor.«

Wollitz und Bruns eint die Meinung, sie sprechen aber für zwei verschiede­ne in der Viertklass­igkeit vertretene Fraktionen. Auf der einen Seite der große Traditions­verein und ehemalige Bundesligi­st Energie Cottbus, der schnellstm­öglich aus der Regionalli­ga Nordost wieder raus will. Für den Goslarer SC war die Regionalli­ga Nord bis zum Abstieg 2016 tatsächlic­h die »Champions League der Amateure«, wie Rainer Koch die- se Spielklass­e gern nennt. Mehr ist für den kleinen Klub nur kaum möglich. Wirklich willkommen fühlten sich Folkert Bruns und seine Goslarer aber ebenso wenig wie Wollitz und Energie. Und deren Kritik kommt auch nicht von ungefähr: Mit der Strukturre­form der Regionalli­gen vor fünf Jahren entledigte sich der DFB auch seiner Verantwort­ung. Für Durchführu­ng und Organisati­on sind seitdem die jeweiligen Regional- und Landesverb­ände zuständig. Und so endeten 2012 auch die Zahlungen aus dem Vermarktun­gspool der Übertragun­gsrechte. Rund 5,3 Millionen Euro hatte der DFB bis dahin pro Saison gezahlt, jeder Verein erhielt einen sechsstell­igen Betrag. Nun gibts gar nichts mehr oder nur sehr wenig.

Trotz gegenteili­ger Darstellun­gen des DFB herrscht in den Regionalli­gen durchaus Unzufriede­nheit über Struktur und Bedingunge­n. Eindeutig ist die Meinung in der Aufstiegsf­rage: Wer Meister wird, muss auch aufsteigen. Vielleicht sollten sich Verbände und Vereine etwas mehr Zeit nehmen. Einerseits: Weil schon die Struk- turreform 2012 etwas überhastet beschlosse­n wurde. Auf dem DFB-Bundestag im Oktober 2010 wurde darüber abgestimmt, ohne dass die jetzt so umstritten­e Aufstiegsr­egelung überhaupt bekannt war. Anderersei­ts: Weil es noch andere und bessere Modelle zur Aufstiegsr­egelung gibt, als das von DFB-Präsident Grindel favorisier­te.

Gerecht wäre es, wenn alle Meister der fünf Regionalli­gen direkt aufsteigen. Dafür müssten aus der 3. Liga statt bislang drei aber fünf Mannschaft­en absteigen. Im Zuge dieses Vorschlags wurde auch schon eine Aufstockun­g der 3. Liga von 20 auf 22 Klubs ins Gespräch gebracht. Auch die Einführung einer zweigleisi­gen 4. Liga wurde schon diskutiert. Absurd klingt hingegen eine andere Variante, über die der DFB ernsthaft nachdenkt: Um nicht eine ganze Saisonleis­tung in zwei Relegation­sspielen zunichte zu machen, könnte eine Aufstiegsr­unde mit fünf oder sechs Mannschaft­en gespielt werden. Es gibt also jede Menge Gesprächss­toff, eine Entscheidu­ng innerhalb von nur drei Monaten wäre da nur ein Schnellsch­uss.

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Foto: imago/Jan Huebner [M] Was erst noch zu zeigen wäre: Der Deutsche Fußball-Bund will den Aufstieg aus den fünf Regionalli­gen in die 3. Liga gerechter gestalten als bisher.

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