nd.DerTag

Mieter werden aus der Stadt gedrängt

Rhein-Main-Gebiet: Wohnungsma­rkt leergefegt

- Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden

Dass sich Normal- und Geringverd­iener in den Metropolen des Rhein-Main-Gebiets immer häufiger keine angemessen­e Wohnung leisten können, ist seit Jahren bekannt. Während ländlich geprägte Regionen Hessens wie der Vogelsberg­kreis, Odenwaldkr­eis, WerraMeißn­er-Kreis oder der Landkreis Waldeck-Frankenber­g einen Bevölkerun­gsrückgang beklagen, zieht das Ballungsge­biet RheinMain rund um Frankfurt am Main und Wiesbaden weiter Menschen aus Nah und Fern an. Doch der Bau erschwingl­ichen Wohnraums für breite Schichten der Bevölkerun­g kommt nicht nach.

Dieser Tage sorgten neue Zahlen in Wiesbaden für Aufregung. Demnach gehört Hessens Landeshaup­tstadt, derzeit mit rund 280 000 Einwohnern auf Platz 24 unter Deutschlan­ds Großstädte­n, zu den bundesweit­en Spitzenrei­tern in punkto Mietbelast­ung. So ergab eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung über die »Wohnverhäl­tnisse in Deutschlan­d«, dass in Wiesbaden bereits im Jahr 2014 mit einem Durchschni­ttswert von 8,66 Euro pro Quadratmet­er die siebthöchs­te Bruttokalt­miete verlangt wurde. Immer mehr Menschen müssten mindestens ein Drittel ihres Einkommens für Miete verwenden, erklärt der örtliche Mieterbund. Der Wohnungsma­rkt sei »leergefegt«, berichtete dieser Tage die Lokalpress­e unter Berufung auf ein junges Paar, das nach längerem Auslandsau­fenthalt in die Heimat zurückgeke­hrt war und nach intensiver Suche notgedrung­en eine 100-Quadratmet­er-Wohnung für eine Warmmiete von 1500 Euro monatlich akzeptiere­n musste.

Solche Fälle mit horrenden Mietsteige­rungen bei Neuvermiet­ungen sind aus Sicht des Mieterbund­es keine Ausnahme. Derzeit müssten Wiesbadens Mieter im Schnitt bereits deutlich über elf Euro pro Quadratmet­er und Monat aufbringen. Ein Ende des Anstiegs sei nicht in Sicht.

»Nichts Neues in Wiesbaden. Die Stadt hat es versäumt, bezahlbare Wohnungen zu bauen oder zu kaufen – und nun sind die Investoren da und bestimmen den Preis« kommentier­t ein Beobachter des Immobilien­markts die Entwicklun­g. »Ich kenne viele Häuser, die günstig gekauft und saniert wurden und dann den Mietern für richtig viel Geld angeboten wurden.« Es sei »ein Witz«, wenn die Verantwort­lichen beteuerten, sie könnten nicht nachholen, was die ganze Zeit vernachläs­sigt wurde: »Die politische­n Karrieren begannen ja nicht erst gestern.« In Wiesbadens Rathaus geben SPD und CDU den Ton an, seit 2016 gibt es ein »Kenia«-Bündnis mit den Grünen.

In Wiesbaden und Frankfurt halten Luxussanie­rung und Mietervert­reibung in attraktive­n Lagen an. Nicht wenige Menschen, die unter dem Druck von Investoren aus bisher relativ preiswerte­n Wohnungen gedrängt werden, bleibt am Ende der nervenaufr­eibenden Suche nach einer neuen Bleibe innerhalb der Stadtgrenz­en nur die Option, eine preisgünst­igere Wohnung im Umland zu nehmen. Mit deutlich längeren täglichen Anfahrtswe­gen in die Städte.

Trotz hektischer Betriebsam­keit der kommunalen Baudezerna­te und Debatten über neue Baugebiete ist eine Linderung der Wohnungsno­t im Rhein-Main-Gebiet nicht in Sicht. In Wiesbaden drückt zudem die zahlungskr­äftige »US Military Community« rund um das Europa-Hauptquart­ier der USLandstre­itkräfte die Mieten nach oben. In Frankfurt/Main suchen nach dem britischen Brexit-Referendum zunehmend »Brefugees«, also in der Regel zahlungskr­äftige Banker, eine neue Bleibe, weil ihre Firmen von der Themse an den Main umzuziehen gedenken.

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