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»Wir werden die Liga auffrische­n« Wo hapert es denn noch?

Erfurt ist der dritte Ostklub in der Basketball-Bundesliga. Er verspricht Stimmung und will nicht gleich absteigen

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In einer Woche werden zum ersten Mal drei Klubs aus dem Osten in der Basketball-Bundesliga mitspielen. Rechnet man Alba Berlin noch dazu, wären es sogar vier. Wie ist der Aufschwung zu erklären? Er hat viele Gründe. All diese Vereine haben vor allem ihre strukturel­le Profession­alisierung vorangetri­eben, und das nicht nur im Profiberei­ch, sondern auch beim Nachwuchs. Das Ergebnis erleben wir jetzt mit den drei Ostklubs in der ersten Liga. Das vierte Team schickt sich auch schon an, uns zu folgen: Die Niners aus Chemnitz sind ja im letzten Jahr im Finale um den Aufstieg erst an uns gescheiter­t, haben aber eine sehr interessan­te Mannschaft. Die werden sicherlich auch in dieser Saison wieder um den Aufstieg mitspielen.

Was genau fehlte vor zehn Jahren noch, das sich jetzt positiv verändert hat?

Basketball hat im Osten noch keine allzu lange Tradition. Unser Klub zum Beispiel wurde erst 1998 gegründet. Er ist also nicht mal 20 Jahre alt. Diese Entwicklun­g ist also erstaunlic­h, denn die Strukturen mussten schnell ausgebaut werden. So wie wir haben es auch Jena und der Mitteldeut­sche BC gemacht. Die BBL verlangt auch einiges: In der Geschäftss­telle müssen hauptamtli­che Mitarbeite­r tätig sein. Wir müssen einen Jugendkoor­dinator unter Vertrag haben, und auch die Hallen müssen gewisse Standards erfüllen. Das hat irgendwann Früchte getragen.

Wir müssen noch mehr Sponsoren gewinnen. Wir sind froh, dass wir mit der Oettinger Brauerei einen großen Partner an unserer Seite haben. Wir wissen aber auch, dass nur ein einziger großer Partner auf Dauer nicht gesund sein kann. Ansonsten sind wir bei unserer Mitarbeite­rstruktur und der Jugendarbe­it schon auf einem sehr guten Weg. Wir haben sechs fest angestellt­e Jugendtrai­ner, die betreuen mit den anderen Vereinen zusammen pro Woche fast 700 Jugendlich­e. Aber man muss sich auch nichts vormachen: Im Profisport brauchst du Geld, um Dinge umzusetzen.

Gibt es denn auch einen Fanboom in der Region?

Ich glaube, es wird vor allem bei den Derbys eine hervorrage­nde Atmosphäre geben. Die Leute sind alle total begeistert. Unsere Fans sehe ich jede Woche, und die werden die BBL auffrische­n. Wir werden die Liga sicher auch ein Stück aufwerten, was die Stimmung in den Hallen betrifft.

Wie schwierig ist es, gute Spieler, die von den Rockets vorher noch nie gehört haben, nach Erfurt zu locken? Mehr Geld als anderswo können sie ja nicht bieten.

Wir haben mit Sportdirek­tor Wolfgang Heyder und Trainer Ivan Pavic zwei prägende Figuren des Basketball­s der vergangene­n 20 Jahre. Heyder steht dafür, eine Entwicklun­g erfolgreic­h voranzutre­iben. Er war 15 Jahre Geschäftsf­ührer in Bamberg und hat dort sechs Meistertit­el gewonnen. Pavic förderte in Baunach junge Leute und stieg mit ihnen in die Pro A auf (zweithöchs­te deutsche Liga, Anm. d. Red.). Solche Leute sind unser Faustpfand. Sie sind ein Grund dafür, dass junge deutsche Spieler mit Talent jetzt zu uns gekommen sind. Die sagen: »Hier passt die Perspektiv­e, hier bekomme ich Spielzeit unter einem guten Trainer, der auf uns setzen will.«

Ist das auch Ihr Konzept, auf deutsche Talente zu setzen?

Ja, wir haben nach einer klaren Identität gesucht, mit der wir in die Bundesliga gehen wollten. Wir wollten so auch eine Identifika­tion der Zuschauer mit der Mannschaft erreichen. Viele junge Spieler haben sicher auf viel Geld verzichtet, als sie bei uns unterschri­eben haben. Aber mit der Sicherheit, mehr Spielzeit und viel Vertrauen von uns zu bekommen, sind sie motivierte­r und geben uns auch etwas zurück.

Nun fehlen aber kurz vor dem Saisonstar­t fünf verletzte Stammspiel­er. Wie wollen Sie die ersetzen? Unser belgischer Nationalsp­ieler Retin Obasohan ist auch erst am Dienstag wieder ins Training eingestieg­en. Ansonsten werden Johannes Richter und Dino Dizdarevic, übrigens zwei dieser jungen deutschen Spieler, noch bis Mitte Oktober mit Fußverletz­ungen ausfallen. Dazu kommen dann Sava Lesic, Jan Niklas Wimberg und Dane Watts, die uns sogar drei bis vier Monate fehlen werden. Für sie werden wir sicherlich ein oder zwei Spieler nachverpfl­ichten, mit der Option, deren Verträge nach den drei Monaten auch zu verlängern. Zusätzlich einfach zwei Ausländer für ein ganzes Jahr einzukaufe­n, gibt unser Budget aber nicht her.

Wie sind die sportliche­n Ziele für die Saison – trotz der aktuellen Misere? Natürlich wollen wir die Klasse halten. Wir sind überzeugt, dass es klappen kann. Die Ausfälle sind etwas ernüchtern­d, aber wir jammern nicht. Selbstvers­tändlich wäre ein direkter Wiederabst­ieg nicht schön für uns, aber die Welt würde davon auch nicht untergehen.

Die Spitzenver­eine der Liga regen sich gerade über die neuen Länderspie­lfenster im November und Februar auf. Dahinter steckt ein Streit zwischen dem Weltverban­d FIBA und der privat organisier­ten Euroleague. Bamberg soll Euroleague spielen, wenn die WM-Qualifikat­ion ansteht, und hat schon angedeutet, seine Nationalsp­ieler nicht abzustelle­n. Dasselbe gilt vermutlich für EM-Akteure wie Johannes Voigtmann, die im Ausland aktiv sind. NBA-Profis werden sowieso nicht dabei sein. Könnte es sein, dass der neue Bundestrai­ner Henrik Rödl plötzlich bei Ihnen anruft?

So abwegig ist das gar nicht. Ein paar Spieler kämen schon infrage. Andreas Obst hat im Sommer bei der Universiad­e erfolgreic­h in der A2-Nationalma­nnschaft gespielt. Wir hätten in der Zeit keine Spiele, so dass die Jungs das sicher als Zugabe sehen würden. Generell ist die Situation, dass noch immer keine Klarheit zwischen den Verbänden herrscht, aber absolut ernüchtern­d und erniedrige­nd.

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Foto: imago/Jacob Schröter Dino Dizdarevic (am Ball) wird den Erfurter Rockets für mehrere Monate fehlen.
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ist Manager der Oettinger Rockets. Der aus Gotha stammende Aufsteiger, der seine Heimspiele in Erfurt austrägt, bildet mit Science City Jena und dem Mitteldeut­schen BC erstmals ein ostdeutsch­es Dreieick in der Basketball­Bundesliga...
Foto: imago/Bild13 Thomas Fledderman­n ist Manager der Oettinger Rockets. Der aus Gotha stammende Aufsteiger, der seine Heimspiele in Erfurt austrägt, bildet mit Science City Jena und dem Mitteldeut­schen BC erstmals ein ostdeutsch­es Dreieick in der Basketball­Bundesliga...

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