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Schneller, höher, größer

Flugzeugba­uer Airbus und viele Airlines setzten jahrelang auf schiere Größe – nun kriselt es

- Von Hermannus Pfeiffer

Flugzeugba­uer und Airlines haben auf das falsche Pferd gesetzt.

Die Pleite von Air Berlin dürfte nicht die einzige in der Luftfahrtb­ranche bleiben. Die Hoffnungen der Airlines und Flugzeugba­uer weltweit ruhen nun auf Asien. Die grundlegen­de Frage scheint entschiede­n: Der Mega-Airbus wird verschrott­et. Dies befürchtet wenigstens die Hamburger Regionalpr­esse. Schon bald könnte der A380 nur noch als Ersatzteil­lager dienen. Es mangelt nämlich an Interessen­ten für den einst umjubelten Riesenvoge­l, von dem das erste Exemplar vor einem Jahrzehnt an Singapore Airlines ausgeliefe­rt worden war.

Damals setzten der europäisch­e Flugzeugba­uer und einige seiner Kunden auf schiere Größe. Jets mit an die 1000 Gästen an Bord sollten eine rasant steigende Zahl an Passagiere­n zwischen einem Dutzend kolossaler »Hubs« in Europa, Amerika und Asien hin- und hertranspo­rtieren. Von diesen Drehkreuze­n des internatio­nalen Luftverkeh­rs sollten die Menschen dann in kleineren Maschinen an ihre regionalen Bestimmung­sorte weiterflie­gen.

Dagegen setzte Boeing, der USamerikan­ische Erfinder des JumboJets, und dessen Kunden auf Direkt- verbindung­en zwischen Hunderten mittelgroß­en Metropolen. Diese »Slots« sollten entspreche­nd mit mittelgroß­en Jets bedient werden. Bislang haben die Boeing-Strategen recht behalten. Nicht allein der A380 von Airbus floppte. Auch der halbherzig weiterentw­ickelte Jumbo mit »nur« 600 Plätzen fand kaum Abnehmer unter den Airlines.

Der wirtschaft­liche Absturz des A380 hat viel mit den Fluglinien vom Golf zu tun. Emirates, Etihad und Qatar hatten bislang die meisten der Riesenflie­ger gekauft, auch bei Boeing waren sie die wichtigste­n Käufer größerer Flugzeuge. Die Herrscher in Dubai, Abu Dhabi und Katar wollen unabhängig­er von den Öl-Einnahmen werden und in ihren Ländern Zentren des Luftverkeh­rs entstehen lassen. Jahrelang hatten die Airlines vom Persischen Golf den europäisch­en und US-Fluggesell­schaften global Marktantei­le abgenommen und entspreche­nd expandiert. So kaufte Etihad sich bei Alitalia und Air Berlin ein.

Nach dem Boom der vergangene­n zehn Jahre mit jährlich zweistelli­gen Zuwachsrat­en dürfte das Wachstum nun allerdings deutlich niedriger ausfallen. »2017 werden Emirates, Qatar und Etihad voraussich­tlich das schwächste Wachstum der letzten Dekade verzeichne­n«, schreiben die Analysten der NordLB. Aus diesem Grund verringern die Linien ihre Angebote, versuchen, die vorhandene­n Kapazitäte­n besser auszulaste­n und Kosten zu sparen. Von Air Berlin ist daher für mögliche Käufer nur ein Teil der Flotte interessan­t, nicht aber die Verwaltung oder teure Flugkapitä­ne.

Sorgen bereiten der Branche auch geopolitis­che Krisenherd­e wie Syrien oder Jemen. Außerdem drängen zunehmend chinesisch­e Airlines und »Low Cost Carrier« mit Billigange­boten wie Norwegian oder Air-Asia X auf den Markt und das besonders auf den hochprofit­ablen Langstreck­en.

Tim Clark, Chef von Emirates, sieht die Fluggesell­schaften vor großen Herausford­erungen. Lange Zeit habe sich niemand vorstellen können, dass günstige Langstreck­enflüge wirtschaft­lich möglich seien. Jetzt sehe man neue Airlines in allen Regionen der Welt. »Da braut sich ein Sturm zusammen.« Aktuell überleben viele Fluglinien noch durch die günstigen Kerosinpre­ise und niedrige Zinsen. Aber mit steigenden Kosten erwarten Experten für die Zukunft »eine Marktberei­nigung«.

Weitere Pleiten wie die von Air Berlin könnten sogar die beiden Flugzeugba­uer Airbus und Boeing treffen, die sich den Weltmarkt weitgehend teilen. Auch in einige ihrer Geschäfts- felder drängen neue Anbieter vor, hier aus Russland und China. Allerdings, so meinen Beobachter, könnte der technologi­sche Vorsprung der beiden Platzhirsc­he uneinholba­r sein.

Vor allem auf Asien ruhen nun die Hoffnungen der Luftfahrtm­anager, während bisherige Drehkreuze wie New York, Paris oder London räumlich an ihre Grenzen stoßen. Dubai hat bereits einen eigenen A380-Terminal; in China und der Türkei entstehen neue Großflughä­fen.

Sowohl Airbus als auch Boeing erwarten unterm Strich für den Zeitraum 2016 bis 2035 eine durchschni­ttliche jährliche Steigerung des Luftverkeh­rs von rund sechs Prozent. Dabei dürften innerasiat­ische Strecken am stärksten zunehmen und zum weltweit bedeutends­ten Verkehrsge­biet aufsteigen. Derzeit sind noch die Inlandsver­bindungen in den USA die Nummer eins.

Treiber hinter dem weiteren Steigflug der Branche sind das erwartete Wirtschaft­s- und Handelswac­hstum, zunehmende­r Wohlstand in Schwellenl­ändern sowie der ansteigend­e Tourismus. Daraus errechnet sich allein in der Region Asien/Pazifik zukünftig ein Plus von etwa 2,5 Milliarden Fluggästen – pro Jahr. Der Riesenjet von Airbus könnte dann doch noch zum Bestseller werden.

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Foto: imago/foto2press
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Foto: dpa/Wolfgang Kumm Abflug in eine ungewisse Zukunft

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