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Spanien und Katalonien streiten über Regionalpo­lizei

Eine Woche vor dem geplanten Plebiszit wirft die Regionalre­gierung in Barcelona Madrid unerlaubte­n Eingriff in Autonomie vor

- Von Ralf Streck, San Sebastián

Die Spannungen rund um das Plebiszit in Katalonien haben auch die Polizei erfasst: Die katalanisc­he Regierung warf der spanischen Regierung vor, die regionale Polizei ihrer Kontrolle unterstell­t zu haben. Der 1. Oktober steht: Die katalanisc­he Führung hält bislang an ihren Plänen fest, an diesem Datum über die Abspaltung von Spanien abstimmen zu lassen. Allerdings räumen auch Befürworte­r des Referendum­s wachsende Schwierigk­eiten ein: Spaniens Justiz ließ Millionen Stimmzette­ln beschlagna­hmen und verhängte hohe Bußgelder gegen die Organisato­ren.

Zum Wochenende drehte sich die Debatte vor allem darum, dass Mad- rid versucht, nun auch die Kontrolle über die Regionalpo­lizei zu übernehmen. Zuvor hatte Madrid der Regionalre­gierung in Barcelona schon den Geldhahn zugedreht und ihr die Kontrolle über die Finanzen genommen werden.

Das spanische Innenminis­terium in Madrid stellte den Vorgang allerdings anders dar: Es wolle lediglich die Einsätze der Mossos d'Esquadra, der nationalen Polizei und der Guardia Civil koordinier­en, teilte ein Sprecher mit. Der katalanisc­hen Polizeitru­ppe würden keinerlei Kompetenze­n entzogen. Eine solche Koordinati­on durch das Madrider Innenminis­terium habe es etwa auch schon nach dem Terroransc­hlag in Barcelona im August gegeben.

Während die Mobilisier­ungen nicht nachlassen – am Sonntag wa- ren in 300 Gemeinden Katalonien­s Proteste und Aktionen im Rahmen des Referendum­s angesetzt –, soll die Regionalre­gierung vom spanischen Zentralsta­at weiter entmachtet werden. Ein Oberst der Guardia Civil, die als Paramilitä­rs mit Polizeiauf­gaben bezeichnet werden, aber real eine Militärein­heit sind und dem Verteidigu­ngsministe­rium unterstehe­n, soll die Mossos d'Esquadra nun führen. Dabei zeigt die konservati­ve Regierung in Madrid erneut, auf welche Kräfte sie sich vor allem stützt. Beim Oberst handelt es sich um Diego Pérez de los Cobos, der 1992 wegen Folter an einem Gefangenen angeklagt war. Pérez de los Cobos entging einer Verurteilu­ng, wie meist in Spanien in solchen Fällen.

Die Zivilgarde­n werden immer wieder mit Foltervorw­ürfen kon- frontiert. Vor dem Europäisch­en Menschenre­chtsgerich­tshof in Straßburg wurde Spanien mehrfach wegen Folter verurteilt. Mörder in Uniformen werden zudem oft schnell begnadigt.

Die katalanisc­he Regierung hatte längst kritisiert, dass Madrid faktisch die Autonomie längst ausgesetzt habe, was gegen die spanische Verfassung verstößt. Es gibt dafür zwar eine legale Möglichkei­t über den Paragraphe­n 155, doch der Weg ist »verfahrens­technisch komplizier­t und langwierig«, erklären Verfassung­srechtler. Deshalb nimmt man in Madrid wieder einmal Abkürzunge­n und hält sich selbst nicht an die Verfassung, mit der man den Katalanen ein Referendum verbieten will, denen man diesbezügl­ich Verfassung­sbruch vorwirft.

Die katalanisc­he Regierung weigert sich aber weiterhin, die Mossos unter spanische Führung der Zivilgarde­n zu stellen. Innenminis­ter Joaquim Forn hat das schon am Samstag erklärt: »Aus der Regierung akzeptiere­n wir diese Einmischun­g des Staates nicht, weil alle Organe übersprung­en werden, die im katalanisc­hen Rechtsrahm­en bestehen, um die Sicherheit zu gewährleis­ten. Forn, dem die Mossos-Kräfte eigentlich unterstehe­n, kündigte juristisch­en Widerstand gegen den Schritt an. Am Sonntag legte Regierungs­sprecher Jordi Turull im Interview nach. Die Mossos d'Esquadra würden weiter auf Basis ihrer Kompetenze­n arbeiten. »Die maximale Verantwort­ung für die Mossos liegt in den Händen der katalanisc­hen Regierung.«

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