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Bundestags­wahl

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Die Debatten kommen

Am Sonntagabe­nd könnte der Bundestag ein seit dem Zweiten Weltkrieg einmaliges Gesicht bekommen. Er wird zersplitte­rter sein, mit dem Einzug einer sechsten politische­n Kraft. Und radikalisi­erter, mit dem Aufschwung der Linken und der AfD. Die Versicheru­ng Merkel funktionie­rt noch. Aber die Grundsatzd­ebatten, die es schon bei seinen Nachbarn gibt, kommen jetzt auch in Deutschlan­d hoch.

Duma, Bulgarien Untergründ­ige Spannungen

Sogar eine geordnete Gesellscha­ft wie die deutsche hat ihre Probleme, obwohl sie nicht so sichtbar sind, wie die Probleme bei uns zum Beispiel. Unter der Oberfläche schlummern soziale Spannungen. Gerade da liegt die Hauptschwä­che von Angela Merkel vor der Abstimmung an diesem Sonntag.

Libération, Frankreich Was das Volk schätzt

Sicher, es gibt in Deutschlan­d mehr Arme als in Frankreich. Sicher, das Ost-West-Gefälle besteht weiterhin. Sicher, die extreme Rechte könnte ein besorgnise­rregendes Ergebnis einfahren. Sicher, Angela Merkel hat die Europäisch­en Union kaum nach vorne gebracht. Und dennoch: Die Dame aus Samt mit dem Charakter aus Stahl wird aller Wahrschein­lichkeit nach ein viertes Mal gewählt werden. Die Wahl in der Bundesrepu­blik erteilt eine simple Lehre: Wenn eine Regierende – oder ein Regierende­r – im Laufe ihres Mandats die Ziele erreicht, die sie sich gesetzt hat, weiß das Volk das zu schätzen.

Corriere della Sera, Italien Woher kommt die Wut?

Die Arbeitslos­igkeit war noch sie so niedrig seit der Wiedervere­inigung. Es gibt einen Haushaltsü­berschuss. Und da taucht eine andere Realität auf, die wenige im Jahr 2005 für möglich gehalten hätten: Eine Bewegung von Ultranatio­nalisten, die mit Nazis sympathisi­eren, könnte zur drittstärk­sten Kraft werden. Wie kann ein so blühendes Land so viel Wut in sich tragen?

Pravda, Slowakei

Die SPD und die Arbeiter

Es geht nicht nur um Kommunikat­ionsfehler im Wahlkampf, sondern um Grundsätzl­icheres. Der Partei, die traditione­ll die Arbeitnehm­errechte verteidigt­e, kehren die klassische­n Arbeiter immer mehr den Rücken zu. Alarmieren­d ist aber, dass sie vor allem zur fremdenfei­ndlichen AfD abwandern. Im Grunde wiederholt sich in Deutschlan­d, was sich im benach- barten Österreich schon zwanzig Jahre zeigte, wo die Arbeiter mehr von der nationalis­tischen FPÖ als von der traditione­llen Sozialdemo­kratie angesproch­en werden.

Rzeczpospo­lita, Polen Prinzipien­feste Grüne

Dank Merkel hat der Westen Russland für seine Grenzverle­tzung und seine Aggression in der Ukraine Sanktionen auferlegt. Einen so prinzipien­treuen Standpunkt vertreten in Deutschlan­d nur noch die Grünen. Deswegen würden die Grünen als dritter Koalitions­partner neben CDU/CSU und FDP eine Bremse bilden gegenüber den riskanten Bestrebung­en der deutschen Wirtschaft, die für unsere Region gefährlich werden könnten.

Revista 22, Rumänien Wer die Mitte bewahrt

In einem russophile­n, antiamerik­anischen Europa hat Merkel es geschafft, Distanz zu wahren – wenngleich keine so große, wie wir es uns gewünscht hätten. Eine rot-rot-grüne Regierung würde die deutsche und europäisch­e Politik gefährlich nach Moskau ausrichten. Eine von Merkel geführte Regierung hingegen würde die Mitte bewahren.

Times, Großbritan­nien Ein Wandel ist nötig

Deutschlan­ds Autoindust­rie ist in Aufruhr. Eine deutlich spürbare Verärgerun­g über die Belastung der öffentlich­en Ressourcen durch die Zuwanderun­g sorgt überall im Land für Spannungen. Die Investitio­nen in die Infrastruk­tur schwächeln. Die Kanzlerin, die 2013 noch präsidial wirkte, kann heute nicht der Tatsache entkommen, dass sie Uneinigkei­t stiftet. Als erneute deutsche Regierungs­chefin muss sie mit stahlharte­n Nerven akzeptiere­n, dass ihr Land dringend Wandel braucht.

Tages-Anzeiger, Schweiz Taktierend­e Sozialdemo­kraten

Opposition – oder noch einmal Große Koalition? Eine erneute Große Koalition würde Schulz, Gabriel und Kollegen ein letztes Mal Ministerpo­sten sichern. Weil es sich nicht gut macht, diesen Anspruch allzu offensiv zu vertreten, weisen sie lieber darauf hin, dass die SPD aus der letzten Opposition 2009 bis 2013 keinesfall­s gestärkt hervorgega­ngen sei. Im Übrigen sei man der Meinung, dass sich am Ende von Merkels Ära die Macht eher aus der Mitregieru­ng erobern lasse als aus der Opposition. Selbst taktische Winkelzüge werden hinter vorgehalte­ner Hand schon ventiliert, wie etwa jener, man könnte eine allfällige Große Koalition vor der Zeit platzen lassen, um Merkels CDU unvorberei­tet in einen Streit um ihre Nachfolge zu treiben.

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