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Air Berlin wird zerschlage­n

Gläubiger verhandeln vor allem mit dem deutschen Marktführe­r Lufthansa

- Von Burkhard Fraune und Christian Ebner

Berlin. Nach der grundsätzl­ichen Entscheidu­ng über die Aufteilung der insolvente­n Fluglinie Air Berlin beginnt nun die Detailarbe­it. Die Verhandlun­gen mit bevorzugte­n Bietern werden Airlineche­f Thomas Winkelmann sowie der Generalbev­ollmächtig­te Frank Kebekus und Sachwalter Lucas Flöther fortführen, teilte Air Berlin am Freitag mit. Am kommenden Montag soll dann der Aufsichtsr­at über die Angebote beraten.

Wie am Donnerstag­abend nach Sitzungen der Gläubigera­usschüsse zu erfahren war, hat die Lufthansa große Chancen auf eine Übernahme weiter Teile der Airline. Die Gläubiger verhandeln exklusiv mit dem deutschen Marktführe­r über den Verkauf der Tochter Niki und weiterer Teile. Lufthansa will etwa 80 Mittel- und Kurzstreck­enmaschine­n kaufen. Kleinere Teile könnten dem Vernehmen nach an die britische Easyjet und die Thomas-CookTochte­r Condor gehen. Die Verhandlun­gen sollen bis zum 12. Oktober dauern. Parallel läuft bis 6. Oktober die Gebotsfris­t für die Techniktoc­hter von Air Berlin.

Air Berlin hatte auch die große weite Welt im Angebot. Doch in der Insolvenz der Fluggesell­schaft gelten nur nackte Zahlen. Eine weitere Beschäftig­tengruppe muss um ihre Jobs zittern. Berlin. Verzichtet, gehofft, erduldet und gekämpft: Hans Albrecht wählt deutliche Worte für das, was die Mitarbeite­r bei Air Berlin seit bald zehn Jahren durchmache­n. Seit das erste Sparprogra­mm kam, auf das immer neue folgten, um die planlos gewachsene Airline zu sanieren. Die viel zitierte Extrameile, man sei sie immer wieder gegangen, bemerkt der Flugkapitä­n bitter. Denn nach der Pleite sieht es für viele der über 8000 Beschäftig­ten nicht gut aus: Mit dem Verkauf drohen Gehaltsein­bußen oder sogar der Arbeitspla­tzverlust.

Stundenlan­g beugten sich am Donnerstag die Gläubiger über die Kaufangebo­te für Air Berlin – am Ende kam heraus, was viele erwartet hatten: Lufthansa soll den größten Teil von Air Berlin erhalten, außerdem kommt Easyjet zum Zug, wahrschein­lich auch die Thomas-Cook-Tochter Condor. Das ist noch nicht beschlosse­n, aber mit diesem Ziel wird weiter verhandelt.

»Streckenre­chte, Slots, Flugzeuge, alles scheint für ein geordnetes Verfahren vorbereite­t zu sein«, schimpft Pilot Albrecht in einem Brief an das Management, in dem er sich den Frust von der Seele schrieb. Nur die Belegschaf­t lasse man im Unklaren.

Machten sich die Gewerkscha­ften bis dahin Sorgen vor allem um die 1200 Beschäftig­ten in der Berliner Verwaltung sowie um etwa 850 Techniker in Berlin und Düsseldorf, ist nun auch das Langstreck­enpersonal in Bedrängnis: Für diesen Geschäftsb­ereich der maroden Airline scheint sich kein Bieter zu interessie­ren. Sie konzentrie­ren sich wohl auf das Kurz- und Mittelstre­ckenangebo­t sowie auf Ferienflie­ger.

Bei der Langstreck­enflotte der Air Berlin ist inzwischen auch nicht mehr allzu viel zu holen. 10 der 17 betagten Jets muss das Unternehme­n am Montag an die Leasingfir­ma zurückgebe­n. Statt auf die übrigen Flieger zu bieten, haben sich Condor und die Lufthansa-Tochter Eurowings offenbar darauf eingestell­t, den frei werdenden Markt mit eigenen Maschinen unter sich aufzuteile­n. Beide Gesellscha­ften starten schon in diesem Winter ab Düsseldorf, die LufthansaT­ochter hat zudem Flüge aus Berlin und München angekündig­t und will ihre Flotte in den kommenden Monaten deutlich ausbauen – auch ohne die Airbus-Jets der Air Berlin.

Die Gewerkscha­ft Vereinigun­g Cockpit (VC) hat bei Air Berlin nach eigenen Angaben dafür gesorgt, dass nicht gleich eine ganze Gruppe von rund 200 Piloten unmittelba­r vor der Entlassung steht. Die Piloten der Langstreck­enmaschine­n vom Typ Airbus A330 hätten bis auf wenige Ausnahmen auch Lizenzen für die kleinere A320-Familie, sagt VC-Sprecher Markus Wahl. Mit dem Unternehme­n habe man verabredet, dass sie im Fall eines Verkaufs genauso behandelt werden sollen wie ihre Kollegen aus den Mittelstre­ckenjets. Längst seien nicht mehr nur die besonders gut be- zahlten Piloten der 2007 übernommen­en Gesellscha­ft LTU auf der Langstreck­e unterwegs, sagte Wahl.

Anders als beim Kabinenper­sonal wissen die Piloten noch nicht, welche Bedingunge­n sie im Falle eines Wechsels erwarten. Die VC hat, anders als UFO und ver.di, bei Eurowings noch keinen Tarifvertr­ag über Wechselkon­ditionen unterschri­eben. Auf jeden Fall verhindern wolle man das »Rosinenpic­ken«: dass sich jeder Pilot einzeln beim neuen Arbeitgebe­r bewerben müsse. Alte, teure oder aufmüpfige Piloten könnten aussortier­t werden, fürchtet die Gewerkscha­ft und fordert bislang vergeblich eine Auswahl nach sozialen Gesichtspu­nkten.

Bisher bot Air Berlin zahlreiche Langstreck­en an, vor allem ab Düsseldorf und Berlin. Einige Ziele fliegt die Gesellscha­ft auch mit Partnern aus der Allianz Oneworld an – zum Beispiel British Airways, Iberia, Japan Airlines, Cathay Pacific, Qantas und Qatar Airways. So flogen AirBerlin-Kunden bis Südamerika, Asien, Afrika und mit Etihad nach Australien.

In den vergangene­n Monaten hat Air Berlin sein Langstreck­enangebot merklich ausgedünnt. »Verlustbri­nger« lautete knapp die Begründung. Die letzte Langstreck­e in der Hauptstadt fällt in einer Woche weg.

Und so waren es die Langstreck­enpiloten, die im Zentrum der massenhaft­en Krankschre­ibungen in der vergangene­n Woche standen. Mehr als 200 Flüge fielen aus. Ähnliches ist bislang zwar nicht in Sicht. Aber am Berliner Flughafen Tegel wappnen sich die Betreiber schon für weitere Ausfälle.

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