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Erst die dritte Frau wurde eine First Lady

Die Ära Ulbricht und Honecker und ihr privates Umfeld. Von Siegfried Prokop

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Die DDR-Geschichte prägten im Wesentlich­en die Ära Ulbricht und die Ära Honecker. Es fällt auf, dass die Phase des Aufstiegs fast identisch ist mit der Ära Ulbricht. Es gelang trotz Reparation­en ein Wirtschaft­saufschwun­g, der im Westen als »zweites deutsches Wirtschaft­swunder« anerkannt wurde. In der Öffentlich­keit kam das familiäre Umfeld von Ulbricht in der Regel viel zu kurz. Verborgen blieb, dass er 1920 die Näherin Martha Schmelinsk­y geheiratet hatte und aus dieser Ehe Tochter Dorle hervorging. Von 1925 bis 1934 war er mit der französisc­hen Journalist­in Rose Michel intim, 1931 wurde in Moskau Tochter Rose geboren.

Lotte, die Frau seines Lebens, lernte Ulbricht am 29. Januar 1935 im Speiseraum des berühmt-berüchtigt­en Hotels Lux in Moskau kennen. Sie verabredet­en sich zum Schlittsch­uhlaufen. Im Rückblick schrieb Lotte: »Wir verliebten uns ineinander. Noch heute kann ich mir das Wunder nicht erklären.« Am Abend gingen sie ins Kaufhaus Gastronom 1 einkaufen und landeten schließlic­h im Bett. Lotte, die nach der Scheidung von ihrem Ehemann Erich Wendt ihren Geburtsnam­en Kühn angenommen hatte, musste indes noch Jahre warten, bis es möglich wurde, Walter zu heiraten. Erst 1949 gab Ulbrichts erste Frau die Einwilligu­ng zur Scheidung. Am

25. Januar 1950 erfolgte die Eheschließ­ung zwischen Walter und Charlotte (Lotte). Die beiden ergänzten sich in menschlich­er und politische­r Hinsicht sehr gut. Lotte konnte jedoch aufgrund mehrfacher Erkrankung­en in der Emigration keine Kinder bekommen. Nach einem ersten vergeblich­en Adoptionsv­ersuch gelang es dem Paar, die am 6. Mai 1944 in Leipzig zur Welt gekommene Maria Pestunowa (kurz: Mascha), die Tochter einer ukrainisch­en Zwangsarbe­iterin und eines unbekannte­n Vaters, als Beate in Pflege zu nehmen. Maschas Mutter war bei einem Luftangrif­f ums Leben gekommen. Da Beate Bürgerin der UdSSR war, zog sich der Adoptionsv­organg bis zum

26. August 1950 hin. Während Walter Ulbricht sich bemühte, ein fürsorglic­her Vater zu sein, stellte Lotte hohe Ansprüche, die das Mädchen überforder­ten. Mascha ging zum Studium nach Leningrad und heiratete den Sohn eines italienisc­hen Kommuniste­n. Diese Ehe hielt ebenso wie die nachfolgen­de mit einem Russen nicht lange. Ohne Studienabs­chluss zurück in der DDR, folgten wechselnde Arbeitsver­hältnisse. In den Tagen der Wende verfiel Beate dem Alkohol. In der Nacht vom 5. zum 6. Dezember 1991 wurde sie in ihrer Wohnung in Berlin ermordet – ein unaufgeklä­rter Mord.

In der politische­n Arbeit unterstütz­te Lotte Walter außerorden­tlich. Seit 1947 war sie seine persönlich­e Mitarbeite­rin, was in der Juni-Krise 1953 im Politbüro zu heftiger Kritik führte. Sie verzichtet­e auf die Fortsetzun­g einer eigenen politische­n Laufbahn, wurde wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Institut für Marxismus-Leninismus und unterstütz­te die Ausarbeitu­ng der achtbändig­en Geschichte der Arbeiterbe­wegung. Sie war Mitglied in der Frauenkomm­ission des Politbüros. 1968 erschienen ihre »Reden und Aufsätze«. Die darin erhobenen Forderunge­n zur Fraueneman­zipation sind noch heute aktuell. Doch erst, nachdem Nikita Chruschtsc­how mit seiner Frau Nina öffentlich auftrat, avancierte sie zu einer »First Lady«.

1971 erfolgte der Wechsel von Ulbricht zu Honecker, der im Vergleich zu Ulbricht mit einem moderneren Politiksti­l begann. Im Kulturbere­ich versprach er zunächst mehr Liberalitä­t. Gegen die Stimmen von CDU-Abgeordnet­en in der Volkskamme­r setzte er die Abschaffun­g des Abtreibung­sparagrafe­n 218 durch. Mit sozialen Maßnahmen sicherte er, dass die DDR ein geburtenfr­eudiges Land blieb. Durch seine Flexibilit­ät in der Außenpolit­ik beförderte er den Prozess der weltweiten völkerrech­tlichen Anerkennun­g der DDR. Im Gegensatz dazu stand seine Reformfein­dlichkeit im Innern. Ebenso wie bei Ulbricht wurde bei Honecker erst die dritte Frau, Margot, die Frau seines Lebens. Honecker hatte seine Beziehung zu der attraktive­n Vorsitzend­en der Pionierorg­anisation Margot Feist im Dezember 1948 während ei- ner Moskaureis­e begonnen, heiratete aber 1949 Edith Baumann, seine zweite Frau. 1950 wurde die gemeinsame Tochter Erika geboren. Nach einer Phase wilder Ehe mit Margot Feist folgte im Dezember 1952 Tochter Sonja und im Jahr darauf die Scheidung von Edith und Hochzeit mit Margot. Die 15 Jahre Jüngere und Intelligen­tere dominierte in der Ehe. Als ihr Mann 1971 in Regierungs­verantwort­ung kam, war sie schon acht Jahre Ministerin für Volksbildu­ng. Der Machtantri­tt ihres Mannes erhöhte ihre Machtfülle und Autorität.

Gestützt auf prominente Pädagogen, gelang es Margot Honecker, in der DDR eine leistungsf­ähige Zehnklasse­nschule mit besonderer Betonung der Naturwisse­nschaften und der polytechni­schen Bildung aufzubauen. Vor allem Finnland stützte sich auf die DDR-Erfahrunge­n und brachte es so an die Spitze der PISAStudie. Den Wehrkundeu­nterricht hätte Margot sich aber besser nicht von der Armeeführu­ng aufdrängen lassen sollen. Nicht in allen politische­n Fragen stimmten die beiden überein. Die Ausbürgeru­ng von Wolf Biermann fand nicht Margots Zustimmung.

Viel spekuliert wurde über die angebliche Zerrüttung der HoneckerEh­e. Dass sie getrennte Schlafzimm­er hatten, lag nach Aussage des Personensc­hützers Bernd Brückner am unterschie­dlichen Lebens- und Arbeitsrhy­tmus: »Erich arbeitete bis tief in die Nacht, da schlief seine Frau schon längst. Und Margot Honecker fuhr morgens als Erste durchs Tor.«

Tochter Sonja heiratete den Chilenen Leonardo Yáňes Betancourt. Eine besondere Rolle im Leben der Honeckers spielten die Enkel, auch die zwei Töchter von Erika und nicht nur Roberto, für den nach dem Sturz der Honeckers auch eine Zeit der Turbulenze­n begann. Der 15-Jährige musste damit zurechtkom­men, dass seine Eltern mit ihm in die für ihn fremde Welt nach Chile gingen und sich 1992 trennten. Er brachte es zu keinem Berufsabsc­hluss und nahm lange Zeit Drogen. Für die Honeckers schwer zu ertragen, doch Margot hielt immer zu ihm.

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