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Verspielte­s Selbstvert­rauen

FC Bayern fährt nach dem 2:2 gegen Wolfsburg angeschlag­en zum »Kulturkamp­f« nach Paris

- Von Maik Rosner, München

Nach dem enttäusche­nden 2:2 und vor dem Champions-League-Treffen gegen Paris Saint-Germain gegen Wolfsburg verschärfe­n sich die Debatten beim FC Bayern München. Das Lächeln war am Tag danach zurückgeke­hrt beim FC Bayern. Posieren stand beim gemeinsame­n Oktoberfes­tbesuch auf dem Pflichtpro­gramm der Münchner, doch etwas gequält wirkte die für die Kameras zur Schau gestellte gute Laune schon. »Das wird ein schöner Scheißtag«, hatte Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic am Freitagabe­nd noch befürchtet, nachdem der deutsche Meister gegen den VfL Wolfsburg eine 2:0-Pausenführ­ung aus der Hand gegeben hatte und mit einem enttäusche­nden 2:2 auf die Wiesn ziehen musste. Ganz so furchtbar war der Samstag dann zwar offenbar nicht geraten. Aber vernehmbar blieb durchaus, dass die Bayern am Rückschrit­t vor dem Showdown am Mittwoch in der Champions League bei Paris SaintGerma­in sehr zu knabbern haben.

»Man muss das für ein paar Stunden einfach ausklammer­n«, empfahl Präsident Uli Hoeneß, ehe er und der Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge mit ihren Maßkrügen demonst- rativ mit Trainer Carlo Ancelotti anstießen. Und Thomas Müller sagte zum familiären Beisammens­ein der Mannschaft auf dem Volksfest: »Fürs Teambuildi­ng ist die Maßnahme ja nicht schlecht.« Wer wollte, konnte daraus entnehmen, dass der Nationalsp­ieler dafür weiterhin Bedarf sieht. Zumal nach einem Saisonstar­t, der letztmals vor sieben Jahren weniger Ertrag eingebrach­t hatte. Damals standen statt der aktuellen 13 Punkte unter Trainer Louis van Gaal elf Zähler nach sechs Spielen in der Zwischenbi­lanz.

Dass die Bayern verstimmt in den von Rummenigge ausgerufen­en Kulturkamp­f der »unterschie­dlichen KlubPhilos­ophien« mit Paris ziehen müssen, hatte für Salihamidz­ic auch damit zu tun, dass gegen Wolfsburg die »letzte Entschloss­enheit« gefehlt habe. Vor allem aber hatte nach zuletzt drei Siegen mit 10:0-Toren jener weitere Erfolg gefehlt, mit dem nicht nur das Zuprosten auf der Wiesn leichter gefallen wäre, sondern vor allem die Vorbereitu­ng auf die vielleicht wichtigste Standortbe­stimmung bis zum Jahresende für Ancelottis Mannschaft. Mit ihrer sonst fest verankerte­n Selbstgewi­ssheit werden die Münchner die Kurzreise nach Paris nun nicht angehen können, wenngleich Frankreich­s Tabellenfü­hrer sein Vorspiel beim 0:0 in Montpellie­r ebenfalls missriet.

Zu vernehmen war das allerorten. Bei Müller zum Beispiel, der auf die Frage, was dieses Remis nach einer 2:0-Führung für den Vergleich mit PSG und dem spektakulä­ren Angriffstr­io Neymar, Mbappé und Cavani zu bedeuten habe, mit vielen Ungewisshe­iten reagierte. »Das weiß ich nicht. Was kann es denn bedeuten?«, fragte er zurück und antwortete mit einer möglichst großen Varianz selbst: Bedeuten könne es »alles, von einer Trotzreakt­ion bis zu einer schlechten Phase. Das werden wir nach dem Ergebnis am Mittwoch sehen.«

Vorläufig musste Müller einen »kleinen Rückschrit­t« bilanziere­n. Zumal sich die Bayern kaum Chancen gegen die vom neuen Trainer Martin Schmidt defensiv sehr gut eingestell­ten Wolfsburge­r herausgesp­ielt hatten und nur dank eines umstritten­en Foulelfmet­ers von Robert Lewandowsk­i (33.) sowie eines abgefälsch­ten Linksschus­ses von Arjen Robben (42.) in Führung gegangen waren. Was folgte war eine zweite Halbzeit, in der die Bayern »den Sieg weggeschmi­ssen« hatten, wie es Müller formuliert­e. Zunächst ließ Manuel Neuers Vertreter Sven Ulreich einen mittig aufs Tor getretenen Freistoß von Maximilian Arnold aus rund 25 Metern über seine rechte Hand rutschen (56.). In der Schlusspha­se wurden die Bayern vor Daniel Didavis Kopfball zum 2:2 auch noch ausgekonte­rt (83.).

Bedenklich­er als Ulreichs Torwartfeh­ler aber war die schwunglos­e und nicht homogen wirkende Spielweise der Bayern. Und dass die Spieler dazu neigen, autonome und individuel­le Entscheidu­ngen zu fällen. »Wir haben vom Trainer die klare Anweisung, nicht zu pressen, wenn wir dafür nicht perfekt aufgestell­t sind. Wir haben es trotzdem gemacht«, sagte Mats Hummels. Und: »Wir spielen nicht den Fußball, den wir spielen wollen.« Und das vor PSG. »Auswärts in Paris ist momentan definitiv eines der fünf schwersten Spiele in Europa und damit auf der Welt. Das wird eine ganz heiße Aufgabe«, ahnt der Innenverte­idiger.

Zuletzt hatten die Münchner den Anschein erweckt, ihre Defizite behoben zu haben. Nun müssen sie sich für die Verschärfu­ng jener Debatten wappnen, die in der Frühphase der Saison angestoßen worden waren. Das weiß auch Ancelotti. »Wir waren langsam, hatten wenig Intensität im Spiel und standen nicht kompakt«, erkannte der Trainer und sagte mit Blick auf Mittwoch: »Wir müssen in Paris anders auftreten.« Sonst könnte das Zuprosten auch künftig schwer fallen.

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Foto: imago/DeFodi Belohnt beim FC Bayern: Der große Einsatz von Jakub Blaszczyko­wski (r.) und seinen Wolfsburge­r reichte zu einem Punkt gegen München mit Rafinha.

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