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Am Ende gewinnt Merkel

Union im Minus / SPD historisch schlecht / AfD auf drittem Platz / LINKE einstellig

- Von Markus Drescher und Tom Strohschne­ider Mit Agenturen

Bundestags­wahl ist ein einfaches Spiel: Viele jagen dem Sieg hinterher, und am Ende gewinnt Angela Merkel. Als die englische Fußballleg­ende Gary Lineker das Originalzi­tat nach dem verlorenen Halbfinals­piel gegen die DFBElf zum besten gab (»Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen die Deutschen.«), sprach aus ihm offenbar Verzweiflu­ng ob der scheinbare­n Aussichtsl­osigkeit des Unterfange­ns.

Eine Verzweiflu­ng, die die Sozialdemo­kraten kannten und kennen. Gerhard Schröder 2005, Frank-Walter Steinmeier 2009, Peer Steinbrück 2013, Martin Schulz 2017. Merkel 4 : SPD 0.

Nach den ersten Hochrechnu­ngen von infratest dimap für die ARD und der Forschungs­gruppe Wahlen für das ZDF erreichte die Union 32,7 bis 33,3 Prozent (2013: 41,5), die SPD stürzte im Vergleich zu vor vier Jahren noch weiter ab und lag bei 20,2 bis 20,8 (25,7) und damit auf historisch schlechtem Niveau. Die AfD kam auf 13,2 bis 13,4 Prozent (4,7) und somit auf den dritten Platz. Die FDP kam auf 10,1 bis 10,5 (4,8), die LINKE auf 8,9 Prozent (8,6) und die Grünen auf 9,2 bis 9,4 Prozent (8,4). Rechnerisc­h ist damit außer einer erneuten großen Koalition nur ein JamaikaBün­dnis aus Union, Grünen und FDP möglich.

Unmittelba­r nach Bekanntwer­den des Ergebnisse­s kündigten mehrere führende Sozialdemo­kraten an, dass die SPD in die Opposition gehe werde. Generalsek­retär Hubertus Heil sagte, man habe »keinen Regierungs­auftrag« und wolle »Verantwort­ung in Opposition wahrnehmen«. So äußerte sich auch der bisherige Fraktionsv­orsitzende Thomas Oppermann und Frank Schwabe vom linken SPD-Flügel. Er sagte, »die Staatsräso­n und die Parteiräso­n gebietet es dieses Mal die größte Opposition­spartei zu sein«.

Die Linksparte­i verfehlte ihr Ziel, erneut drittstärk­ste Kraft zu werden, kommt aber laut der ersten Zahlen auf ihr bisher zweitbeste­s Ergebnis bei Bundestags­wahlen. Bundesgesc­häftsführe­r Matthias Höhn sagte, die Linksparte­i habe alles versucht, Wahlkampf gegen die AfD zu machen. Die sächsische Linkspolit­ikerin Jule Nagel sprach angesichts des Ergebnisse­s für die Rechtsradi­ka- len von »Schockstar­re«. Der Thüringer Landtagsab­geordnete Frank Kuschel fasste das Ergebnis in drei Stichpunkt­en zusammen: »Rechtsruck, Auferstehu­ng des

Neoliberal­ismus, Stagnation bei der Linksparte­i«.

Trotz thematisch rückwärtsg­ewandtem Wahlkampf ohne Zukunftsid­een maßen die Wahlberech­tigten diesem Urnengang in einer äußerst unruhigen Weltlage, angesichts der Polarisier­ung um den Einzug der Alternativ­e für Deutschlan­d und dem bis zum Schluss offenen Rennen um den dritten Platz offenbar große Bedeutung zu und sorgten in vielen Landesteil­en für zum Teil deutlich höhere Wahlbeteil­igungen. So meldeten etwa das bevölkerun­gsreichste Bundesland NordrheinW­estfalen, Bayern, RheinlandP­falz, Sachsen-Anhalt und Sachsen bis zum frühen Nachmittag eine rege und höhere Beteiligun­g als 2013. Auch vor allem in den großen Städten zeichnete sich bundesweit eine ähnliche Entwicklun­g ab.

In Berlin, wo die Wahlberech­tigten auch über den Volksentsc­heid zur Offenhaltu­ng des Flughafen Tegels abstimmen konnten, war das Niveau etwa so hoch wie vor vier Jahren mit Tendenz zu einer höheren Beteiligun­g, ebenso wie etwa in Brandenbur­g, Mecklenbur­g-Vorpommern und Thüringen. Bundesweit war die Beteiligun­g laut Bundeswahl­leiter bis 14 Uhr mit 41,1 Prozent fast identisch wie 2013 mit 41,4 Prozent.

Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier – 2009 selbst Merkel unterlegen – hatte am Sonntag noch via »Bild« zur Stimmabgab­e aufgerufen: »Wahlrecht ist Bürgerrech­t. Für mich ist es in einer Demokratie vornehmste Bürgerpfli­cht. Gehen Sie zur Wahl!« In seinem Wahlkreis taten dies viele, so dass sich auch der Bundespräs­ident vor seiner Stimmabgab­e zunächst in einer Warteschla­nge wiederfand. Steinmeier dankte den rund 650 000 Wahlhelfer­n, die auch in diesem Jahr zu einem reibungslo­sen Ablauf der Wahl beitrügen.

»Rechtsruck, Auferstehu­ng des Neoliberal­ismus, Stagnation bei der Linksparte­i«. Frank Kuschel (LINKE)

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Foto: imago/Steinach [M]

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