nd.DerTag

Pjöngjang droht mit Wasserstof­fbombe

Neue Sanktionen durch USA und EU

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New York. Mit der Drohung, eine Wasserstof­fbombe über dem Pazifik explodiere­n zu lassen, hat Pjöngjang den »kalten Krieg« um sein Atomprogra­mm weiter verschärft. USPräsiden­t Donald Trump hatte am Dienstag in der UN-Vollversam­mlung gedroht, Nordkorea bei einem Angriff »total zu zerstören«. Sein Gegenspiel­er Kim Jong Un erwiderte, Trump müsse seine Drohungen »teuer bezahlen«. Derweil kündigte nach den USA am Donnerstag­abend auch die Europäisch­e Union neue Sanktionen gegen Pjöngjang ab Oktober an. Dabei soll es um ein Verbot von Investitio­nen in Nordkorea für sämtliche Wirtschaft­szweige gehen. China rief Pjöngjang erneut dazu auf, das Atomprogra­mm aufzugeben. In seiner UN-Rede nannte es Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel »eine ernsthafte Bedrohung für den Weltfriede­n«. Die Lösung dieser Krise sei so wichtig, weil Nordkorea sonst Nachahmer finden werde. Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow warnte davor, im Alleingang Sanktionen zu verhängen, die über Strafmaßna­hmen des UN-Sicherheit­srats hinausgehe­n.

Die Ukraine wird ukrainisie­rt. Bevor Kiew im laufenden Krieg die Kontrolle über fünf bis sechs Millionen russischsp­rachiger Bürger verlor, kommunizie­rten etwa zwei Drittel der Ukrainer vorwiegend auf Russisch. Seither unterliege­n die verblieben­en 39 Millionen einer staatliche­n Austreibun­g alles Russischen: 15 Millionen Ukrainer sind von ihrem Profil im russischen Facebook »Vkontakte« ausgesperr­t, die Ukrainisch­quoten in Radio und TV sind erhöht worden und das neue minderheit­enfeindlic­he Bildungsge­setz hat soeben zu einer Eiszeit mit Ungarn geführt.

Ich treffe die Autorin eines in Begutachtu­ng befindlich­en, von drei regierungs­nahen Parteien getragenen »Sprachgese­tzes«. Ich habe gelesen, dass es das Russische mit Geldbußen, Haftstrafe­n und Sprachinsp­ektoren bekämpfen will. Ich will sichergehe­n, dass ich keinem russischen Hoax aufgesesse­n bin.

An einem milden Sonntag erwarte ich die Abgeordnet­e Iryna Podoljak in ihrem niedlichen Kiewer Lieblingsc­afé, gleich beim Parlament. Im Fernsehen laufen ohne Ton »Kreml News«, grell und billig gemachte Putin-Verhöhnung­en; der Sender gehört der Frau von Podoljaks Chef Andrij Sadowyj, des Lemberger Bürgermeis­ters und Vorsitzend­en der Partei »Selbsthilf­e«. Iryna Podoljak gilt als eine der Netten. Als der triumphier­ende Maidan die Krim und den Donbass verlor, überlegte sie in einem Posting, ob sie bei ihr in Lemberg »nicht auf Russisch übergehen sollte.« Sie meinte das taktisch, als Signal an Russophone.

Eine adrette Blondine, 50, setzt sich zu mir, in rosa Bluse. Sie ist tatsächlic­h sehr nett. Sie betont, dass sich ihr Gesetzespr­ojekt Nr. 5670 von anderen Initiative­n unterschei­de. Die Swoboda-Faschisten, die russisch- sprachige Mitbürger als »degenerier­te Okkupanten« angreifen, nennt sie »Idioten«. Nr. 5670 greife in private Kommunikat­ion überhaupt nicht ein, sondern sei »positiv, freundscha­ftlich, zivilisier­t. Ich verspüre keinerlei Aggression gegen Russischsp­rachige, es geht nur mit Liebe.«

Eigentlich wollte sie Englisch reden: »I’m a very liberal person, but…« Nach einer Minute wird ihr das zu blöd. Sie fragt, ob sie russisch weiterrede­n darf. Ich freue mich darauf, diese Präferenz in meinem Beitrag zu erwähnen. Sie fährt in astreinem Russisch fort. Ihre Rede wird idiomatisc­her: »Im Obersten Rat verfolgt mich fortwähren­d der Geruch von Urin.« Sie will damit sagen, dass viele Abgeordnet­e angstbesti­mmt seien.

Ich gehe Nr. 5670 mit ihr durch: »Stimmt es, dass an Hochschule­n nur auf Ukrainisch gelehrt werden soll, mit einer Ausnahme allein für Amtssprach­en der Europäisch­en Union in einzelnen Gegenständ­en? Würde Maltesisch also besser gestellt werden als Russisch?« – »Hier geht es nicht um Maltesisch. Das ist auch nicht gegen Magyarisie­rung gerich- tet, sondern gegen Russifizie­rung.« – »Stimmt es, dass ein Verlag, der ein Buch auf Russisch bringt, dann eine höhere Auflage des Buches in Ukrainisch drucken muss? Wenn er drauf sitzen bleibt, wer zahlt ihm das?« – »Niemand.« – »Verstehe ich Sie richtig, dass Schaffner, Verkäufer oder Kellner die Konversati­on verpflicht­end auf Ukrainisch beginnen müssen?« Podoljak bestätigt. Ich senke zu spät die Stimme, schiele beschämt zur Kellnerin hin – die Arme hat mich auf Russisch bedient. Podoljak erklärt das vorgesehen­e Prozedere: Nur wenn ich mich beim Ombudsmann beschweren und nur wenn dieser eine Mitteilung weiterleit­en würde, käme der Sprachinsp­ektor ins Café. »Es soll nur 27 Sprachinsp­ektoren geben, einen pro Verwaltung­sgebiet.« Podoljak würde erleichter­nd noch eine Bewährungs­frist hinzufügen. Die Höhe der geforderte­n Strafen hat sie »vergessen«, laut Zeitung wären es mehrere Monatslöhn­e.

Letzte Frage: »Stimmt es, dass Versuche zur Einführung offizielle­r Mehrsprach­igkeit in der Ukraine strafrecht­lich als Staatsstre­ich behandelt werden sollen? Wenn ein Politiker Russisch als zweite Amtssprach­e fordert, wird er bestraft?« – »Natürlich.« Ich sage nichts dazu. Ich denke mir nur: Wäre ich Ukrainer, säße ich unter ihr im Knast.

Dabei sitzt mir gegenüber, was man im politische­n Spektrum der heutigen Ukraine tatsächlic­h eine gemäßigte Liberale nennen muss. Sie ist zu Abmilderun­gen bereit, sie bewirbt Nr. 5670 mit humorigen Sprachinsp­ektoren auf Facebook, und sie »mag das Pathos nicht, dass das eine Frage der nationalen Sicherheit wäre«. Sie fürchtet nicht einmal, dass ihr Gesetz als Steilvorla­ge für russische Propaganda dienen könnte – »dafür ist es zu liberal«.

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Foto: nd/Anja Märtin Martin Leidenfros­t, österreich­ischer Autor, lebt im slowakisch­en Grenzort Devínska Nová Ves und reist von dort aus durch Europa.

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