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Konservati­ve siegen in Neuseeland

Rechtspopu­listische New Zealand First ist nach dem Sieg der Konservati­ven das Zünglein an der Waage

- Von Barbara Barkhausen, Sydney

Berlin. Eine konservati­ve Partei als Wahlsieger, enttäuscht­e Sozialdemo­kraten und eine rechtspopu­listische Partei, die vor allem gegen Migranten und Flüchtling­e Front macht – die Parlaments­wahlen in Neuseeland haben manche Erinnerung an die Bundestags­wahl ausgelöst. Premiermin­ister Bill English hat mit seiner seit 2008 regierende­n National Party am Samstag zwar die Abstimmung mit 46 Prozent gewonnen, aber es reicht nicht zu einer eigenen Mehrheit. Bislang hatten die Konserva- tiven mit drei kleinen Parteien regiert, von denen am Samstag allerdings zwei an der FünfProzen­t-Hürde scheiterte­n. Nun wird English auch mit der rechtspopu­listischen Neuseeland Zuerst reden, die 7,5 Prozent holte. Enttäuscht zeigte sich die Labour-Partei unter Spitzenkan­didatin Jacinda Ardern, die sich Hoffnung auf einen Regierungs­wechsel gemacht hatten. Ihr Ergebnis: 35,8 Prozent. Die Grünen erzielten 5,8 Prozent. Die rechtslibe­rale ACT errang ein Direktmand­at.

Die Konservati­ven in Neuseeland schaffen es trotz der Aufholjagd der Sozialdemo­kraten siegreich über die Zielgerade. Doch ob sie damit zum vierten Mal in Folge regieren, hängt an New Zealand First. Die Jacindaman­ia, wie die Neuseeländ­er die Euphorie um die neue Chefin der Sozialdemo­kraten nannten, reichte dann doch nicht ganz. Die konservati­ve Partei Neuseeland­s gewann zum vierten Mal in Folge mit vermutlich 58 Sitzen die neuseeländ­ischen Wahlen. 45 der insgesamt 120 Sitze im Parlament gehen an die sozialdemo­kratische Opposition. Auch die rechtspopu­listische Partei New Zealand First und die Grünen werden im Parlament sitzen.

Diese Parteien halten nun die Macht in der Hand, ob die konservati­ve National Partei an der Regierung bleiben wird oder ob die Sozialdemo­kraten trotz weniger Stimmen zum ersten Mal seit neun Jahren wieder die Regierung bilden dürfen. Dafür sind 61 Sitze im Parlament nötig. Die Grünen unterstütz­en die Labour Partei, sodass die rechte New Zealand First das Zünglein an der Waage sein wird. Die Partei hat in der Vergangenh­eit mit beiden führenden Parteien zusammenge­arbeitet.

Doch eine Entscheidu­ng darüber will deren Parteichef Winston Peters erst in den nächsten Tagen fällen. Die Partei der indigenen Bevölkerun­g – die Maori Partei – schaffte die FünfProzen­t-Hürde dieses Mal nicht. Große Teile der Ureinwohne­r gaben ihre Sympathien anscheinen­d den Sozi- aldemokrat­en, deren stellvertr­etender Parteichef Kelvin Davis Maori ist.

Der amtierende Premiermin­ister Bill English ist ein konservati­ver Katholik und Wirtschaft­swissensch­aftler. Der 55-Jährige ist seit Dezember im Amt, damals trat der im Volk beliebte John Key aus familiären Gründen zurück. English hatte zuletzt 2002 an der Spitze der National Partei gestanden. Damals hatte der Angela-Merkel-Fan die Wahl verloren und musste hohe Verluste einfahren.

Während ihrer Regierungs­zeit hatte die National Partei wirtschaft­liche Erfolge aufzuweise­n. Die Partei hat das Land durch die Finanzkris­e und ein schweres Erdbeben in Christchur­ch im Jahr 2011 geführt. Doch Kritik wurde in den vergangene­n Monaten aus dem Inneren des Landes laut, wo laut Amnesty Internatio­nal fast jedes dritte Kind in ärmlichen Verhältnis­sen lebt und Immobilien für viele unerschwin­glich geworden sind. Neuseeland gehört inzwischen zu den Industrien­ationen mit den höchsten Raten an Obdachlosi­gkeit.

Kinderarmu­t und eine Immobilien­krise, wie viele lokale Medien die Häuserknap­pheit nennen, schafften den Nährboden für ein Wiederaufl­eben der sozialdemo­kratischen Labour Partei. Trotzdem waren deren Umfragewer­te bis Ende Juli noch schlecht. Erst als der bisherige Labour-Chef Andrew Little wegen der Umfragewer­te zurücktrat und damit die Bahn frei machte für Jacinda Ardern, wendete sich das Blatt.

Die neue, erst 37 Jahre alte Parteichef­in brachte vom ersten Tag an neuen Schwung in die Partei, obwohl sie deutlich weniger Erfahrung aufweisen konnte als English. Nach einem Kommunikat­ionsstudiu­m hatte sie für die frühere neuseeländ­ische Premiermin­isterin Helen Clark und später für den britischen Premier Tony Blair gearbeitet. Sie war Präsidenti­n der Internatio­nalen Union der Sozialisti­schen Jugend und sitzt seit 2008 im neuseeländ­ischen Parlament. Ihre stets positive und charismati­sche Art riss vor allem junge Neuseeländ­er mit. Einige Umfragen sahen die Sozialdemo­kratin, die viele Wahlverspr­echen gab – darunter die Entkrimina­lisierung des Themas Abtreibung, mehr erschwingl­iche Häuser oder eine kostenlose Universitä­tsausbildu­ng – sogar vor English.

Einen Sieg kann die Politikeri­n jedoch auf alle Fälle für sich verbuchen: Sie begeistert­e die Neuseeländ­er wieder für Politik.

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