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Dusche als Ideenquell­e Ticken französisc­he Spieler und Spieleauto­ren anders als die Deutschen?

Bruno Cathala baut als Spieleauto­r gern kleine Dilemmata ein

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Bei der Preisverle­ihung für das »Spiel des Jahres« waren Sie sehr gerührt. Was ging Ihnen dabei so durch den Kopf?

Einige Etappen meines Weges dorthin, sonnige wie verhagelte. Anfangs war Spieleerfi­nden ein Hobby von mir. Ich bin eigentlich Ingenieur für Materialku­nde. 2004 wurde ich aus wirtschaft­lichen Gründen entlassen. Für einen neuen Job hätte ich sehr weit weg gehen müssen, aber ich war geschieden­er Vater mit zwei kleinen Kindern. Die einzige Möglichkei­t, in deren Nähe zu bleiben, bestand darin, etwas anderes zu suchen. Ich entschied mich, mein Hobby zum Beruf zu machen.

Und wie verlief der Einstieg? Genau genommen zog der sich über zehn Jahr hin, und die waren wirklich hart. Einige meiner Spiele gewannen dann sogar Preise, trotzdem wurde keines ein Bestseller. Ich musste parallel verschiede­ne Nebenjobs annehmen. Meine Eltern und meine Freunde machten sich zu dieser Zeit wirklich Sorgen um mich. Und auch ich zweifelte immer wieder, ob meine Entscheidu­ng die richtige war.

Mit dem Preis kam ja nun eine nachdrückl­iche Bestätigun­g.

Ja, der bedeutet viel für mich, ohne aber in Euphorie zu verfallen. Ich spüre eine tiefe Bestätigun­g, dass eben nicht alles vergeblich war.

Was bedeutet denn der deutsche Titel »Spiel des Jahres« in Frankreich, wo es ja den eigenen Spieleprei­s »As d’Or« gibt?

»Spiel des Jahres« ist alles andere als ein rein nationaler Preis. Er gilt längst als die wichtigste Auszeichnu­ng für Brettspiel­e weltweit, unter Spieleauto­ren durchaus vergleichb­ar mit dem »Oscar« im Film. Was nicht heißen soll, dass er in den französisc­hen Medien etwa so eine Rolle spielt. Aber das tut der »As d’Or« auch nicht. Spiele gelten in Frankreich nicht als kulturell bedeutsam. Aber ich denke, das ändert sich so langsam. Ich glaube, dass die direkte Interaktio­n bei Brettspiel­en in Frankreich eher geschätzt wird als in Deutschlan­d. Wenn ich meine Prototypen einem deutschen Verlag vorstelle, kriege ich beispielsw­eise oft gesagt, dass deutsche Spieler es nicht mögen, wenn ihnen im Spiel etwas kaputt gemacht werden kann, das sie zuvor im Spiel aufgebaut haben. Auffallend ist auch, dass die Spielegraf­iken in Frankreich und Deutschlan­d sehr unterschie­dlich aussehen.

Meinen Sie, dass diese nationalen Eigenarten bleiben?

Eher nicht, wenn man beobachtet, wie der gegenseiti­ge Einfluss immer globaler und unabhängig­er von nationalen Kulturen wird. Am Ende wird es wohl so sein, dass Unterschie­de zwischen Brettspiel­en wesentlich mehr mit der Person des Autors zu tun haben als mit dem Ort, wo jemand lebt.

Spieleerfi­nder müssen ständig neue Ideen produziere­n. Benutzen Sie bestimmte Kreativtec­hniken?

Die Ideen kommen einfach. Meistens wenn ich ganz andere Dinge mache, wie duschen oder mit dem Fahrrad in die Berge fahren. Schon bevor ich profession­eller Autor wurde, hatte ich viel mehr Ideen, als ich zeitlich umsetzen konnte. Ich hoffe, das hält sich noch ein Weilchen.

Auffällig ist, dass einige Ihrer Spiele auf bekannten Konzepten basieren, nicht zuletzt, wie der Name schon andeutet, »Kingdomino«

Ja, das stimmt. Beispielsw­eise findet sich in meinem »Five Tribes« das Mancala wieder (eine Brettspiel­gattung, bei der zwei Spieler Spielstein­e umverteile­n, dt. »Bohnenspie­l« – d.R.) , das Black Jack in »Noah« oder der Schwarze Peter in »Crazy Mistrigri«. Was ganz eigenständ­ig Neues ist zwar eine höchst exzellente Sache, wenn es aber auf Bekanntem basiert, hilft es den Spielern, das Spiel leichter zu verstehen und die Regeln zu behalten.

Wie sah Ihr Entwicklun­gsansatz bei »Kingdomino« aus?

Meine ersten Ideen waren, dass jeder Spieler pro Zug genau ein Teil bekommt. Die Teile sollten zweigeteil­t sein und Farben zeigen. Die Spieler sollten die Farben verbinden und so

ihr eigenes Spielfeld bauen. An dieser Idee habe ich weitergear­beitet und ständig Dinge verbessert.

Welche Fragen haben Sie sich da vorgelegt?

Wie groß soll das Spielfeld werden? Wie viele verschiede­ne Farben sind am besten? Soll es ein abstraktes Spiel werden oder ein Thema bekommen?

Und wie lauteten die Antworten? Eine war beispielsw­eise der Mechanismu­s, wie die Spieler ihre Teile wählen. Die gesamte Feinjustie­rung zog sich aber über viele Monate hin. Erst unmittelba­r vor Drucklegun­g fiel mir dann noch eine spezielle Regel für zwei Spieler ein.

Und die lautet wie? Wer das niedrigste und damit schlechtes­te Teil nimmt, darf zum Ausgleich in der kommenden Runde als Erster wählen. Solche kleinen Dilemmata mag ich.

Wie geht es mit »Kingdomino« nach dem Spiele-Oscar wohl weiter? Schon vor der Auszeichnu­ng hatte ich gespürt, wie sehr mich dieses Spielsyste­m selber fasziniert. Die nächsten Projekte sind »Queendomin­o«, eine Abwandlung für alle, die es etwas strategisc­her mögen, und »Kid-Domino«, eine vereinfach­te Version für Kinder.

Was empfehlen Sie Autoren, die Spieleerfi­nden zu ihrer Profession machen wollen?

Einfach den Job kündigen und dann ins kalte Wasser springen ist hoch riskant. Von der ersten Idee bis zum fertigen Spiel können locker bis zu drei Jahre vergehen. Und dann dauert es noch einmal Monate, bis das erste Honorar kommt. Also: Spiele zunächst hobbymäßig in der Freizeit erfinden. Erst wenn das wirklich gut läuft, kann man sich irgendwann überlegen, es in Vollzeit zu machen.

 ?? Foto: privat ?? Kurzes Ausruhen nach langem, hartem Weg zum Spiele-»Oscar« Als Bruno Cathala unlängst in Berlin die Bühne bestieg, konnte er seine Tränen kaum zurückhalt­en. Soeben hatte der 53-jährige Franzose nämlich den bislang größten Erfolg seiner Karriere als...
Foto: privat Kurzes Ausruhen nach langem, hartem Weg zum Spiele-»Oscar« Als Bruno Cathala unlängst in Berlin die Bühne bestieg, konnte er seine Tränen kaum zurückhalt­en. Soeben hatte der 53-jährige Franzose nämlich den bislang größten Erfolg seiner Karriere als...

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