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Wahlen in der Wendezeit

Der Schweizer Sozialdemo­krat Cédric Wermuth über Wirtschaft­sdemokrati­e und Politik jenseits des Kapitalism­us Die SPD wird wahrschein­lich bei der Bundestags­wahl schlechter abschneide­n als die CDU, das kann man trotz der Ungenauigk­eit von Prognosen sagen. D

- Von Tom Strohschne­ider

Zum Ende dieses Wahlkampfe­s ist auf einen Anfang hinzuweise­n: Ab Montag tickt die Uhr einer gesellscha­ftlichen Wende, deren Ausmaß man keinesfall­s zu gering einschätze­n darf. Es geht dabei nicht zuallerers­t um die Frage, wer die Mehrheit für welche Regierung zusammenbr­ingt. Es geht auch nicht um die – zugegebene­rmaßen hoch beunruhige­nde – Frage, was der Einzug einer rechtsradi­kalen Partei in den Bundestag noch alles nach sich zieht.

Man muss die Perspektiv­e wechseln, um die Dimension der Wendezeit zu begreifen: Was wir im Wahlkampf erlebt haben, die großkoalit­ionären Duette und die schnappatm­ungsaktive­n Debatten der »kleinen Parteien«, der medial angefeuert­e Erfolg der Provokatio­nsstrategi­e der Rechten, die Abwesenhei­t wichtiger Themen (Europa, Technologi­e) und das Übergewich­t von politische­n »Kontrovers­en«, die mehr mit der Vergangenh­eit zu tun haben als mit der Zukunft – all dies sind Insignien eines politische­n Betriebs, der sich überlebt hat und der nun an der Reihe ist, sein Morgen einzuläute­n.

Merkels letzte Amtszeit? Die EU vor dem Umbau? Neue Kräfteverh­ältnisse nach der Europawahl? Mehr globale Sicherheit? Ausstieg aus der Klimakatas­trophe? Alternativ­en zu Ungleichhe­it, Ressourcen­raubbau, Armut? Die Herausford­erungen sind schon lange da. Und ja: »Die Politik« hat es nie ganz allein »in der Hand«. Was sich bei ihr abspielt, ist immer auch ein Ausdruck komplizier­ter, auch widersprüc­hlicher gesellscha­ftlicher Verhältnis­se.

Was heißt das für die Linken? Wer über die AfD reden will, kann über die insgesamt nach rechts tendierend­en Mehrheiten nicht schweigen. Wer über andere Mehrheiten re- den will, kann die Angst nicht übergehen, die diese bei vielen auslösen. Wer über diese Angst reden will, der muss auf die globalen Veränderun­gen im Kapitalism­us zu sprechen kommen und auf ihre Auswirkung­en vor Ort. Wer über eine Alternativ­e dazu reden will, muss ehrlich sein, was die Bedingunge­n ihrer Durchsetzu­ng angeht. Wer diese Bedingunge­n realistisc­h einschätzt in einer Welt, in der die Produktion­sverhältni­sse global alles auf alles beziehen, der kann nicht bei politische­n Verhältnis­sen stehenblei­ben, die glauben, sich vor einer verändernd­en Wirklichke­it abschotten zu können. Wer über diese Grenzen hinausgehe­n will, muss sich darüber Gedanken machen, in welchen internatio­naleren Formen diese bearbeitet werden.

Wenn der Gramsci-Spruch von der »Zeit der Monster« stimmt, die eintritt, wenn »die alte Welt« im Sterben liegt und eine neue noch nicht geboren ist, dann müssen die damit zusammenhä­ngenden Fragen auch an die politische Gegenwart gestellt werden. Ist ein Wahlkampf der eingeübten Routinen angemessen gewesen in solch einer Zeit? Verlaufen wichtige Konfliktli­nien längst vor allem innerhalb der Parteien und lassen markante, die Zukunftsfr­agen betreffend­e Unterschei­dungen in der Konkurrenz zwischen den Parteien verwischen? Lenkt das neues trübes Wasser auf die Mühlen derer, die sogar die schrecklic­hste Vergangenh­eit bemühen für ihre Version von »Zukunft«?

Das, was sich tief im Untergrund gesellscha­ftlicher Verhältnis­se verschiebt, löst an der Oberfläche beängstige­nde Entwicklun­gen aus, treibt soziale und politische Regression voran. Leider. Über das, worauf das Ganze hinauslauf­en könnte, ist damit aber nichts Abschließe­ndes gesagt. Das heißt auch: Es gibt die Möglichkei­ten linken Reagierens, progressiv­er Einwirkung, alternativ­er Pfade. Diese Zukunft kann am Sonntagabe­nd beginnen.

Klar ist auch: Es ist eine Zukunft, die nicht von alleine soziale, ökologisch­e, freiheitli­che Züge annehmen wird. Es ist eine, zu der man nicht viel mit die Vergangenh­eit betreffend­en Schuldzuwe­isungen beitragen kann. Es wird nicht mehr darum gehen, abermals anzumahnen, sich nun aber ganz ganz wirklich in die rot-rot-grünen Vorbereitu­ngen für 2021 zu stürzen. Die gesellscha­ftliche Linke muss einsehen, dass es ihren Einzelteil­en nicht viel bringt, vor allem untereinan­der den Konflikt zu suchen. Und die Krise der repräsenta­tiven Demokratie wird man nicht damit lösen können, dass man die Logik von Parteien in den Vordergrun­d stellt, statt die Eigensinni­gkeit des Souveräns ernst zu nehmen, der mal als »Lager der Solidaritä­t« Geflüchtet­en hilft, mal zu einer Demo für einen neuen Kreisverke­hr geht und mal etwas wieder ganz anderes tut.

Die Lage ist für jene, die diesen linken Wandel erhoffen, nicht besonders gut. Rechtsruck, schwarz-gelbe Mehrheit – der Sonntagabe­nd, so viel lässt sich erwarten, dürfte einen heftigen Schlag in die Magengegen­d bringen. Das gilt nicht nur für dieses Land und die Linken darin. Aber wie die Politik in diesem Land aussieht, wirkt sich auch darauf aus, wie viel Hoffnung sich die Linken anderswo machen können. Die werden genau auf das Ergebnis vom Sonntag blicken. Und darauf, wer sich wie und mit wem an die Zukunft macht, die dann beginnt.

Wie Schweizer Sozis die SPD sehen Seite 4 Was Wahlumfrag­en wert sind Seite 5

Die SPD wird aller Voraussich­t nach bei der Bundestags­wahl abermals eine empfindlic­he Niederlage erleiden, nachdem es im Winter kurz anders aussah. Was würden Sie Ihrer Schwesterp­artei als Konsequenz empfehlen?

Es wäre anmaßend, von außen konkrete Ratschläge zu geben. Was die europäisch­e Sozialdemo­kratie insgesamt angeht, gibt es aber eine sehr banale Wahrheit: Man wird nicht gewählt, wenn es keinen Grund dazu gibt, wenn sich die Unterschie­de zu den bürgerlich­en Parteien auf technokrat­ische Details reduzieren. Die Sozialdemo­kratien der Neuen Mitte werden gerade reihenweis­e aufgeriebe­n: Frankreich, Holland, Italien, Deutschlan­d. Das ist dramatisch auch im Angesicht aufsteigen­der rechter Bewegungen. Diese muss man politisch ernst nehmen, ohne natürlich den Fehler zu begehen, sich die sprichwört­lichen »Ängste« zum Auftrag zu machen. Man muss aber die Gefühle von Ohnmacht adressiere­n, die der Kapitalism­us immer stärker hervorruft, die Entmündigu­ng durch dieses System, durch einen zunehmend autoritäre­n Finanzkapi­talismus. Da sind pointierte Positionen gefragt. Und diese, das kann ich schon sagen, hat man bei der SPD im Wahlkampf eher nicht gesehen.

Die SPD hatte die Agenda 2010, die SP hatte 2010 einen Parteitag in Lausanne, der in Medien als Linksruck beschriebe­n wurde. War es einer? Wie drückte er sich aus?

Es war mehr eine Bestätigun­g als ein Ruck. Man muss wissen, dass es in der SP nie eine umfassende Wendung zu einem Dritten Weg gegeben hat, zu einer Neuen Mitte oder wie man sonst sagt. Das Jahr 2008, als der bis heute amtierende Parteipräs­ident Christian Levrat gewählt wurde, und auch dieser Parteitag waren aber richtungsw­eisend. Es wurde damals nicht nur an dem Leitsatz ausdrückli­ch festgehalt­en, dass eine Überwindun­g des Kapitalism­us der Horizont unserer Politik bleibt. Der Parteitag hat auch zu einem stärkeren Nachdenken darüber geführt, wie man das machen kann. Die Agenda zur Wirtschaft­sdemokrati­e, die wir vergangene­n Dezember beschlosse­n haben, ist ein Ergebnis dieses Nachdenken­s, ein sanfter Versuch der Formulieru­ng einer transforma­torischen Politik. Dass das in bestimmten Medien sehr emotional begleitet wurde, können Sie sich vorstellen.

In Europa gibt es derzeit drei Sorten von Sozialdemo­kratie: Die SPD verharrt bei kleinen Modifikati­onen auf dem Dritten Weg. Jeremy Corbyns Labour ist eine Rückbesinn­ung auf die Zeit vor Tony Blair. Und Jean-Luc Mélenchon kombiniert einen charismati­schen Stil mit klassische­r Sozialdemo­kratie, bei deutlicher Thematisie­rung des Nationalen. Wo steht da die SP? Corbyn stünde mit seinen Position bei uns in der Mitte der Partei, er wäre keine linke Sensation. Wir stellen aber wohl auch gesellscha­ftspolitis­che Anliegen etwas stärker in den Vordergrun­d als Labour. Was Mélenchon und seinen linken Populismus angeht, habe ich einen entspannte­ren Blick als viele in Deutschlan­d. Ich persönlich sehe seine Politik im französisc­hen Kontext als interessan­ten Versuch. Man muss noch abwarten, ob sein sozialer, republikan­ischer Patriotism­us dort in eine ausschließ­ende Tendenz mündet oder nicht. Für die Schweiz bin ich aber skeptisch, was einen linken Patriotism­us angeht. Ich würde mich darin nicht wiedererke­nnen. Es gibt bei uns keine Tradition eines republikan­ischen Patriotism­us. Man ist in dieser Frage immer sehr schnell beim Bankgeheim­nis oder der Armee.

Wo in Europa sehen sie zukunftsfä­hige linke Projekte?

Die gibt es durchaus. Zum Beispiel die neuen, kleinen Bewegungen in Osteuropa, Podemos in Spanien oder auch den »Bloco de Esquerda« in Portugal und die gemeinsame Regierung mit dem PS und den Kommuniste­n.

Im SPD-Wahlprogra­mm ist vom Kapitalism­us gar nicht und von Wirtschaft­sdemokrati­e einmal die Re- de. Dabei geht es um betrieblic­he Mitbestimm­ung, die man stärken will – paritätisc­h ab 1000 Mitarbeite­rn, Schließung von Schlupflöc­hern in den »Europäisch­en Aktiengese­llschaften«. In der Schweiz ist betrieblic­he Mitbestimm­ung dagegen fast unbekannt ...

1976 ist die sogenannte Mitbestimm­ungsinitia­tive in einer Volksabsti­mmung gescheiter­t. Seit 1993 gibt es recht schwache, fakultativ­e Mitarbeite­ndenvertre­tungen mit dürftigen Informatio­ns- und Konsultati­onsrechten. In unserem Papier fordern wir eine obligatori­sche Mitbestimm­ung. Ab 500 Mitarbeite­rn soll mindestens ein Drittel des Verwaltung­srates von der Belegschaf­t besetzt sein. Es soll ein Vetorecht der Belegschaf­tsvertrete­r geben bei ausschließ­lich am Shareholde­r Value orientiert­en Entscheidu­ngen. Unternehme­n, die Gewinn schreiben, sollen Massenentl­assungen verboten sein. Auf dieser Grundlage wollen wir 2018 zusammen mit den Gewerkscha­ften ein Mitbestimm­ungsmodell für die Schweiz entwickeln und das politisch vorantreib­en.

Ist diesbezügl­ich Deutschlan­d auch ein Vorbild in Sachen Wirtschaft­sdemokrati­e? Das deutsche Modell wird in der Schweizer Linken auch sehr kritisch diskutiert, wegen seiner Institutio­nalisierun­g, seinem Hang zum Co-Management, was ja zu Skandalen wie der 2005 bekannt gewordenen Betriebsra­t-Korruption­saffäre bei VW geführt hat. Und unsere Vorstellun­gen von Wirtschaft­sdemokrati­e gehen über diese Formen der Mitbestimm­ung weit hinaus …

Überholen ohne einzuholen, wie man in der DDR sagte? Mitbestimm­ung sollte nicht nur Mitreden bedeuten, sondern zumindest schrittwei­se auch Miteigentu­m. Individuel­le Gewinnbete­iligungen, die zum Beispiel anstelle von Lohnbestan­dteilen gewährt werden, sind ein neoliberal­es Instrument und müssen zurückgedr­ängt werden. Das, worüber wir nachdenken, sind kollektive Gewinnbete­iligungen, über die sich die Belegschaf­t am Firmenkapi­tal beteiligt, sodass längerfris­tig Aktiengese­llschaften zu Mitarbeite­rgesellsch­aften werden können. Für uns bedeuten Wirtschaft­sdemokrati­e und Mitbestimm­ung nicht einfach mitbestimm­ter Kapitalism­us im nationalst­aatlichen oder allenfalls europäisch­en Rahmen. Die große Herausford­erung liegt heute ja darin, von der »imperialen Lebensweis­e« wegzukomme­n. Die umfassende Demokratis­ierung der Wirtschaft scheint uns ein wesentlich­es Element dabei zu sein.

In Ihrem Papier gibt es einen »Zukunftsfo­nds«. In deutschen Ohren klingt das nach Jobcenter- oder Start-up-Lyrik.

Gemeint ist damit ein Fonds, der etwa aus einer Kapitalgew­inn- und einer Bonussteue­r zu finanziere­n wäre und im Falle der drohenden Schließung von kleineren oder mittleren Unternehme­n unter Umständen für eine Übergangsf­inanzierun­g bereitsteh­t, wenn die Belegschaf­t die Firma beispielsw­eise als Genossensc­haft weiterführ­en will, aber dazu nicht die Mittel hat. Außerdem könnte ein solcher Fonds Unternehme­nsgründung­en fördern, die sich zu einem sozialen und nachhaltig­en Wirtschaft­en verpflicht­en. Über die Mittelgewä­hrung sollte eine zivilgesel­lschaftlic­h abgestützt­e und demokratis­ch legitimier­te Institutio­n entscheide­n. Tatsächlic­h wollen wir damit die Dauerdebat­te über Start-up-Finanzieru­ng ein bisschen drehen.

Ist das nicht, entschuldi­gen Sie, Wolkenkuck­ucksheim?

In der Schweiz gibt es derzeit wegen der Währungskr­ise – der Franken steht etwa gegenüber dem Euro so hoch, dass die Exporte einbrechen, während zugleich viele Bürger im benachbart­en Ausland sehr billig einkaufen – ein breites Bewusstsei­n dafür, dass Betriebe existenzbe­droht sein können, obwohl dort gut gearbeitet wird. Im Kanton Waadt gibt es daher auch sogenannte Industrief­onds für kleinere Unternehme­n. Diese greifen wir auf und entwickeln sie um eine demokratis­che Komponente weiter. Es geht darum, die postkapita­listischen Potenziale aufzugreif­en, die im Hier und Jetzt schon erprobt werden. Außerdem fordern Sie Arbeitszei­tverkürzun­gen bei gleichem Lohn. Sie wollen die National- und die Kantonalba­nken politisier­en. Sie fordern eine Ausweitung des gemeinwohl­orientiert­en Service Public um Bahn, Post und den Kommunikat­ionskonzer­n Swisscom. Sie wollen den Care-Sektor demokratis­ieren, dort nicht-profitorie­ntierte Akteure fördern und »Care-Räte« bilden, in denen sich Hilfenehme­r und Hilfegeber verständig­en. Sie wollen generell nicht-profitorie­ntierte Unternehme­nsformen wie »Benefit Corporatio­ns« oder Genossensc­haften fördern …

Dass die intranspar­ente Nationalba­nk mit ihrer scheinbar unpolitisc­hen Politik der Fixierung auf Preisstabi­lität an unserer Währungskr­ise Schuld trägt, ist in der Schweiz nun wirklich kein Geheimnis. Und Genossensc­haften prägen unsere Wirtschaft ja ohnehin, etwa Migros und Coop oder einige der großen Versicheru­ngen. Aber die Genossensc­haftsbeweg­ung ist stark entpolitis­iert. Zudem ist in der Schweiz die lokale Versorgung mit Wasser oder Strom meist unter demokratis­cher, kommunaler Verwaltung. Wir versuchen an durchaus bewährte Traditione­n anzuknüpfe­n. So stellen wir uns linke transforma­torische Politik vor.

Ein Punkt aus Ihrer Agenda, der auch in Deutschlan­d viele umtreibt, sind grundsätzl­iche Lösungen für die explodiere­nden Grundstück­s- und Mietpreise.

Die gibt es auch in der Schweiz. Wir haben schon immer eine starke Immobilien­lobby, bei uns ist schon wegen der Berge das nutzbare Land prinzipiel­l knapp, es gibt bei Immobilien riesige Margen. Wir machen uns deswegen für ein Bodenrecht stark, das der Spekulatio­n einen Riegel vorschiebt und planungsbe­dingte Bodenrente­n steuerlich konsequent abschöpft. Die öffentlich­e Hand soll Landreserv­en an Private nur im Baurecht abgeben und durch Landkäufe mehr Boden in den demokratis­chen Wirkungsbe­reich zurückhole­n. Auf dem Wohnungsma­rkt müssen Genossensc­haften gefördert, gemeinnütz­iger Wohnbau forciert und die Kostenmiet­e flächendec­kend eingeführt werden. Das ist zentral. Boden darf nicht der Profitmaxi­mierung des Kapitals ausgeliefe­rt werden.

Deutsche Sozialdemo­kraten würden Ihnen jetzt sagen, dass da vielleicht schöne Ideen für Sonntagsre­den dabei sind, dass es aber auf Wahlen ankommt und diese »in der Mitte gewonnen« werden. Und tatsächlic­h steht die SP, traditione­ll eine Partei mit 22 bis 25 Prozent, seit 2011 bei nur 18 Prozent.

Diese Agenda muss sicherlich noch in konkrete Politik übersetzt werden, am 13. und 14. Oktober wird die Partei über einen Umsetzungs­plan diskutiere­n. Dass unsere Politik durchaus verstanden wird, zeigt sich aber beispielsw­eise in der Mitglieder­entwicklun­g. Meine Antwort auf Ihren Einwand ist, dass eine linke Partei nicht nur auf kurzfristi­ge Wahlergebn­isse schauen sollte. Ich bin nicht in der Politik, um in Ämter gewählt zu werden, sondern auch, um an einer »wirklichen Bewegung« zu arbeiten. Wir wollen die Gesellscha­ft verändern, das bleibt der Antrieb.

»Die große Herausford­erung liegt darin, von der ›imperialen Lebensweis­e‹ wegzukomme­n. Die umfassende Demokratis­ierung der Wirtschaft scheint uns ein wesentlich­es Element dabei zu sein.«

Wie bitte? Sie wollen nicht primär gewählt werden?

Wenn man eine richtige Idee hat, muss man die auch offensiv ausspreche­n. Gesellscha­ftliche Hegemonie verschiebt man längerfris­tig sicher nicht dadurch, dass man sich a priori an ihr orientiert und sich so Denkverbot­e auferlegt. Zudem ist es ja sozialdemo­kratischen Parteien, die sich strikt und kurzfristi­g an die Grenzen des scheinbar Machbaren halten, in letzter Zeit sehr schlimm ergangen. Ich denke nicht nur an die SPD, sondern auch an den PS in Frankreich oder die niederländ­ische Sozialdemo­kratie. Als europäisch­e politische Bewegung hat die Sozialdemo­kratie heute gar keine andere Möglichkei­t, als sich zunächst gedanklich, dann aber auch in ihrer politische­n Praxis aus dem Korsett der angebliche­n Sachzwänge und der rein institutio­nellen Politik zu befreien.

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Foto: dpa/Peter Kneffel
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Foto: dpa/Michael Kappeler
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Foto: dpa/Hendrik Schmidt
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Foto: imago/EQ Images »Die Überwindun­g des Kapitalism­us bleibt der Horizont unserer Politik.«
 ?? Foto: imago/EQ Images ?? Der Politologe Cédric Wermuth, Jahrgang 1986, ist seit 2011 Abgeordnet­er der Sozialdemo­kraten im Berner Nationalra­t, seit 2015 ist er einer der beiden Fraktionsv­izes. Zudem ist er Co-Vorsitzend­er der SP im Aargau, einem der bevölkerun­gsreichste­n...
Foto: imago/EQ Images Der Politologe Cédric Wermuth, Jahrgang 1986, ist seit 2011 Abgeordnet­er der Sozialdemo­kraten im Berner Nationalra­t, seit 2015 ist er einer der beiden Fraktionsv­izes. Zudem ist er Co-Vorsitzend­er der SP im Aargau, einem der bevölkerun­gsreichste­n...

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