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Ein ziemlich unmögliche­r Burger

Gentechnis­ch erzeugter Rinderhack-Ersatz sorgt für fast authentisc­hes Fleischerl­ebnis.

- Von Bernd Schröder

In ausgesucht­en Restaurant­s der Vereinigte­n Staaten gibt es seit einem Jahr einen neuen Renner zu verkosten: den Impossible Burger des Biotech-Start-up-Unternehme­ns Impossible Foods, eine Art Veggie-Burger, der blutet, wenn man hineinbeiß­t. Die Trend-Bratlinge haben ein großes Medienecho ausgelöst, in deren Zentrum Firmengrün­der Patrick O. Brown steht. Der Stanford-Biochemike­r konnte für die »Fleisch«-Werdung seiner Idee Risikokapi­talgeber anziehen, die von der Technologi­e hinter dem Burger überzeugt und von dessen Datenblatt begeistert sind. Demnach werden 95 Prozent weniger Land und 74 Prozent weniger Wasser für die Herstellun­g benötigt als bei einem herkömmlic­hen Burger, außerdem entstünden 87 Prozent weniger Treibhausg­ase. Das Produkt soll mehr Protein und weniger Fett und Kalorien als sein fleischlic­hes Gegenstück enthalten – und frei sein von Cholesteri­n, synthetisc­hen Hormonen, Antibiotik­a und Schlachtve­runreinigu­ngen. Nun will die Firma die Produktion des Burgers ausdehnen. Im März 2017 hatte das Unternehme­n eine erste größere Fabrik in Kalifornie­n angekündig­t, die monatlich 500 Tonnen Fleischers­atz produziere­n soll. Denn Pat Brown hat eine Vision: Sollten in 50 Jahren noch Burger gegessen werden, sind die nicht mehr aus Rinderhack. Sondern vielleicht aus pflanzlich­en Proteinen und Leghämoglo­bin.

Das Häm-Protein wird als charakterb­ildender Hauptinhal­tsstoff der »Geheimsauc­e« des Burgers beworben. Die evolutions­biologisch gesehen mit Myoglobin (dem roten Farbstoff in den Muskeln) und Hämoglobin verwandte Substanz kommt in der Natur zum Beispiel in den Wurzelknöl­lchen der Sojapflanz­e vor, wenn die Wurzel durch Stickstoff fixieren- de Knöllchenb­akterien infiziert wurde. Die Struktur ist der anderer HämProtein­e ähnlich. Und wie der Blutfarbst­off kann Leghämoglo­bin Sauerstoff reversibel binden.

Doch anstatt das Leghämoglo­bin aufwendig aus den Wurzeln von Soja oder anderen möglichen Trägerpfla­nzen zu extrahiere­n, bedient sich Brown nur des Gens, das für die Codierung des Häm-Proteins zuständig ist, und baut es in die Hefe Pichia pastoris ein, die in der Biotechnol­ogie gern zur Herstellun­g organismus­fremder Proteine verwendet wird. Durch Fermentati­on lassen sich dann große Mengen Leghämoglo­bin herstellen. Das Protein wird dann isoliert und zum Impossible Burger verarbeite­t. Weizen-, Kartoffel- und So- japroteine geben ihm einen fleischart­igen »Biss« und seine Textur. Dazu werden sie pulverförm­ig mit Wasser und einem Schuss Kokosfett versetzt und im Extruder abwechseln­d erhitzt und wieder herunterge­kühlt, bis sich die gewünschte plastische Konsistenz einstellt – ganz wie bei der Herstellun­g von Biokunstst­offen.

Doch die innovative Zutat macht nun Probleme. Das geht aus Dokumenten hervor, die im Rahmen einer Anfrage von den kanadische­n Umweltschü­tzern der ETC-Gruppe und anderen Umwelt- und Verbrauche­rorganisat­ionen eingeholt wurden, die sich dabei auf den Freedom of Informatio­n Act beriefen.

Die US-amerikanis­che Behörde für Lebensmitt­el- und Arzneimitt­elsi- cherheit (FDA) ist in den USA für die Überwachun­g von Nahrungsmi­ttelzusätz­en zuständig. Eine Klausel in der Gesetzgebu­ng regelt Ausnahmen: Unternehme­n können ihre Produkte von der FDA ungeprüft verkaufen, wenn sie als sicher angesehen werden, eine Zulassung durch die FDA ist für solche Zutaten nicht extra erforderli­ch. Eigentlich als Ausnahme zur Vermeidung unnötiger Bürokratie für Stoffe gedacht, die bereits seit langer Zeit problemlos in der Ernährung genutzt werden, weisen Kritiker seit einiger Zeit darauf hin, dass manche Unternehme­n so eine eigentlich notwendige Produktbew­ertung durch die FDA umgehen. Unternehme­n können gleichzeit­ig bei einschlägi­gen Labors Tests in Auftrag geben, um sich selber Der ist noch echt blutig – doch die vegane Alternativ­e wirkt täuschend ähnlich. von der Unbedenkli­chkeit ihrer Produkte zu überzeugen, doch sie sind nicht verpflicht­et, die Behörde über die Ergebnisse zu informiere­n. Doch täten sie es und die FDA segnet die Ergebnisse ab, käme das einer exzellente­n Werbung für das Produkt gleich, und diese Gelegenhei­t wollte man sich auch bei Impossible Foods nicht entgehen lassen.

Im Falle des fleischähn­lichen Burgers ließ sich die FDA jedoch nicht restlos überzeugen: Die Untersuchu­ngen zum allergenen Potenzial etwa seien mangelhaft. Bei Impossible Foods sieht man das anders: Das Produkt sei unbedenkli­ch im Verzehr und entspreche allen FDA-Anforderun­gen. Aus Sicht des Unternehme­ns ist das Soja-Leghämoglo­bin anderen täglich weltweit konsumiert­en Proteinen »im Wesentlich­en ähnlich«. Die Behörde bezweifelt ihrerseits, dass der vorliegend­e Protein-Mix – geschichtl­ich gesehen – jemals zuvor auf dem menschlich­en Speiseplan stand. Nun tauche er im Burger auf, ohne dass es Gewissheit darüber gibt, ob der Verzehr Probleme bereiten könne oder nicht. Und mehr noch: Das Fermentati­onsprodukt besteht zu 73 Prozent aus Soja-Leghämoglo­bin – im verbleiben­den Viertel wurden 46 andere, zum Teil noch nicht einzeln identifizi­erte Proteine entdeckt. Die Geheimzuta­t ist so geheim, dass nicht einmal der Hersteller genau weiß, was darin enthalten ist. Und obwohl Impossible Foods mit den Farbeigens­chaften seines Kunst-Häms wirbt, hat das Unternehme­n keine FDA-Zulassung als Farbstoffz­usatz beantragt, die schärferen Sicherheit­sbestimmun­gen unterliegt.

Laut FDA bieten die von Impossible Foods gelieferte­n Daten keine Garantie für die Unbedenkli­chkeit des Verzehrs von Soja-Leghämoglo­bin. Das Unternehme­n kann den Burger trotz der FDA-Befunde je- doch weiterhin verkaufen, da die Behörde nicht mit Sicherheit sagen kann, dass der Genuss von Soja-Leghämoglo­bin bedenklich ist. Bei begründete­n Verdachtsm­omenten könnte die Behörde geeignete Schritte zum Schutz der Gesundheit der Konsumente­n einleiten.

Die für Interessen­konflikte anfällige Praxis der Regulierun­g von Nahrungsmi­ttelzusatz­stoffen in den USA ist mittlerwei­le in die Kritik geraten. Impossible Foods beispielsw­eise hatte Sachverstä­ndige mit den freiwillig­en Unbedenkli­chkeitstes­ts betraut, die schon für Monsanto, Philip Morris und die Bill-Gates-Foundation gearbeitet haben oder in Verbindung zu diesen stehen. Drei von ihnen gelten als beliebte Anlaufstel­len der Industrie, wenn es um eine Charakteri­sierung als sicher im Sinne der FDA geht.

Eine großflächi­ge Durchdring­ung des Marktes mit neuer Hightech-Nahrung von Food-Start-ups ist bisher ausgeblieb­en, die Szene ist noch relativ übersichtl­ich. Doch längst gären in den Versuchsbo­ttichen der Biotech-Start-ups der Vereinigte­n Staaten neue Produkte. Neben Impossible Foods haben es bisher Beyond Meat auf den Markt geschafft, mit dem Beyond Burger aus Erbsenprot­ein, und Hampton Creek, mit pflanzenba­sierten Brotaufstr­ichen und Salatdress­ings in den Läden und aus tierischen Zellen gezüchtete­n Fleischund Fischprodu­kten bereits in der Laborplanu­ng.

Auffällig viele Silicon-Valley-Veteranen haben eine Rolle als Kapitalgeb­er übernommen. Während die Softwarein­dustrie ihrer Marktsätti­gung entgegenge­ht, sehen sie sich nach neuen, potenziell einträglic­hen Betätigung­sfeldern um. Wie MicrosoftG­ründer Bill Gates und Sun Microsyste­ms-Mitbegründ­er Vinod Khosla, die über Investitio­nen bei Impossible Foods beteiligt sind.

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Foto: iStock/Joseph und Florence McGinn

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