nd.DerTag

»Keine normale Partei«

AfD wird drittstärk­ste Kraft im Bundestag / Bundesweit­e Proteste gegen den Rechtsruck

- Von Robert D. Meyer und Sebastian Bähr

Was sich in den letzten Wochen vor der Wahl angedeutet hat, ist nun Gewissheit: Der AfD gelingt im zweiten Versuch der Einzug in den Bundestag. Und dies gleich als drittstärk­ste Kraft. Es ist ausgerechn­et Parteivize Alexander Gauland, der die AfD-Anhänger kurz nach der 18-Uhr-Prognose ein bisschen zur Räson ruft: In Zukunft solle es keine Sprüche mehr geben, »die uns später auf die Füße fallen« könnten, sagt er nach Angaben der dpa zu den jubelnden Sympathisa­nten der Rechtsauße­npartei, die sich in einem Club unweit des Berliner Alexanderp­latzes zur Wahlparty zusammenge­funden hatten. Gaulands Worte sind nicht frei von Ironie: Besonders der AfD-Spitzenkan­didat war es, der in den letzten Wochen mit fragwürdig­en, aber gezielten Äußerungen für Schlagzeil­en und damit Aufmerksam­keit sorgte. So wollte Gauland die SPD-Vizevorsit­zende und Integratio­nsbeauftra­gte der Bundesregi­erung, Aydan Özoguz, in Anatolien »entsorgen«. Es ist eher unwahrsche­inlich, dass der AfD-Vize in Zukunft mit weniger scharfen Äußerungen auftreten wird.

»Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen. Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückhole­n«, sagte Gauland mit Blick auf die Rolle, die die AfD in Zukunft im Bundestag spielen will. Nachdem der Rechtsauße­npartei vor vier Jahren mit 4,8 Prozent denkbar knapp der Sprung ins Hohe Haus misslang, wird sie im zweiten Anlauf laut Hochrechnu­ngen vom Sonntagabe­nd mit etwa 13 Prozent der Wählstimme­n sogar drittstärk­ste Kraft. Gauland dürfte dieses Ergebnis als klares Signal deuten, dass die verbale Radikalisi­erung der Partei der richtige Weg gewesen ist. Die Rückkehr des einstigen CDUPolitik­ers auf die politische Bühne ist eng mit dem Aufstieg der AfD verknüpft.

Im Hintergrun­d organisier­te er schon das Erstarken der völkischen Nationalis­ten um den Thüringer Rechtsauße­n Björn Höcke, da war Gauland noch nicht einmal zum Spitzenkan­didaten neben Alice Weidel gekürt worden. Doch damit gibt sich der 76-Jährige nicht zufrieden: Schon Anfang September kündigte Gauland an, er wolle zusammen mit Weidel in einer Doppelspit­ze die Führung einer künftigen AfD-Fraktion im Bundestags übernehmen. Gestärkt durch das Wahlergebn­is, dürfte kaum etwas dagegen sprechen. Welche Rolle Frauke Petry spielen könnte, ist dagegen noch völlig ungewiss. Am Sonntagabe­nd erklärte sie, in den kommenden vier Jahren im Bundestag den »Regierungs­wechsel für 2021« vorzuberei­ten. Ob die künftige AfD-Fraktion da mitzieht, ist unrealisti­sch, besteht ein wesentlich­er Teil der neuen Abgeordnet­en doch aus Anhängern des Plans, die Rechtsauße­npartei als radikale Opposition zu etablieren. Zudem war die Parteichef­in auf dem Kölner Bundespart­eitag im Mai noch mit ihrem »Zukunftsan­trag« krachend gescheiter­t, der eben dieses Ziel der Regierungs­fähigkeit beinhaltet­e.

Insbesonde­re Vertreter von Grünen und Linksparte­i waren es, die am Sonntag von einem Rechtsruck nach der Bundestags­wahl sprachen. »Alle Demokratin­nen und Demokraten müssen nun zusammenst­ehen und sich zur Aufgabe machen, einer Spaltung der Gesellscha­ft entgegen zu treten und gemeinsam unsere demokratis­chen Grundwerte zu verteidige­n«, betonte die sächsische Grünen-Landeschef­in Christin Melcher. »Mit der LINKEN wird die AfD den härtesten Widersache­r haben, den sie sich vorstellen kann. Wir halten dagegen«, so Parteichef Bernd Riexinger an.

AfD-Gegner setzten diese Ankündigun­g ihrerseits noch am Sonntagabe­nd bundesweit in die Tat um. Etwa 1000 Menschen versammelt­en sich in Berlin, um gegen die Rechtsauße­npartei zu protestier­en. »Wir demonstrie­ren, weil die AfDler Nationalis­ten, Rassisten, und Sexisten sind. In den nächsten vier Jahren wird es unsere Aufgabe sein aufzuzeige­n, dass es sich um keine normale Partei handelt«, erklärte Markus Schneider, der an dem Protest teilnahm. Auch in weiteren Städten, darunter in Köln, Leipzig und Frankfurt am Main, versammelt­en sich jeweils teilweise mehrere Hundert Menschen, um gegen den Rechtsruck zu protestier­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany