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Gekommen, um zu bleiben?

Die FDP schafft den Einzug in den Bundestag

- Von Florian Haenes

Eine große Uhr im Hans-DietrichGe­nscher-Haus zählte seit Wochen die Zeit bis zum erhofften Wiedereinz­ug in den Bundestag herunter. Nun kehren die Liberalen nicht nur ins Parlament, sondern womöglich sogar gleich in eine Regierungs­koalition zurück – was vor vier Jahren mächtig schief gegangen war. Die FDP hat ihr desaströse­s Ergebnis von 2013 (4,8 Prozent) mehr als verdoppeln können und erreicht nach Hochrechnu­ngen gut zehn Prozent.

Die Liberalen dürften sich besonders über den Vorsprung vor den Grünen freuen. Noch beim Parteitag vor einer Woche hatte sich Parteichef Christian Lindner einen herben Schlagabta­usch mit dem möglichen Koalitions­partner geliefert. Nun wird man wohl mit Union und Grünen Sondierung­sgespräche aufnehmen, auch wenn nach der Ankündigun­g der SPD, in die Opposition zu gehen, der schleswig-holsteinis­che Fraktionsv­orsitzende Wolfgang Kubicki am Abend betonte, dass eine Jamaika-Koalition keine Selbstvers­tändlichke­it sei. Lindner, der Fraktionsc­hef werden dürfte, sagte, die FDP akzeptiere die Entscheidu­ng der SPD nicht: »Wir lassen uns in keine Regierung drängen.«

Doch ähnlich wie nach der Landtagswa­hl in Nordrhein-Westfalen im Mai könnte die FDP in Regierungs­verantwort­ung hineingeso­gen werden. Dabei hatte Lindner noch im Wahlkampf kokettiert, die Opposition vorzuziehe­n, sollten sich FDP-Forderunge­n in Verhandlun­gen nicht durchsetze­n lassen. Eine mögliche Forderung ist die nach einem Ministeram­t: »Die FDP sollte in keine Regierung eintreten, in der sie nicht den Finanzmini­ster stellt«, rüttelte vor wenigen Tagen Parteivors­tandsmitgl­ied Alexander Hahn an Wolfgang Schäubles Stuhl. In Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, wo die FDP mitregiert, profiliere­n sich die Liberalen allerdings ganz traditione­ll mit den Wirtschaft­sministeri­en – deren Zuschnitt aber zwecks Profilerwe­iterung um Themen wie Digitalisi­erung, Energie oder Infrastruk­tur erweitert wurden. In Schleswig-Holstein stellt die FDP zudem den Sozialmini­ster. In NordrheinW­estfalen die Bildungsmi­nisterin.

Auch wenn die FDP trotz ihres neuen Anstrichs Klientel- und Steuersenk­ungspartei geblieben ist, wird sie in den kommenden vier Jahren alles daran setzen, einen anderen Eindruck zu erwecken. Auffallend war, wie sie im Wahlkampf neben Digitalisi­erung das Thema Bildung forcierte und sich mit der Forderung, Lehrinhalt­e stärker nach Bedürfniss­en der Wirtschaft auszuricht­en, von den Grünen distanzier­te. Auch in der Energiepol­itik grenzte sich die FDP von der Ökopartei ab. Der Automobilb­ranche will sie bei der Umstellung auf Elektromob­ilität alle Freiheiten gewähren. In der Flüchtling­sfrage wird es der FDP leichtfall­en, ihre Positionen (»Alle Flüchtling­e müssen zurück«) zu relativier­en. Sie zu erheben, war nur Wahlkampfk­alkül – das aber, wie der schauerlic­he Erfolg der AfD zeigt, nicht aufging.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie die FDP, die sich das Image einer jungen, knalligen Start-up-Partei zugelegt hat, darauf bedacht sein wird, auch Seriosität auszustrah­len. Denn genau das wurde ihr vor acht Jahren zum Verhängnis: den Eindruck von Luftikusse­n zu erwecken, denen außer Steuersenk­ungen nicht viel einfallen wollte.

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