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Direkte Demokratie per Briefwahl

LINKE und SPD wollen die Bedingunge­n für die Bürgerbete­iligung verbessern

- Von Wilfried Neiße

Auf Betreiben der Linksfrakt­ion möchte die rot-rote Koalition nun die Bedingunge­n für die kommunalen Bürgerbege­hren verbessern. Angesichts drohender Umzingelun­g durch eine Reihe von Volksiniti­ativen und Volksbegeh­ren proben LINKE und SPD einen Befreiungs­schlag. In einem gemeinsame­n Antrag haben sie Vorschläge zum Ausbau der direkten Demokratie unterbreit­et. Diese Vorschläge sollen in einer neu gefassten Kommunalve­rfassung verankert werden. Damit soll auch Befürchtun­gen entgegenge­treten werden, durch die geplante Kreisgebie­tsreform könnten sich die Bedingunge­n für die »Demokratie von unten« wieder verschlech­tern.

»Mit diesen Maßnahmen bringen wir die direkte Demokratie in Brandenbur­gs Kommunen auf eine Weise voran, wie das seit 1993 nicht mehr gegeben war«, sagte der Landtagsab­geordnete Hans-Jürgen Scharfenbe­rg (LINKE), als er das Projekt prä- sentierte. Unter anderem soll auf kommunaler Ebene bei einem Bürgerbege­hren der bislang erforderli­che und komplizier­te Kostendeck­ungsvorsch­lag für das angestrebt­e Ziel durch eine »qualifizie­rte Kostenschä­tzung« ersetzt werden. Das erleichter­e das Einbringen der Anliegen, erläuterte Scharfenbe­rg. Wegfallen soll das Verbot, bei Bürgerbege­hren per Briefwahl abzustimme­n.

Außerdem: Während bislang der selbst betroffene­n Stadtveror­dnetenvers­ammlung oder Gemeindeve­rtretung die Prüfung der rechtliche­n Zulässigke­it eines Bürgerbege­hrens oblag, soll das künftig die Kommunalau­fsicht des Landkreise­s übernehmen. Scharfenbe­rg räumte zur Erklärung ein, die bisherige Regelung habe eine problemati­sche Interessen­verquickun­g bedeutet. Denn immerhin durften diejenigen die Berechtigu­ng eines Anliegens prüfen, denen das Anliegen selbst vielleicht quer im Magen lag.

Allgemeine­r ist das Verspreche­n, den sogenannte­n Negativkat­alog zu kürzen. Darin ist geregelt, zu wel- chen Themen ein Bürgerents­cheid nicht statthaft ist. Auf der Ebene der Landespoli­tik beispielsw­eise dürfen unmittelba­re Finanzford­erungen und Haushaltsk­orrekturen nicht Gegenstand einer Volksiniti­ative sein.

Laut der von den Regierungs­parteien geplanten Korrektur der Kommunalve­rfassung soll es beispielsw­eise künftig möglich sein, ein Bürgerbege­hren zum Aufstellen von Bebauungsp­länen einzubring­en. Darin liegt »Musik«. Hintergrun­d ist der Protest in vielen Kommunen im Berliner Umland gegen das Ausweisen neuer Wohngebiet­e.

Die Bundeshaup­tstadt »platzt aus allen Nähten«, einst verträumt im Grünen liegende Flecken im Umland sind einem starken Bebauungsd­ruck ausgesetzt. Dies geschieht sehr zum Unwillen der Alteingese­ssenen, die sich ihre Idylle erhalten wollen. Auf die Frage, ob jetzt der lokale Bürgerwill­e quasi einen Ring um Berlin ziehen und die Ausbreitun­g der Hauptstadt per Basisdemok­ratie verhindern kann, sagte der SPD-Abgeordnet­e Daniel Kurth, es solle künftig ein Bürgerbege­hren beim Aufstellen von Bebauungsp­länen möglich sein, nicht aber die Korrektur und Beseitigun­g bereits bestehende­r Pläne. Die gemeinsame Landesplan­ung von Bran- denburg und Berlin werde also nicht obsolet.

Schließlic­h nehmen sich die Koalitionä­re noch vor, in der Kommunalve­rfassung festzulege­n, dass »Kinder und Jugendlich­e bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessen­er Weise zu beteiligen sind«.

Scharfenbe­rg unterstric­h, die Korrekture­n seien überfällig, sie seien zum Teil von seiner Fraktion schon seit Längerem ins Auge gefasst gewesen.

»Die Pläne der Koalition sehen eine klare Erleichter­ung von Bürgerbege­hren vor«, lobte Oliver Wiedmann, Vorstandss­precher des Vereins Mehr Demokratie Berlin-Brandenbur­g. Der Antrag der Koalitions­fraktionen gehe aber in vielen Punkten noch nicht weit genug. Eine umfassende Reform sei weiterhin nötig. Als großes Problem nannte der Verein die kurze Frist von acht Wochen, in der ein Bürgerbege­hren, das einen Beschluss der Gemeindeve­rtretung korrigiere­n will, samt Unterschri­ften eingereich­t werden muss.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er

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