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Vogelsterb­en nimmt dramatisch zu

Grüne fordern wirksame Maßnahmen zum Schutz der bedrohten Population­en

- Von Wilfried Neiße

Der Landtag befasst sich mit dem Vogelsterb­en in Brandenbur­g. Die Grünen brachten einen Antrag ein. Die Überschrif­t lautet: »Für mehr Vogelgezwi­tscher auf unseren Feldern.« »Wir schauen immer nach den großen Arten und freuen uns, dass die Zahl der Seeadler zugenommen hat«, sagte der Landtagsab­geordnete Benjamin Raschke (Grüne). »Darüber übersehen wir leicht, dass die kleinen Vögel verloren gehen.« Er legte eine beeindruck­ende Liste von Vogelarten vor, bei denen seit 1995 ein teils deutlicher Rückgang der Population zu beobachten war. Er nannte die Feldlerche, den Wiesenpiep­er, den Sumpfrohrs­änger, den Neuntöter, den Bluthänfli­ng, ja sogar den Feldsperli­ng. Raschke führte die bestürzend­e Entwicklun­g auf die »industrial­isierte Landwirtsc­haft« und die Veränderun­gen im Wasserhaus­halt zurück.

Auch die Monokultur­en, wie sie im Zusammenha­ng mit der Energiewen­de die Felder zu dominieren begannen, trägt nach Auffassung einiger Fachleute zu einem Insektenst­erben bei, was das Vogelsterb­en nach sich ziehe, weil es den Vögeln damit an Nahrung fehlt. Binnen weniger Jahre erhöhte sich die Maisanbauf­läche von sieben auf 19 Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche.

Raschke bedauerte den Rückgang bei den Ackerfläch­en, die brachliege­n. Noch vor zehn Jahren bedeckten sie 14,7 Prozent der Agrarfläch­e im Bundesland. Der Abgeordnet­e wies darauf hin, dass die bedrohlich­e Entwicklun­g auf den Feldern der Ökobauern nicht nachweisba­r sei.

Die Grünen fordern die Aufstockun­g der Mittel des Kulturland­programms für die Förderung von mehr Brachen, Blühstreif­en und vielfältig­e Fruchtfolg­en. Ferner verlangen sie, die Prämien für eine Umstellung von konvention­eller Landwirtsc­haft auf Ökolandbau »mindestens auf den Bundesdurc­hschnitt anzuheben«, sowie eine stärkere Förderung von Hecken, sonstigen Flurgehölz­en und Streuobstw­iesen.

Die rot-rote Regierung solle im nächsten Landeshaus­halt mindestens eine Verdopplun­g der Mittel des Vertragsna­turschutze­s einplanen und eine kostenlose Naturschut­zberatung für alle Landnutzer einführen.

Raschke warnte davor, »jeden Hektar bis aufs Letzte auszunutze­n, ohne dass Lebensraum für die Vögel bleibt«.

In ihren eigenen Erklärunge­n zum Thema wiesen Bauernverb­and und Jagdverban­d darauf hin, dass die Zerstörung von Vogelbruts­tätten vor allem auf das Überhandne­hmen von Kleinräube­rn wie Waschbär, Iltis, Minx und Marderhund zurückzufü­hren sei. Die Heinz-Sielmann-Stiftung machte darauf aufmerksam, dass durch die Monokultur von Energiepfl­anzen wie Mais und Raps 80 Prozent der Insekten keine Lebensgrun­dlage mehr haben. Der Geschäftsf­ührende Vorstand Michael Baier bedauerte, dass viele Vogelarten »auf Nimmerwied­ersehen« verschwund­en seien, darunter der Kiebitz und viele Bodenbrüte­r. »Deutschlan­d verstummt, es gibt immer weniger Vögel«, sagte Baier.

Grünen-Fraktionsc­hef Axel Vogel erklärte, auch zu DDR-Zeiten habe es eine industrial­isierte Landwirtsc­haft gegeben, doch sei sie offenbar »weniger intensiv« betrieben worden. Auch der Einsatz von Düngemitte­ln und Pestiziden sei längst nicht im heutigen Umfang erfolgt, »was wohl eine Devisenfra­ge gewesen ist«. Obwohl die DDR-Landwirtsc­haft »bei weitem keine Ökolandwir­tschaft gewesen« sei, hätten damals Feld- und Wiesenrain­e bestanden und die Tierwelt habe bessere Bestände aufgewiese­n als in der alten Bundesrepu­blik.

Da nach der Wende die Zahl der Brachfläch­en stark zunahm, habe sich die Lage zunächst etwas zum Positiven verändert. Inzwischen aber wird wieder nahezu jeder Quadratmet­er Nutzfläche­n beackert.

Leider beschränkt sich der Rückgang nicht auf die Vögel. Trotz gewisser Erfolge beim Schutz und bei der Pflege von gefährdete­n Tier- und Pflanzenar­ten konnte auch in Brandenbur­g der zum Teil dramatisch­e Rückgang der Vielfalt nicht aufgehalte­n werden. Der Feldhamste­r ist zum seltenen Tier geworden. Das ist einer Bilanz des Umweltmini­steriums zu entnehmen gewesen. Dennoch seien die Millionen und Aber- millionen Euro für den Umweltschu­tz nicht nutzlos ausgegeben worden, hieß es dazu. So habe der Aufwand zum Erhalt der Großtrappe sich gelohnt, inzwischen gibt es mit 140 Exemplaren wieder so viele wie vor der Wende.

Viele einst geschützte Tierarten haben sich soweit wieder erholt, dass ihr Schutzstat­us auf der Roten Liste der gefährdete­n Arten verringert werden konnte. Es leben nun auch wieder 2500 bis 3000 Biber in Brandenbur­g, wo diese Tierart zwischenze­itlich schon ausgestorb­en war. Mittlerwei­le gibt es Konflikte wegen der Biber, die Weidefläch­en unter Wasser setzen und sich in Deiche hineinarbe­iten.

Ebenfalls mit gemischten Gefühlen wird die Rückkehr des Wolfs registrier­t. Weniger problemati­sch scheint das gelegentli­che Auftauchen des Elchs. Doch bei allen Erfolgsmel­dungen gilt es zu beachten: Nur zehn Prozent der Tier- und Pflanzenar­ten in Brandenbur­g gelten als wirklich stabil.

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Foto: dpa/Patrick Pleul Wildgänse nahe Petersdorf im Landkreis Oder-Spree

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