Die Anerkennung erleichtert
Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit erleichtert. Kann ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung eine einzelne, aber wesentliche Tätigkeit nicht mehr ausüben, muss das bei dem sich daraus ergebenden Anspruch auf eine private Berufsunfähigkeitsrente berücksichtigt werden.
Das geht aus einem Urteil des BGH (Az. IV ZR 535/15) hervor, das am 10 August 2017 veröffentlicht wurde.
Im konkreten Fall hatte eine frühere, in einer Münchener Anwaltskanzlei beschäftigte Hauswirtschafterin, die dort in Vollzeit beschäftigt war, geklagt. Zu ihren Aufgaben gehörte das Putzen der Kanzleiräume, das Einkaufen und das Kochen für bis zu 30 Personen.
Nachdem die Frau nach einem Treppensturz im März 2007 Wirbelsäulenprobleme hatte und an Depressionen erkrankt war, konnte sie wegen Dauerbeschwerden an der Wirbelsäule nicht mehr schwer tragen. Ihre Tätigkeit in der Kanzlei musste sie daher aufgeben. Seit 2011 ist sie mit leichten Tätigkeiten in einem Privathaushalt beschäftigt.
Sie beanspruchte daraufhin Leistungen von ihrer privaten Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Nach den Versicherungsbedingungen werden Leistungen bei mindestens 50prozentiger Berufsunfähigkeit gezahlt.
Gutachter stellten indes fest, dass die körperlichen und psychischen Beschwerden jeweils nur eine Berufsunfähigkeit von 20 Prozent begründen. Zwar könne die Frau keine schweren Einkäufe heben und damit nicht ihrer Arbeit in der Küche nachkommen. Zeitlich mache das aber nur einen kleinen Teil ihrer Tätigkeit aus, so dass der Berufsunfähigkeitsgrad nicht weiter angehoben werden könne.
Dem widersprach nun der BGH und verwies das Verfahren zur erneuten Prüfung an das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart zurück. Die Klägerin könne einer wesentlichen Tätigkeit nicht mehr nachkommen. Auch wenn der wöchentliche Einkauf nur einen kleinen Teil ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung ausmache, wirke sich das auf die gesamte berufliche Tätigkeit aus. Ohne die Einkäufe könne sie nicht die Kantine führen und auch nicht für die anderen Mitarbeiter kochen, befanden die Richter. Dieser Umstand müsse bei der Bemessung der Berufsunfähigkeit stärker berücksichtigt werden.
Der Versicherer dürfe, so das Gericht, die Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung nicht kleinrechnen, denn maßgeblich sei die Beeinträchtigung der gesamten Arbeit bei der Berechnung, nicht nur der Zeitanteil einzelner Tätigkeiten, die der Versicherte nicht mehr ausüben kann. Auch die psychische Erkrankung habe der Sachverständige fehlerhaft und widersprüchlich bewertet.
Nach dem aktuellen Urteil des BGH soll nun das Oberlandesgericht Stuttgart den Fall neu überprüfen und den Grad der Berufsunfähigkeit neu festsetzen. Agenturen/nd